Ok, dann können wir das ja auf die Sachebene zurück führen.
Als Beispiel für einen Lehrplan hier der Sek. I Plan für NRW:
Kernlehrpläne - Gymnasium (G8)
Kurz und gut: Es gibt 3 Handlungsfelder: Rezeption, Produktion und Reflexion. Weiterhin gibt es 3 Inhaltsfelder: Bedeutungen von Musik, Entwicklungen von Musik und Verwendungen von Musik. Im Unterrichtsvorhaben fallen dabei diese zusammen. Wenn also die Schüler in Gruppenarbeit ein Plakat über das Leben eines Komponisten erstellen, produzieren sie etwas zum Bereich Entwicklungen von Musik. Wenn wir dann über die Plakate sprechen ist das die Reflexion.
Verbindlich festgelegt für die Mittelstufe sind im Bereich Entwicklungen nur:
Abendländische Kunstmusik im Übergang vom 18. zum
19. Jahrhundert und Populäre Musik.
Das ist schon für meinen Geschmack etwas dünn. Was ist mit Renaissance und Mittelalter? Moderne? Letztlich bekomme ich noch nicht einmal Jazz (eigentlich ein schönes Thema für die Mittelstufe) glaubhaft an den Plan angebunden ohne Verrenkungen in der Argumentation zu machen. Sicher nicht mein Traum, dieser Lehrplan, aber er gibt eben auch durch seine minimalen bis nicht vorhandenen Mindestanforderungen ein gutes Stück Freiheit. Wenn ich das "Muss" abgearbeitet habe (und der Umfang ist nicht wirklich vorgegeben), habe ich noch genug Zeit für andere spannende Sachen. Das würde ich als Chance sehen.
Zum Themenfeld Pop muss aus der Erfahrung einfach gesagt werden (und Einiges wurde schon genannt):
- Inzwischen ist der Markt so groß und die Geschmäcker sind so unterschiedlich, dass es die eine Musik, die allen gefällt nicht gibt. Die heftigen Geschmacksdebatten, die unweigerlich entstehen ("Boah, ist das ein Kack. Und hörst Du Dir an, Du Opfer?") sind nicht kanalisierbar und stören enorm.
- Wenn ich versuche demokratisch zu sein und bitte, das jeder seine Lieblingsmusik mitbringt und erläutert, bekomme ich selten stichhaltige Informationen zur Musik selbst. Stattdessen einen Wust von redundanten biografischen Details aus dem Leben der Band (im schlimmsten Fall das Datum, an dem Gitarrist zuletzt bei seiner Oma ins Klo gekotzt hat). Das erbringt auch keinen Fortschritt und schlägt nur Unterrichtszeit tot, die für mich mit wenig Arbeitseinsatz vorbei geht. Das kann es auch nicht sein. Sinn macht das nur, wenn man große Entwicklungslinien der Pop Musik aufzeigen kann und didaktisch aufbereitet.
- Man sollte nicht glauben, dass es so einfach ist, hier Schüler zu begeistern. Mit den jetzigen Abiturienten musste ich lt. Vorgaben einige Beatles Songs besprechen. Begeisterung? Eher verhalten. "Yesterday" kam noch hin, aber dann kamen die Sachen nicht mehr so sehr gut weg. Sicher kein Knaller im Repertoire.
- Für die Auswahl eines Stoffes ist die didaktische Zielsetzung entscheidend. Es reicht nicht, dass ich Stück x oder y "gemacht" habe. Was sollen die Schülern daran lernen? Natürlich kann ich eine 8-taktige Periode an fast jedem Popsong festmachen. Aber es gilt: Back to the roots. Dann bin ich schnell wieder in der Klassik. Ich kann für Phrygisch etliche Beispiele aus dem Hardrock finden, das Mittelalter bleibt mir nicht erspart. Selbstverständlich kann ich die Technik des Leitmotives mit der Musik zu "Herr der Ringe" einführen. Ritchie Wagner kommt dann gleich hinterher. Wenn ich das zu oft mache, durchschauen die Schüler die Masche. In Ausnahmefällen macht das ganz sicher Sinn, aber ein Allheilmittel ist es nicht.
- Es gibt es Alter in der Unterstufe, in der sich Geschmack noch bildet. Die Kinder versuchen an einer Erwachsenenwelt zu partizipieren, indem sie offensichtliche Modeströmungen aufgreifen, oft ohne sie zuverstehen. So kurzlebige Nummern wie Gangnam-Style wäre ein Beispiel. Ich kann das auch nutzen, um ihnen Sachen näher zu bringen, die meistens im Elternhaus nicht mehr vorkommen. Anders ausgedrückt: Wenn ich einem Kind die Vorzüge der Goumetküche zeigen will, macht es keinen Sinn, immer wieder zu Mäcces zu gehen und zu hoffen, dass das Kind schließlich von selbst in das Sterne-Restaurant geht. Das muss ich schon selbst anzetteln. Und beim ersten Mal dürfte die Reaktion verhalten sein. Ähnlich ist das doch mit Musik. Nach meiner Erfahrung (und da gibt es sicherlich auch Untersuchungen) wird ein Stück erst nach mehrmaligem Hören angenommen. Also muss ich das anbieten. Dabei entstehen oft erstaunliche Vorlieben. In dieser Woche war in gleich zwei 6. Klassen Mussorgskis Hütte der Baba Yaga ein Renner. Ein ganz alter Hut, nix Einfallsreiches, aber die Kinder waren ganz offenbar um eine Erfahrung reicher.
Ansonsten ist nach Absprache mit der Schulleitung jeder gerne eingeladen, bei mir zu hospitieren und vielleicht auch mal selbst zu versuchen. Ich habe immer wieder Musikerkollegen als Gäste im Unterricht.
Schöne Grüße
Axel