Zunächst einmal zum Dominantseptakkord. Ausgehend von der Funktionstheorie hast du absolut recht, da steht der Dominantseptakkord auf der fünften Stufe. Der C-Dur-Akkord mit hinzugefügter kleiner Septime, also c-e-g-b ist der Dominantseptakkord für F-Dur, weil C-Dur die Dominate von F-Dur ist. So weit so gut...
Nun hat sich aber abseits der Funktionstheorie der Name "Dominantseptakkord" schlicht und ergreifend für einen Dur-Akkord mit kleiner Septime eingebürgert, unabhängig von dessen Funktion als Dominante im Sinne der Funktionstheorie. Wenn ich also sage, "Wir gehen von einem C-Dominantseptakkord aus...", meine ich nichts anderes, als einen C-Dur-Akkord mit hinzugefügter kleiner Septime, also c-e-g-b. Genauso kann ein Dominantseptnonakkord ein Dur-Akkord mit hinzugefügter kleiner Septime und großer None sein, unabhängig von der Dominantfunktion.
Zum Quartakkord: Du hast recht, dass Skrjabin den Akkord in Quarten geschichtet hat und zwar mit reinen, verminderten und übermäßigen Quarten. Das ganze hat nur ein Problem: Dieser Akkord lässt sich als Quartakkord nur schwer fassen und erklären. So gibt es unzählige Theorien darüber und es herscht absolut keine Einigkeit in der Fachwelt. Manche halten ihn einfach nur für ein willkürliches Konstrukt, andere begründen ihn mit der Naturtonreihe usw... Skrjabin selbst hat die Quartschichtung nie begründet und immer betont, dass er den Akkord intuitiv gefunden hat.
Jetzt müssen wir Normalsterblichen natürlich einen Weg finden, mit der Sache trotzdem irgendwie wissenschaftlich umzugehen. Um das zu schaffen und den Akkord wieder fassbar zu machen, bietet sich das bewehrte System an: Die Terzschichtung! Genau das hat ein gewisser Herr Dalhaus gemacht. Der ist einfach davon ausgegangen, dass Skrjabin die Musikgeschichte nicht komplett ausgeblendet haben kann und höchstwahrscheinlich doch intuitiv die Terzschichtung nicht außer Acht gelassen hat. Und wenn man den Akkord terzschichtet, dann ist das ein Dominantseptnonakkord (also ein Dur-Dreiklang mit hinzugefügter kleiner Septime und großer None), bei dem die Quinte tiefalteriert wurde und eine große Sexte hinzugefügt wurde. Wo die große Sexte (Chopin Sexte) herkommt, habe ich im Skrjabin-Faden erklärt. Dazu muss man sagen, dass das auch nur eine Theorie ist, die zwar einleuchtend ist, sich aber nicht zweifelsfrei nachweisen lässt.
Auf einmal ist das Ding fassbar... Auf einmal habe ich einen alterierten Dominantseptnonakkord mit hinzugefügter Chopin-Sexte und damit kann man arbeiten. Skrjabin benutzt diesen Akkord aber nicht nur als Akkord, sondern als Tonvorrat oder Skala. Den Tonvorrat, der auf einem bestimmten Skrjabin-Akkord beruht, nennt man Klangzentrum. Das Klangzentrum mit Grundton C ist also c-fis/ges-b-e-a-d, was dem Prometheusakkord auf C entspricht.
Nun zu op.58: Hier sieht man sehr schön, wie Skrjabin das macht.
Der erste Takt (eigentlich die ersten vier Takte) bestehen aus dem Tonvorrat (unsortiert) c-e-fis-dis-gis-ais
Gehen wir der Reihe nach durch und vergessen erst mal die Quartschichtung, sondern bleiben bei der Terzschichtung:
Auf c: Dominantseptnonakkord: c-e-g-b-d; Quinte tiefalterieren und große Sexte hinzufügen: c-e-ges(fis)-b-d-a
Stimmt nicht mit dem Tonvorrat in Takt 1 überein.
Auf e: Dominantseptnonakkord: e-gis-h-d-fis; Quinte tiefalterieren und große Sexte hinzufügen: e-gis-b(ais)-d-fis-cis
Stimmt wieder nicht mit dem Tonvorrat überein, also weiter...
Auf fis: Dominantseptnonakkord: fis-ais-cis-e-gis: Quinte tiefalterieren und große Sexte hinzufügen: fis-ais-c(his)-e-gis-dis
Kurzer Abgleich...Passt!
Jetzt können wir das noch mal zum Abschluss in Quarten schichten.
fis-c(his)-e-ais-dis-gis
Skrjabin beginnt in op.58 also mit dem Klangzentrum auf fis. Ab Takt fünf verschiebt er das Klangzentrum nach as usw.... Hier sieht man schon ein Problem: Skrjabin notiert nämlich tatsächlich c und nicht his, er notiert also die tiefalterierte Quinte (ausgehend von der Terzschichtung) statt der übermäßigen Quarte (ausgehend von der Quartschichtung). In späteren Werken variiert Skrjabin das Klangzentrum auch immer wieder. In der 7. Sonate (u.a.) nimmt er die kleine, statt der großen None, manchmal fügt er einen siebenten oder sogar achten Ton hinzu, vermischt das ganze mit der Rimsky-Korsakov-Leiter usw....
Das ist keine triviale Materie und braucht schon einige Zeit, um sich hineinzudenken und es ist schwierig, das in ein paar Beiträgen abzuhandeln. Verliere nicht die Geduld! Ich finde es klasse, dass du dich damit auseinandersetzt!
Wenn du dich näher mit der Sache auseinandersetzen willst, wirst du um Literatur nicht herumkommen. Ich empfehle für den Anfang folgendes Buch:
http://www.amazon.de/Alexander-Skrj...=UTF8&qid=1425832873&sr=8-1&keywords=skrjabin und seine musik
Das ist sehr kurzweilig geschrieben und enthält nicht nur trockene Theorie.