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Heute Abend beim Klavierspielen sind mir zwei Ideen für das Clavio-Forum gekommen. Die eine ist die Umfrage zu Lieblings-Intervallen, die andere ein neues Übe-Experiment. Diesmal gibt es keine Geheimvorbereitung per PN, sondern nur eine kurze Anregung, unabhängig vom Stück und sonstigen Voraussetzungen. Rückmeldungen sind trotzdem gerne gesehen und Fragen willkommen.
Diese Idee richtet sich besonders an die Sorte Klavierspieler, die sich beim Spielen besonders stark bewegen - hin und her wiegen, vor und zurück beugen (oder insgesamt gebeugt sitzen), mit den Füßen scharren, Kopf in den Nacken werfen, Lippen zusammenpressen und alles mögliche. Ich hoffe, ich verlange mit meiner Aufgabe nicht zuviel von euch und alles ist verständlich und logisch. Ich bastle mal wieder eine Anleitung:
1. Sucht euch ein Stück aus, das ihr schon relativ gut spielen könnt und das euch gefällt. Auswendig oder nicht ist egal, Schwierigkeit auch egal. Am besten nicht zu kurz, sonst ist es so schnell vorbei.
2. Spielt das Stück ein paar Mal durch und achtet dabei darauf, was der Körper bzw. Körperteile und Muskelgruppen tun. Wichtig: Nichts willentlich verändern, nur wahrnehmen. Wer will, kann sich auch filmen. Vermutlich ist es hilfreich und bringt überraschende Ergebnisse zu Tage, wenn ihr euch nacheinander auf verschiedene Körperstellen verlegt.
Also: Wo sind meine Füße? Bewege ich die Beine? Sind die Oberschenkel angespannt? In welchem Winkel ist das Becken gekippt? Wo sind die Schulterblätter? Sitze ich bequem? Bin ich nach vorne gebeugt? Schwanke ich? Ist die Stirn kraus? Ist der Bauch angespannt? Der Nacken? Der Kiefer? Und so weiter und so weiter. Stellt euch vor, ihr beobachtet das von außen und macht es euch einfach nur bewusst.
3. Beschäftigt euch eine Weile mit dem zweiten Punkt, nicht zu schnell weitergehen. Wenn man sowas noch nie absichtlich, bewusst und wertungsfrei wahrgenommen hat, muss man sich an den Gedanken erst etwas gewöhnen.
Wenn ihr jetzt spielt, nehmt vor allem die Bewegungsinitiative wahr, also den Moment, wenn ihr euch unwillkührlich anfangt zu bewegen. Spürt dann hin:
a) Ist diese Bewegung unabdingbar für die Spielbewegung die ich gerade brauche? Kann ich sie vielleicht noch kleiner machen oder selbstverständlicher? Kann ich mich früher oder später bewegen?
b) Oder (vor allem) : Ist die Bewegung eigentlich nutzlos und ich führe sie einfach aus, ohne genau zu wissen warum, kann aber wenig dagegen machen ohne mich wie im Schraubstock zu fühlen?
4. Wenn wir uns mal weiter mit b) beschäftigen: Vermutlich ist die Bewegung ein Ausdrucksgefühl der Musik. Es sei denn, ihr bewegt euch auch genauso, wenn ihr im Wartezimmer auf dem Stuhl sitzt. Im 4. Punkt fühlt also genau dorthin. Spielt euer Stück, nehmt die Bewegungen wahr und spürt, wie sie zu eurem Ausdruck dazugehören. Noch immer nichts absichtlich verändern - obwohl ihr vermutlich schon anders dasitzt als vor und während 1).
5. Jetzt kommt die größte Herausforderung. Spielt euer Stück nochmal unter neuen Voraussetzungen. Vorher setzt ihr euch so hin, wie euer Klavierlehrer es euch beigebracht hat. Also aufrecht, aber nicht überstreckt, durchlässig, bequem, stabil. Merkt genau, wie sich das anfühlt.
Wenn ihr nun spielt (das kann ruhig langsamer sein und mehr Fehler beinhalten, weil man so viel Konzentration abzweigt am Anfang) behaltet dieses Sitzgefühl der Durchlässigkeit und des minimalen Aufwandes bei. Wenn ihr merkt, dass der Ausdruck eine bestimmte Körperbewegung ausführen will, leitet sie direkt in das Spielen hinein, statt euch zum Beispiel nach vorne zu beugen. Der Ausdruckswille ist immer noch da und kann auch raus, aber in eine andere Richtung. Die zusätzliche "Energie", die normalerweise in die Bewegung investiert wird, wird jetzt zusätzlich in den Ausdruck der Musik geleitet.
Es geht nicht darum, eine Anspannung zu erzeugen die daraus resultiert, dass ihr Bewegungen unterdrückt. Das ist nämlich dasselbe wie vorher, nur ohne Bewegung. Sondern: Der Grund der "unnützen" Bewegung ist noch vorhanden, ihm wird aber auf andere Weise stattgegeben.
6. Wenn ihr hier angekommen seid, hört euch wieder mehr beim Spielen zu. Gibt es einen Unterschied? Klingt es schöner, tiefer, selbstverständlicher, ruhiger, größer? Fühlt ihr euch anders beim Spielen? Ist es ungewohnt, schwierig? Bleibt es das?
Und noch ein grundsätzlicher, wichtiger Hinweis: Das Ziel ist nicht, dass ihr vollkommen starr am Klavier sitzt. Es ist klar, dass man sich für gesundes Sitzen und für das Spielen immer bewegen muss. Es geht darum, ein gutes und nützliches Maß für die Bewegungen zu finden.
Nicht verzweifeln, wenn das nicht alles sofort gelingt. Ich weiß, dass es alles andere als leicht ist...
liebe Grüße
Stilblüte
Diese Idee richtet sich besonders an die Sorte Klavierspieler, die sich beim Spielen besonders stark bewegen - hin und her wiegen, vor und zurück beugen (oder insgesamt gebeugt sitzen), mit den Füßen scharren, Kopf in den Nacken werfen, Lippen zusammenpressen und alles mögliche. Ich hoffe, ich verlange mit meiner Aufgabe nicht zuviel von euch und alles ist verständlich und logisch. Ich bastle mal wieder eine Anleitung:
1. Sucht euch ein Stück aus, das ihr schon relativ gut spielen könnt und das euch gefällt. Auswendig oder nicht ist egal, Schwierigkeit auch egal. Am besten nicht zu kurz, sonst ist es so schnell vorbei.
2. Spielt das Stück ein paar Mal durch und achtet dabei darauf, was der Körper bzw. Körperteile und Muskelgruppen tun. Wichtig: Nichts willentlich verändern, nur wahrnehmen. Wer will, kann sich auch filmen. Vermutlich ist es hilfreich und bringt überraschende Ergebnisse zu Tage, wenn ihr euch nacheinander auf verschiedene Körperstellen verlegt.
Also: Wo sind meine Füße? Bewege ich die Beine? Sind die Oberschenkel angespannt? In welchem Winkel ist das Becken gekippt? Wo sind die Schulterblätter? Sitze ich bequem? Bin ich nach vorne gebeugt? Schwanke ich? Ist die Stirn kraus? Ist der Bauch angespannt? Der Nacken? Der Kiefer? Und so weiter und so weiter. Stellt euch vor, ihr beobachtet das von außen und macht es euch einfach nur bewusst.
3. Beschäftigt euch eine Weile mit dem zweiten Punkt, nicht zu schnell weitergehen. Wenn man sowas noch nie absichtlich, bewusst und wertungsfrei wahrgenommen hat, muss man sich an den Gedanken erst etwas gewöhnen.
Wenn ihr jetzt spielt, nehmt vor allem die Bewegungsinitiative wahr, also den Moment, wenn ihr euch unwillkührlich anfangt zu bewegen. Spürt dann hin:
a) Ist diese Bewegung unabdingbar für die Spielbewegung die ich gerade brauche? Kann ich sie vielleicht noch kleiner machen oder selbstverständlicher? Kann ich mich früher oder später bewegen?
b) Oder (vor allem) : Ist die Bewegung eigentlich nutzlos und ich führe sie einfach aus, ohne genau zu wissen warum, kann aber wenig dagegen machen ohne mich wie im Schraubstock zu fühlen?
4. Wenn wir uns mal weiter mit b) beschäftigen: Vermutlich ist die Bewegung ein Ausdrucksgefühl der Musik. Es sei denn, ihr bewegt euch auch genauso, wenn ihr im Wartezimmer auf dem Stuhl sitzt. Im 4. Punkt fühlt also genau dorthin. Spielt euer Stück, nehmt die Bewegungen wahr und spürt, wie sie zu eurem Ausdruck dazugehören. Noch immer nichts absichtlich verändern - obwohl ihr vermutlich schon anders dasitzt als vor und während 1).
5. Jetzt kommt die größte Herausforderung. Spielt euer Stück nochmal unter neuen Voraussetzungen. Vorher setzt ihr euch so hin, wie euer Klavierlehrer es euch beigebracht hat. Also aufrecht, aber nicht überstreckt, durchlässig, bequem, stabil. Merkt genau, wie sich das anfühlt.
Wenn ihr nun spielt (das kann ruhig langsamer sein und mehr Fehler beinhalten, weil man so viel Konzentration abzweigt am Anfang) behaltet dieses Sitzgefühl der Durchlässigkeit und des minimalen Aufwandes bei. Wenn ihr merkt, dass der Ausdruck eine bestimmte Körperbewegung ausführen will, leitet sie direkt in das Spielen hinein, statt euch zum Beispiel nach vorne zu beugen. Der Ausdruckswille ist immer noch da und kann auch raus, aber in eine andere Richtung. Die zusätzliche "Energie", die normalerweise in die Bewegung investiert wird, wird jetzt zusätzlich in den Ausdruck der Musik geleitet.
Es geht nicht darum, eine Anspannung zu erzeugen die daraus resultiert, dass ihr Bewegungen unterdrückt. Das ist nämlich dasselbe wie vorher, nur ohne Bewegung. Sondern: Der Grund der "unnützen" Bewegung ist noch vorhanden, ihm wird aber auf andere Weise stattgegeben.
6. Wenn ihr hier angekommen seid, hört euch wieder mehr beim Spielen zu. Gibt es einen Unterschied? Klingt es schöner, tiefer, selbstverständlicher, ruhiger, größer? Fühlt ihr euch anders beim Spielen? Ist es ungewohnt, schwierig? Bleibt es das?
Und noch ein grundsätzlicher, wichtiger Hinweis: Das Ziel ist nicht, dass ihr vollkommen starr am Klavier sitzt. Es ist klar, dass man sich für gesundes Sitzen und für das Spielen immer bewegen muss. Es geht darum, ein gutes und nützliches Maß für die Bewegungen zu finden.
Nicht verzweifeln, wenn das nicht alles sofort gelingt. Ich weiß, dass es alles andere als leicht ist...
liebe Grüße
Stilblüte