Nun habe ich doch schon früher Zeit, weil jemand den Unterricht abgesagt hat (schon wieder Erkältungswelle...). Ich habe eine kürzere Arbeit über ein Thema mit Bezug zur Improvisation geschrieben, daraus hier ein kurzes Zitat:
Beim Literaturspiel beschäftigt man sich mit dem Hineindenken, Einfühlen und Interpretieren bestehender Werke, in welchen man immer wieder Neues entdeckt, verschiedene Aspekte herausstellt und die man sich zu eigen macht. Das Komponieren geht einher mit Zeit zum Ausprobieren, mit Nachdenken, Wiederholen, Ändern und Herumfeilen, bis der Komponist zufrieden ist und die Arbeit abschließt. Die Improvisation wiederum beinhaltet eine möglicherweise vorhergehende Planung, ist dann aber ein Abbild des Moments. In ihrem Entstehen gibt es kein Warten und auch kein Zurück, und sie ist nach dem Verklingen unwiederbringlich vorbei, wenn man sie nicht zufällig aufgenommen hat.
Der formale Unterschied für mich: Eine Komposition gab es schon vorher (also bevor man sie spielt), eine Improvisation nicht. Das heißt auch, dass die allermeisten Kompositionen notiert und überhaupt notierbar sind, während Improvisationen nie notiert sind - es sei denn, man hört sie sich hinterher an und schreibt sie auf. Dann werden gehen sie über in den Kompositions-Status.
Musikalisch gibt es ebenfalls Unterschiede: In der Komposition gehören Form und Struktur in jeder Hinsicht mit zum wichtigsten Ausdrucksmittel. Eine ausgewogene Länge des Stückes mit sinnvoll gewichteten Formteilen; klug und raffiniert ausgearbeitete Verwendung der Periodenform, Satz und Verbindung von Phrasen; Themengestaltung, -verarbeitung und -fortspinnung; Wiederholungen, Zitate, Variation usw.
In der Improvisation kann man dem naturgemäß nicht ganz so gerecht werden wie in der Komposition. Hier steht mehr die Spontaneität und Kreativität im Vordergrund, der Klaviersatz, die Atmosphäre, die Abwechslung, die Überraschung, Kantabilität, Erweiterungen, Fortsetzung.
Und nun gibt's natürlich auch Zwitterformen bzw. fließende Übergänge. Kompositionen, die improvisatorische Anteile haben bzw. sehr viel Spielraum (!) lassen. Und Improvisationen, die festgelegte Anteile haben, wie z.B. Jazz-Standards. Auch der Pianist selbst kann (und wird häufig) sich selbst vorher Ideen zurechtlegen: Stil / Stilistik, Form, Dauer, Charakter, Harmoniefolge, Themen, Wendungen usw.
Im Prinzip ist Improvisation ja nichts anderes, als gut bekannte und geübte Puzzleteile immer wieder neu zusammenzusetzen. Dabei entstehen neue Bilder und Formen.