Pianistisch lohnenswerte Klavierauszüge

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Klavierauszüge stellen ja meistens einen Kompromiss dar: Sie übertragen oft nur einen Teil einer Komposition für eine größere Besetzung aufs Klavier, und sie sind nicht pianistisch gedacht und deshalb oft wenig geschmeidig.

Allerdings gibt es Orchestrierungen von Stücken, die ursprünglich für das Klavier komponiert worden sind. Die Klavierfassung von „Bilder einer Ausstellung“ würde man doch als genialen Klavierauszug betrachten, wenn sie nach der Orchesterfassung entstanden wäre.

Und es gibt Werke für Klavier, die teilweise unpianistisch wie ein Klavierauszug wirken, z.B. der erste Satz von Beethovens op. 22.

Gibt es Klavierauszüge, die aus pianistischer Sicht richtig gut sind, also auch als Klavierwerk Geltung haben könnten?
 
Gibt es Klavierauszüge, die aus pianistischer Sicht richtig gut sind, also auch als Klavierwerk Geltung haben könnten?
Ja.
Die Klavierauszüge von Hans von Bülow (Tristan) und Karl Klindtworth (Ring des Nibelungen) sind solche, auch die von Felix Mottl.
Das sind Klavierauszüge - das sind keine Transkriptionen! Nebenbei: die von Klindtworth sind ultraschwierig...

Interessant ist Wagners Klavierauszug des Tannhäuser.
 
Ok, das bedeutet, ein Klavierauszug der Orchesterfassung hätte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Original?
Ein Klavierauszug der Ravelschen Orchester"Fassung" müsste, wenn er gut arrangiert wäre, mit seiner Vorlage Ähnlichkeit haben.
...kann es sein, dass du weder das Original noch die Orchestrierung von Ravel sowie die Entstehung von beiden im Detail kennst und daraus folgend etwas naiv-oberflächlich urteilst? Kleiner Tipp: die Passage am Ende von "Limoges" ;-)

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Ich fände es zielführender, weitere gelungene wirkliche Klavierauszüge zu betrachten und Mussorgskis Klavierwerk nicht hinein zu mixen.
Übrigens: weil nicht sonderlich schwierig, ist das Tristan Vorspiel in Bülows Klavierauszug ein sehr spielenswertes "Klavierstück" - das wird auch gelegentlich am Klavier gespielt und aufgenommen.
 
Ja, ich kenne beides nur vom Hören. Den Notentext habe ich bisher noch nicht miteinander verglichen.
 

Nebenbei: die von Klindtworth sind ultraschwierig...
Ja, und wenn man alles spielt, was drinsteht, sind auf der Probe weder Dirigenten noch Sänger glücklich. Da muss man sich als Korrepetitor zurücknehmen und sich auf das beschränken, was die Sänger so ungefähr auf der Bühne später vom Orchester hören. Wer da noch nicht so viel Erfahrung hat, wird sich mit Klindworth auf jeden Fall viel Ärger einhandeln.
 
Weil vorhin Mussorgski vorkam:
Einige Pianisten spielen - sogar öffentlich! - die Klavierauszüge von
E. Grieg Aus Holbrgs Zeit und
M. Ravel Le Tombeau de Couperin
Letzteres sogar mit ergänzenden Sätzen.
Auch der zweiklavierige Auszug der Sinfonischen Tänze von Rachmaninoff wird gelegentlich von Klavier-Duos vorgetragen.
 
Tombeau de Couperin ist, wie die Schilder einer Baustelle, ein originäres Klavierwerk! (Nur dass in diesem Falle der Komponist selber auch eine Orchesterfassung erstellt hat, im Gegensatz zu Mussorgski.)

Forlane ist ein so cooles Stück daraus!
 
Wer da noch nicht so viel Erfahrung hat, wird sich mit Klindworth auf jeden Fall viel Ärger einhandeln.
das hatten von Bülow und Wagner auch schon angemerkt: der spieltechnische Schwierigkeitsgrad dieser (allerdings brillant gemachten!) Klavierauszüge des Nibelungenrings ist derart hoch, dass nahezu niemand in der Lage ist, alles notierte im Tempo zu realisieren. Klindworth erleichterte diese (Version primitive), doch auch die reduzierte Version (sie hat sich eingebürgert) ist an vielen Stellen im Tempo mit allen Tönen kaum zu schaffen. Jeder Korrepetitor lässt dort etliches aus.

Dass es sich um Klavierauszüge, nicht um Transkriptionen/Bearbeitungen a la Liszt handelt, ist leicht zu erkennen: es gibt genügend seitenlange Abschnitte, in welchen das Klavier fast nichts spielt - da sind an solchen Stellen im Orchester nur paar stützende Akkordchen oder nur irgendeine zweite Stimme (dergleichen ist dann vom Blatt unproblematisch). Im Unterschied zum Klavierauszug behandeln Transkriptionen solche Stellen ganz anders, klangvoller, pianistischer (mit viel mehr Tönen als das Original, ggf aus klanglichen Gründen auch in abweichender Lage)

Interessant ist, wenn ein Klavierauszug aus klanglichen Gründen von der sozusagen eindimensionalen Übertragung abweicht, etwa um pianistisch-klangmalerisch Effekte zu übertragen: in Klindworths Klavierauszügen finden sich Pedalanweisungen (Klangfülle) und optionale klangliche Zusätze (Oktavierungen, zusätzliche Akkorde, jeweils kleingestochen), um für Proben halbwegs die Illusion der Orchesterklangfülle anzudeuten - an solchen Stellen sieht der Klaviersatz dann aus wie in einer Lisztschen Transkription.
 
Klavierauszüge stellen ja meistens einen Kompromiss dar: Sie übertragen oft nur einen Teil einer Komposition für eine größere Besetzung aufs Klavier,
Nicht selten trifft man auch auf Klavierauszüge, die versuchen alle Noten unterzubringen, also letztlich die Partitur auf zwei Systeme zusammenziehen. Ein Beispiel sind Günter Raphaels Klavierauszüge von Bachkantaten. Sie bringen alle Noten der Partitur auf zwei Systemen (gelegentlich auf drei, wenn es zu dicht wird), sind also für die Praxis kaum zu gebrauchen. Es ist da in der Regel einfacher direkt aus der Partitur zu spielen.
 
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Sie bringen alle Noten der Partitur auf zwei Systemen (gelegentlich auf drei, wenn es zu dicht wird), sind also für die Praxis kaum zu gebrauchen
solche passen dann nicht zum Thema "pianistisch lohnenswerte Klavierauszüge" ;-)
Bzgl Bach: gibt es da überhaupt Klavierauszüge, die "pianistisch lohnenswert" sind? Den von der Matthäus Passion finde ich arg hölzern und klanglich unerfreulich.
Eine Art Kuriosum könnte BWV 974 (das Adagio ist sehr beliebt) sein, sozusagen eine Art Cembalo-Auszug oder Cembalo-Transkription/Bearbeitung
 
Apropos "unspielbar": Was sind das bloß für Gewehrsalven, die Katsaris da abfeuert!? ;)) Vielleicht hat er im Studio am Regler gedreht? Aber interessant...

 
@Gwalchafed ähnliche Fragen könntest du auch zu Biret mit der fantastischen Sinfonie oder zu Gould mit dem Meistersinger-Vorspiel stellen - - aber das gehört nicht wirklich hierher, denn diese sind keine Klavierauszüge für Dirigenten, Proben, Hausmusik, sondern Klavierbearbeitungen/Transkriptionen/(Paraphrasen)

(repetierte Terzen analog zu einem späteren Ossia, klingt hübscher als die Notation)
 
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Hast schon recht, Auszüge und Transkriptionen sind natürlich verschiedene Schuhe. Und bei Gould steht's ja auch in den Noten.
 

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