Das Moment musical läßt sicherlich eine Vielzahl interpretatorischer Deutungen zu. Deswegen sollen (und können) meine Überlegungen nur Anregungen sein. ich empfinde das Stück als "Lied ohne Worte" - es könnte durchaus die Klavierbegleitung eines Stückes aus der "Winterreise" sein, zu dem Wilhelm Müller leider keine passenden Text geliefert hat ...;) Worauf ich hinaus will, ist der deklamatorische Gestus der Musik. Die Musik drängt förmlich nach vorne. WEnn der Interpret diesem Drängen zusehr nachgibt (und damit das Gefühl schon auflöst), kommt bei dem Hörer letztendlich nur Hektik an. Ich würde die Tempo-Vorschrift "Moderato" sehr ernst nehmen und zumindest im ersten (und letzten) Teil einen recht einheitlichen Puls nehmen.
Die crescendo-Steigerung (T. 6) kommt umso dramatischer, je strenger man den Puls hält.
Ruhig Blut ist auch in den TT. 10-12 angesagt, wenn sich die Motive aus T. 1 und T. 4 polyrhythmisch übereinander legen. Je vernehmlich die Achtel gegen die Triolen "klappern", desto schöner. (Auch dies wäre für mich ein Indiz für die Tempowahl.)
TT. 18-21: Ist es wirklich ein rasender, hyperventilierender Puls, oder nicht doch eher ein beklommenes Herz, das hier in den Seufzergruppen schlägt? Das frische "Posthornmotiv" des Anfangs und nun die bange Frage: "Hat er/sie geschrieben?" - Wie schon gesagt: ein Drama ohne Worte.
Zu überlegen wäre, wie man die Punktierung in T. 1 auflöst: mathematisch (3 zu 1) oder triolisch (2 zu 1)? Und welche Konsequenzen hat das für T. 20? (Um ehrlich zu: mir ist diese Überlegung an dieser Stelle ziemlich egal! :D)
Bei den Triolen zu Beginn des Mittelteils (TT. 30-31 etc.) sollte man die Melodielinie g'-'g-fis' / a'-a'-g' schon gut heraushören.
Die Punktierungen ab T. 38 sind sicherlich "nachklappernd" zu spielen. Was reizvoll ist (allerdings sehr schwer und nur in einem eher ruhigen Tempo zu bewerkstelligen ist): das 16tel präzise direkt hinter die Triole zu setzen und nicht erst auf die triolische "3 und" zu spielen. Gelingt mir leider auch nur selten so, daß ich zufrieden bin. ;)
Das Crescendo TT. 45-48 sollte man nicht zu rasant angehen, sondern so anlegen, daß der Höhepunkt wirklich erst mit T. 48 erreicht ist. Vor T. 49 brauchen das Ohr (und auch die Finger) eine deutliche Zäsur - einen Augenblick Stille -, um das plötzlich einsetzende pp realisieren und wahrnehmen zu können. Also nicht direkt weiterstürmen.
Die Baßfigur ab T. 38 ist auf modernen Instrumenten kaum angemessen zu gestalten. Meist grummelt es nur mehr oder weniger diffus. Wie man diese Figur transparenter gestaltet, weiß ich auch noch nicht. :confused: Auf einem alten Hammerflügel klingt diese Stelle jedenfalls viel schöner.
Ich bin schon gespannt auf die Nrr. 2-6.