Profi-Klavierspiel und Lebenserfahrung

Mephistowalzer, Suggestion diabolique, "schwarze Messe", "Gang zum Richtplatz & Hexensabbat" müsste man demzufolge nur dann überzeugend darbieten können, wenn man mit dem Teufel, mit Hinrichtungen und mit Okkultismus Erfahrungen hat? ...das überzeugt mich nicht.
Welche Kriterien qualifizieren jemanden denn neben Erfahrungen und Vorstellungskraft dann dazu, solche Stücke zu spielen? Das ist keine rhetorische Frage. Die Fantasie oder Erinnerung muss doch groß genug sein, um sich in der Gefühlswelt dieser Musik wiederzufinden, oder?
 
Welche Kriterien qualifizieren jemanden denn neben Erfahrungen und Vorstellungskraft dann dazu, solche Stücke zu spielen?
ziemlich genau dieselben Kriterien, die einen dazu befähigen, eine Hammerklaviersonate, eine orientalische Fantasie oder die hübsche Trias Wasserische-Galgen-Nachtgespenst ordentlich darzubieten.

...warum ergänzt du eigentlich das hier
Damit meine ich, dass man in der Lage ist, in etwas, das künstlerisch abstrahiert ist, etwas selbst Erfahrenes wiederzufinden.
nun auf einmal um Vorstellungskraft? Ich fand das "selbst Erfahrene" viel ergiebiger für Witzeleien, mit denen ich gleich weiter mache, als Vorstellungskraft/Fantasie.

Also: um den Mephistowalzer zu schaffen, muss man vorab nicht zum Pfaffen des Vertrauens gehen, um sich exorzieren zu lassen, und um Islamey hinzukriegen, muss man nicht in der nächsten Moschee auf einem Teppich das Haupt gen Ost und das Hinterteil gen West ausrichten - beide Maßnahmen mögen ansonsten in Sachen Erfahrungen sammeln ergiebig sein, aber ihr praktischer Nutzen am Klavier ist mit Null noch recht großzügig beziffert ;-) :-D :teufel:
 
@rolf Das hast du überzeugend formuliert.

Gestatte mir noch eine Spitzfindigkeit: Auch Vorstellungen sind Erfahrungen. Es geht doch darum, selbst (!) etwas mit der Musik anfangen zu können, um sie spielen oder rezipieren zu können.
 
Gestatte mir noch eine Spitzfindigkeit: Auch Vorstellungen sind Erfahrungen.
(au ja, ich will auch spitzfindig) manchen gelingt die unangenehme Erfahrung, dass ihre edel hochtrabende Vorstellung, was man zum bewältigen teuflischer Klaviersachen benötige, von der Realität dann doch weit entfernt ist... juhu, ich hab auch Vorstellung und Erfahrung in einem spitzfindig-schlaubergerischem Satz untergebracht :-D ;-)
 
(au ja, ich will auch spitzfindig) manchen gelingt die unangenehme Erfahrung, dass ihre edel hochtrabende Vorstellung, was man zum bewältigen teuflischer Klaviersachen benötige, von der Realität dann doch weit entfernt ist... juhu, ich hab auch Vorstellung und Erfahrung in einem spitzfindig-schlaubergerischem Satz untergebracht :-D ;-)
Ich musste das jetzt 4 mal lesen um es zu kapieren. 😆
 
Hochinteressante Diskussion!

Ich greife einige Punkte heraus.

1. die von @mick genannte Fähigkeit von Kindern Literatur hervorragend und gefühlvoll zu spielen.
Eine wahrscheinliche Erklärung wird hier der Klavierunterricht mit KL sein, der oder die das Gefühlsleben des Komponisten nahebringt neben der Vermittlung technischer Voraussetzungen.

2. Kinder könnten so aufgrund ihrer Fantasie und Vorstellungskraft jenes umsetzen.
Wie könnte sich erklären, dass Kinder, die in ihrem jungen Leben noch nicht mit dem Tod in Berührung gekommen sind, z.B. eines nahen Verwandten oder Freundes.

Beispiel: Mozart hat sein Requiem in der Gewissheit seines baldigen Todes geschrieben, so habe ich es in einer Biografie gelesen, sowie seinen Don Giovanni angesichts seines machtvollen Vaters, der ihn bis zur völligen Erschöpfung antrieb.


3. Ist hier die Empathiefähigkeit, als angeborene Verhaltensweise und deren Förderung im späteren Leben Voraussetzung?

Meine Fragen richten sich im übrigen nicht nur an die Profis, auch die Meinung der Nicht-Profis interessiert mich!
 
auch die Meinung der Nicht-Profis interessiert mich!
Na dann:
Meine Meinung entspricht zu 100% der eines Profis:
Ich halte überhaupt nichts von der These, dass es eine wie auch immer geartete Kongruenz zwischen dem Komponistenalter bei der Erschaffung und dem Interpretenalter bei der Aufführung des Werkes geben müsse.

Ich bin sogar der Überzeugung, dass viele Menschen mit zunehmendem Alter abstumpfen und ihren Peak an "Gefühlen, Empathie und so Kram" in der Kindheit haben.
 

Ich bin sogar der Überzeugung, dass viele Menschen mit zunehmendem Alter abstumpfen und ihren Peak an "Gefühlen, Empathie und so Kram" in der Kindheit haben.
Früher habbisch misch übber alles uffgerescht. Heut iss es mir eher egal.

Nur über Nazis und Tierquäler rege ich mich immer noch auf. Egal ob die Klavier spielen oder nicht.
 
Was übrigens noch fehlt, sind Definition der Begriffe „Profi“ und „professionelles Klavierspiel“. Können Kinder überhaupt schon professionell sein? „Professionell“ bedeutet doch, dass eine bestimmte Entwicklungsstufe abgeschlossen ist und man in der Lage ist, musikalische Entscheidungen eigenständig zu treffen. Diese Kompetenzen treffen auf Kinder ja nur begrenzt zu,
 
Na dann:
Meine Meinung entspricht zu 100% der eines Profis:


Ich bin sogar der Überzeugung, dass viele Menschen mit zunehmendem Alter abstumpfen und ihren Peak an "Gefühlen, Empathie und so Kram" in der Kindheit haben.

Das sehe ich anders. Empathie und son Kram sind überlebenswichtig und trainierbar.

Dazu ein Artikel aus der Zeit:


Und dieser hier:


Meine Erfahrungen zeigen, dass Empathie durch Kommunikation, an der wir ein Leben lang feilen können, durchaus trainierbar ist, indem wir lernen besser zu- und hinzuhören.
oder unter anderem auch vorurteilsfreier werden.

Was, ich sag jetzt mal, eine positive Kommunikation angeht, haben mir Paul Watzlawick und
Friedemann von Thun in hohem Maße weitergeholfen.
 
Beispiel: Mozart hat sein Requiem in der Gewissheit seines baldigen Todes geschrieben, so habe ich es in einer Biografie gelesen, sowie seinen Don Giovanni angesichts seines machtvollen Vaters, der ihn bis zur völligen Erschöpfung antrieb.
Man sollte sich von den Mozert-Mythen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts freimachen. Mozart quittierte seine Dienst in Salzburg bereits 1781. Damit beginnt auch die Emanzipation vom Vater. Der Don Giovanni-Stoff selbst war in der 2. Hälfte des 18. Jh. hochaktuell. Kaum ein namhafter Komponist jener Zeit, der sich nicht dessen bedient hätte. (Hatte sie alle „machtvolle“ Väter?).

Und das „Requiem“ im „Angesicht des nahenden Todes“? Man kann sich so herrlich dabei gruseln! Im Juli 1791 bestellt bestellt Franz Graf Walsegg-Stuppach über einen Mittelsmann ein Requiem bei Mozart. Ende November erkrankt Mozart „am hitzigen Frieselfieber“, wie es im Totenschein heißt. Zwei Wochen später stirbt er. Aber von Juli bis Ende November - das wäre schon eine verdammt lange Todesahnung …

Als Lektüre-Empfehlung:
  • Volkmar Braunbehrens: Mozart in Wien.
  • Hanns-Josef Ortheil: Mozart im Innern seiner Sprache.
 
„Professionell“ bedeutet doch, dass eine bestimmte Entwicklungsstufe abgeschlossen ist und man in der Lage ist, musikalische Entscheidungen eigenständig zu treffen.
Abgeschlossen ist eine musikalische Entwicklung ohnehin nie. Aber mit 13 konnte ich musikalische Entscheidungen - zumindest in einem durchaus nennenswerten Umfang - selbst treffen und habe diese auch getroffen. Ich erinnere mich noch gut an so manche Diskussion mit meiner KL. :-D

Es gibt sogar erstaunlich reife Kompositionen von Dreizehnjährigen (leider nicht von mir):



 
Diese Kompetenzen treffen auf Kinder ja nur begrenzt zu,
Wenn man banal den Begriff Kinder als alle Kinder umfassende Menge auffasst, mag das so sein - aber individuelle Unterschiede bleiben dann unberücksichtigt (und man glotzt verständnislos, wenn ein Kind etwas prima macht, was angeblich noch "zu hoch" für es ist und erklärt sich die Leistung dann als Folge von Dressur)
Aber es gibt nun mal, wenn auch demografisch nur als winzige marginale Minorität, Kinder, denen man Melodiegestaltung, Klanggestaltung, motorische Umsetzung nicht ab ovo haarklein erklären und jahre(jahrzehnt)lang angewöhnen/antrainieren/anleiten muss. Stattdessen verstehen/erfühlen/spüren die emotional schon Angelegenheiten, die sie noch nicht abstrakt versprachlichen können. Zumeist bleiben die am Instrument und hören nicht auf, wenn Haare und Pickel wachsen, zumal sie da schon sehr viel quasi professionell können (und der neidische Erwachsene/Späteinsteiger bemüht dann spitzfindige Erklärungsmodelle, um sich darüber zu trösten, dass ihm derselbe Zugang nicht zuteil war...)
 

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