Deine über Bord geworfenen Axiome interessieren mich sehr, willst du sie nicht doch mit uns teilen?
Es führt auch dazu, dass sich sehr (!) spannende Diskussionen von Forumsteilnehmern ins Private verziehen (wie ich aus eigener Erfahrung weiß), sodass nur die Teilnehmenden etwas davon haben, obwohl sicher auch andere gerne mitlesen würden (z.B. würde mich da @hasenbein s Input sehr interessieren). Das kann nicht in deinem Interesse sein @hasenbein , da bin ich sicher.
Ich wäre sehr glücklich, wenn hier im Forum der fachliche Austausch von Klavierlehrern und anderen wesentlich intensiviert würde! Es muss meiner Meinung nach aber gewährleistet sein, dass dabei streng moderiert wird und niemand in die Pfanne gehauen wird. Es sollte ein Miteinander und kein Gegeneinander sein. Man könnte dazu sogar ein Unterforum erschaffen, das nicht öffentlich ist o.ä.. Ideen dazu sind willkommen!
Wenn ich meinen Traum weiterspinne, könnte man zu bestimmten Themen wie "legato", "Rhythmus", "Noten lesen" u.v.a. Fäden aufmachen, in denen Ideen und Herangehensweisen zur Einführung im Unterricht gesammelt werden. Für mich ist es total interessant, wie andere das machen. Es könnten Unterrichtsvideos aus dem Netz angeschaut und dazu Gedanken und Ideen geäußert werden. Es könnten konkrete Erfahrungen ausgetauscht werden ...... Ende offen.
Alle würden voneinander profitieren, wenn der Austausch wertschätzend und offen gestaltet ist. Und damit vielleicht und hoffentlich ein Anfang gemacht ist, fange ich mal an mit dem, wie sich mein Unterricht entwickelt hat
:
Ich hatte das Glück, bei Klaus Runze in Köln Fachmethodik zu haben, dem Autor der Klavierschule von "
Zwei Hände - 12 Tasten". Dadurch habe ich den Beginn eines Klavierunterrichts ohne Noten erfahren.
Allerdings hatte ich auch vorher den Anfangsunterricht ohne Noten gestaltet, aber eher aus dem Bauch heraus. Ich konnte nun mit dem gesammelten methodischen Wissen viel genauer sagen und reflektieren, WARUM etwas sinnvoll oder nicht sinnvoll ist. Das ist der eine wichtige Punkt, wieso ich jetzt besser unterrichte als früher: mein Hintergrund ist durch viele Fortbildungen, durch ein immerwährendes Streben nach Verbesserung, durch Lesen und Austausch gewachsen, so dass ich sehr viel besser begründen kann, warum ich es so und nicht anders mache. Und damit kommen automatisch mehr Ideen. Das macht mir großen Spaß!
Zwei methodische Dinge möchte ich nennen, die ich im Laufe meines Unterrichts sehr verbessert habe:
- die Herangehensweise an neue Stücke
- zahlreiche Übestrategien durch Weglassen von Tönen.
Ich habe früher zwar auch neue Stücke mal durch Improvisation o.ä. eingeführt, war aber doch geprägt von der Zeit, die bei einem neuen Stück vorrangig neue Elemente herausgriff und dem Schüler meistens den neuen Notentext vor die Nase stellte. Da hat sich meine Kompetenz erheblich erweitert und tut es noch.
Im Laufe der Zeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass das "stimmenweise" Üben, wie ich es nenne, vertikal und horizontal hören und spielen zu lernen, das harmonische Gerüst, den roten Faden zu spielen, von ganz allein zu einem klanglich differenzierten und ausdrucksvollen Spiel führen. Weil der Schüler die musikalischen Strukturen eines Stücks durch sein Üben, durch diese und weitere Übestrategien hören, erfahren und spielen lernt. So versteht er diese Strukturen und damit die musikalische Aussage des Stücks - weil er von Anfang an so übt. Mein eigenes Üben hat sich ebenso verbessert und großen Anteil daran hat meine letzte Hochschulprofessorin an der Musikhochschule Detmold, der ich sehr, sehr dankbar bin!
Der andere wichtige Punkt besteht in der
Kommunikation im Unterricht. Ich kommuniziere aus meiner Sicht viel klarer nicht nur im Unterricht und das liegt an meiner intensiven Beschäftigung mit dem Thema, wozu auch das Gordon-Modell gehört. Ich habe im Laufe der Zeit gelernt, in mich hineinzuhören und weiß im Unterricht, was ich möchte und fühle. Diese Klarheit ist für mich die Voraussetzung, dem Schüler aufmerksam, wertschätzend und freundlich zu begegnen. Ich wüsste übrigens nicht, dass ich jemals in meinem Leben über meine Schüler gespottet hätte - das ist für mich ein Zeichen, dass im Hintergrund verborgene Konflikte oder Emotionen existieren, die nicht ausgesprochen wurden. Wenn man eine Haltung der Wertschätzung und Annahme nach Carl Rogers entwickelt hat (ich arbeite immer noch daran!), kann man so etwas nicht mehr tun!
So gab es früher mehrere Male, in denen ich nicht wusste, was zu tun sei mit einem Schüler. Ich hatte diese Klarheit nicht. Manchmal fehlte mir auch das methodische Handwerkszeug, um flexibel und individuell auf Situationen zu reagieren. Und so haben Schüler aufgehört mit dem Unterricht, bei denen ich heute anders agieren würde. Es kann sein, dass sie auch heute aufhören würden, aber damals hatte ich ein Gefühl von Unklarheit, Unsicherheit und Ratlosigkeit. Das war sehr unangenehm.
Mal sehen, wohin die Reise noch geht. Defizite sehe ich heute vor allem im Bereich der Improvisation. Ich habe immer selbst vor mich hinimprovisiert, weil mir das Spaß gemacht hat. Ich habe auch Fortbildungen zu diesem Thema gemacht und improvisiere mit meinen Schülern gern bzw. lasse sie improvisieren. Leider wurde Improvisation im Gegensatz zu heute damals nicht an Hochschulen unterrichtet. Der Improvisation wurde eher abschätzig begegnet. Deshalb könnte ich auch heute leider keine Schüler wirklich in Improvisation unterrichten.
Außerdem sehe ich noch Defizite im Bereich Satztechniken und Kontrapunkt, speziell im Barock. Blues und Jazz sind ebenfalls deutlich ausbaufähig, aber da weiß ich noch nicht, ob ich dazu überhaupt Lust habe.
Es bleibt also spannend! Jetzt sind erst mal Ferien!
Liebe Grüße
chiarina