Hallo,
ich habe vor 5 Wochen meine erste Klavierstunde gehabt und habe folgendes Problem.
An manchen Tagen kann ich die gelesenen Noten direkt und schnell auf die Tasten übertragen, ohne groß nachzudenken und an anderen Tagen arbeitet mein Gehirn so langsam, dass ich ewig brauche um den gelesenen Noten Tasten zuzuordnen, obwohl ich das gleiche Stück schon viel schneller und flüssig gespielt habe und mich nun dauernd verspiele oder ins Stocken komme
Ist das normal oder funktioniert mein Gehirn nicht richtig?
Lieber Terry,
wir hier schon einige geschrieben haben: das ist völlig normal, wenn man noch ganz am Anfang steht und viele neue Dinge auf einen einströmen! Diese Dinge können erst nach einiger Zeit, in der Vorgänge automatisiert wurden und eben nicht mehr "neu" sind, zuverlässig funktionieren.
Ich schlage allerdings vor, dass du die Signale deines Körpers und Gehirns ernst nimmst und in deinem Üben darauf reagierst. Nichts ist schlimmer und ineffektiver, einen Plan zu machen und ihn ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Wahrnehmung der eigenen Grenzen durchzusetzen!
Mache also nicht immer dasselbe! Setze dir zunächst ein Ziel. Wenn du bei der Umsetzung wach, konzentriert und neugierig bist, bleibe dabei.
Wenn du bei der Umsetzung merkst, dass du abschweifst, dass nichts klappt, dass sich Frustration und Unkonzentriertheit einschleichen, ändere dein Ziel oder wähle eine andere Methode, um an dein Ziel zu kommen. Du könntest zum Beispiel etwas ganz anderes machen: Gehörbildung, nach Gehör dir bekannte Lieder spielen, aufschreiben und transponieren, Noten lesen üben, Rhythmusübungen machen (vom Klavier weg mit Gehen, Klatschen etc.), improvisieren (!), also nach Lust und Laune etwas eigenes erfinden, Musik hören, kurz an die frische Luft gehen, einen Tee kochen u.v.a.m..
Unkonzentriertheit ist ernst zu nehmen. Es hilft dabei nicht zu sich selbst sagen "So, jetzt konzentrier' dich doch mal gefälligst!", denn dann konzentriert man sich darauf, sich zu konzentrieren.
Viel besser ist es, seine Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken, was angenehm ist, was einen gerade interessiert, was sofort zur Verbesserung führt. Dann ist man automatisch "dabei".
Lass dir in dem Zusammenhang von deinem Lehrer unbedingt sehr vielfältige Übestrategien beibringen. Wenn eine Stelle nämlich partout nicht klappen will, hilft es, seine Übestrategie an der Stelle zu ändern. Zum Beispiel langsamer zu spielen, kleinere Abschnitte zu machen, stimmenweise zu üben oder einzeln, die Stelle mal aus dem Gedächtnis aufzuschreiben u.v.a..
Üben sollte generell ein erfüllter, lustvoller und selbstbestimmter Prozess sein, der immer auch Krisen und Schwierigkeiten beinhaltet, an denen man wächst, wenn man weiß, wie man diese Schwierigkeiten meistern kann. Üben fördert und sensibilisiert die Wahrnehmung des Körpers und Geists und damit kannst du erst einmal anfangen, indem du deine Wahrnehmung deiner ab und zu auftretenden Schwierigkeiten anerkennst und ernst nimmst.
Übrigens habe ich in meinem gesamten nun schon sechzigjährigen Leben nie Konzentrationsprobleme gehabt, egal ob mit Kaffee oder ohne, ob mit Zucker oder ohne .... Ich meine, dass die Kunst der Konzentration ist, immer das gerade zu machen, was man will. Wenn man merkt, dass einen die Arbeit an dem, was man gerade macht, voranbringt, dass sie wächst und gedeiht, wenn diese Arbeit ein tiefgehendes Bedürfnis erfüllt, dann ist man automatisch konzentriert und hält auch Schwierigkeiten aus. Es ist aus meiner Sicht also wichtig, seine eigenen Bedürfnisse zu kennen und eine feine Wahrnehmung zu haben, was sich im eigenen Körper und Geist so abspielt.
Dass die genannten Dinge allerdings der eigenen Gesundheit sehr förderlich sind, ist wohl unbestritten (Wohlstandskrankheiten ...). Und trotzdem reagiert jeder Körper, jeder Mensch anders auf das, was auf ihn einströmt. Ich bin ein Fan von Ayurveda, das auch wenig Zucker, kein Fleisch, kein Alkohol, kein Kaffee etc. wichtig findet. Es gibt aber bestimmte Typen im Ayurveda, die jeder anderes brauchen. Wenn der Verzicht auf Zucker, Kaffee, Fleisch u.a. in langfristige Kasteiung ausartet, ist jedenfalls das Kinde mit dem Bade ausgeschüttet. Eine Balance zu finden, halte ich für wichtig.
Liebe Grüße
chiarina