diese Generation der Pianisten " Laut und schnell"

Ich habe keine große Übersicht über die aktuelle Pianistenlandschaft. Aber das was ich wahrnehmen kann stimmt mit dem überein, dass Individualität viel mehr in den Hintergrund rückt und man wert auf schnelles präzies spiel legt.
 
Ich habe keine große Übersicht über die aktuelle Pianistenlandschaft. Aber das was ich wahrnehmen kann stimmt mit dem überein, dass Individualität viel mehr in den Hintergrund rückt und man wert auf schnelles präzies spiel legt.

ich bin absolut überzeugt davon, dass wir an einem Wendepunkt angekommen sind.
Schon alleine, das wiederum kein erster Preis verliehen wurde, spricht für sich!
 
Es könnte doch mal jemand einen Klavierwettbewerb ausrichten, bei dem keine virtuosen Stücke zugelassen sind. Das wäre interessant...

Dann gibts aber wieder nur 2. Preise, wenn ich die Informationen richtig deute aus dem Text, Style.
( Denn anscheinend wollen ja alle laut und schnell und technikorientiert spielen ) .

Was ich glaube ist, dass man auch nicht ins ANDERE Extrem verfallen sollte: NUR leise und lahm.

Man muss BEIDES können: Laut und schnell, und leise und sanft. Den Begriff "virtuos" finde ich ohnehin fragwürdig, da man fragen müsste: Wo beginnt "virtuos" ? ( Und man bedenke den Begriffs-Konnotationswandel des Wortes "virtuos" über die Jahrzehnte hinweg, wie im "Godowsky - letztmöglicher technischer Fortschritt" - Thread aufgezeigt.

Mit dem Begriff alleine kommen wir also nicht weiter.

Und gerade Busoni ( Ihr erinnert Euch ? "had to carry full glasses of water on the backs of his hands while playing scales, and never to spill a drop"....) - technisch und musikalisch ein Beispiel, und ein echter "Internationaler", mit vielen NEUEN Ideen ( seine Sonatinen z.B., oder das wunderschöne Indianische Tagebuch ) würde einpennen, wenns zu lahm zuginge. ABER er würde auch murren, wenn NICHT TECHNIK UND MUSIKALITÄT als gemeinsame Einheit betrachtet werden würden.

Vielleicht, @Destenay, stehen wir wirklich an einem Wendepunkt, etwas weg von "Show", mehr hin zu einer nicht-so-Publikumswirksamen, aber besseren Vorführung. Aber ich denke, wenn, dann wird ein solcher "Umschwung" nicht wie eine Bahnschranke, die plötzlich nach unten klappt erfolgen, sondern evtl. so 4, 5 Jahre andauern. Und was danach kommt -

das walte Ferro ;);)

LG, Olli!
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese Auswüchse wie "laut und schnell" sind durch das Wettwerbswesen bedingt.

Würde Musik nicht als Wettbewerb betrachtet, gäbe es so etwas nicht.

Daher sollen die Wettbewerbsfuzzis und andere mal nicht so überrascht/empört tun.

Wettbewerbe abschaffen und generell wettbewerbsartiges Spiel von Musikern ächten! Peng, aus.
Ging doch im 19. Jahrhundert auch schon - da hat man nach einer Zeit der virtuosen Blender-Pianisten, über die sich sowohl Kollegen als auch z.B. Wilhelm Busch in seiner legendären Karikatur lustig gemacht haben, doch auch erkannt, dass das nichts ist (jedenfalls in den gebildeten Kreisen).

Aber in Zeiten des Hyperkapitalismus und der Allgegenwart des Marketing-Menschen ist das wohl ein frommer Traum. Vielleicht wenn der 3. Weltkrieg, den die USA jetzt ja anscheinend planen, vorbei ist und alle sich wieder wie nach 1945 schwören, dass jetzt alles anders werden soll...
 
Wettbewerbe abschaffen und generell wettbewerbsartiges Spiel von Musikern ächten! Peng, aus.
Ging doch im 19. Jahrhundert auch schon - da hat man nach einer Zeit der virtuosen Blender-Pianisten, über die sich sowohl Kollegen als auch z.B. Wilhelm Busch in seiner legendären Karikatur lustig gemacht haben, doch auch erkannt, dass das nichts ist (jedenfalls in den gebildeten Kreisen).

Hi Hasenbein, das stimmt aber nicht so ganz: Denn zwar sagst Du richtig: Wettbewerbe gab es auch im 19. Jahrhundert schon, nur gings da Mann gegen Mann, und Blender waren das bestimmt nicht. Die hatten ne Menge auf dem Kasten.

Beispiele: Thalberg gegen Gottschalk: Ging unentschieden bzw. sogar freundschaftlich aus, sie spielten dann gemeinsam, was unglaublichen Effekt aufs Publikum hatte!

Thalberg gegen Liszt : Thalberg wurden Vorteile zuerkannt.

Und sogar schon eher gab es das:

Scarlatti gegen Händel.

Und wer würde behaupten, dass die Genannten "nichts sind" ? Gerade auch gebildete Leute waren doch höchst interessiert an solchen Darbietungen wie den genannten, Berichte füllten die Zeitungen, die Zuhörerschaften waren restlos begeistert, usw usw...

Wettbewerbe da verantwortlich zu machen, dass man heute NUR NOCH auf Technik / Show spielt, ist m.E. nicht ganz zutreffend. Es ist das MASSENAUFKOMMEN: Heute versucht es jeder, es sind zigtausend, die so hervortreten möchten - und SOLLEN, laut ihren Professoren... damals waren es nur ein paar wenige. Denkt an die Ausführungen zur "Klavierpädagogik" in früheren Zeiten...da gab es viel Mist, der z.B. noch auf alten Herangehensweisen ( Cembalo, Virginal, Clavichord , "Clavier" ) beruhte und nicht mit den neuen baulichen Errungenschaften mitgegangen war...und nur wenige hatten hervorragenden Zugang UND die nötigen Fähigkeiten / Begabungen...

LG, Olli
 
Doch, das Wettbewerbsdenken ist die Ursache dafür.

Pianisten setzen auf lauter/schneller/billige Effekte, weil sie damit die Konkurrenz auszustechen versuchen.

Und Wettbewerbe sind dafür verantwortlich, dass das Wettbewerbsdenken als ok gilt bzw. unter jungen aufstrebenden Pianisten als "unumgänglich".

Wenn man dann später "etabliert" ist (oder wenn man denkt: "OK, hat eh' keinen Zweck mehr"), dann erst erlaubt man sich, wieder zum wirklichen Musikmachen zurückzukehren. (Typischerweise fangen die Pianisten dann an, Schubert oder unbekannte Komponisten oder historische Instrumente zu spielen...)

Sich über die unvermeidlichen Folgen der Wettbewerbe zu beschweren, ohne das Wettbewerbswesen an sich anzuzweifeln, ist ungefähr so, als wenn man einer Gruppe Schüler zum Filmegucken am Ende des Schuljahrs einen Haufen DVDs mit Actionfilmen sowie eine DVD mit einer Dostojewski-Verfilmung vorlegt und sie dann ausschimpft, wenn sie sich für die Actionfilme entscheiden.
 
Sicherlich hat das Spielen eines Instrumentes auch einen "sportiven" Charakter. Von daher sehe ich in Klavierwettbewerben nichts Verwerfliches. Ich verstehe auch nicht, warum dem "Kräftemessen" per se eine so negative Konnotation innewohnt. Schon kleine Kinder raufen und balgen und testen aus, wer der Stärkere ist. Kinder haben erst einmal ein ungestörtes Verhältnis zum Leistungsvergleich. - Problematisch wird es, wenn dieser Leistungsvergleich von Erwachsenen (Eltern, Lehrer) funktionalisiert wird, wenn daraus Privilegien (PReisgelder) resultieren.

Meine Erfahrungen bei den Regional- und Bundeswettbewerben von Jumu: Die Kinder und Jugendlichen sehen das meist recht gelassen und erfreuen sich vielmehr am Austausch und am gemeinsamen Erleben. "Krankhaft" verhalten sich meist nur die Erwachsenen: Sei es, daß die armen Wettbewerbsteilnehmer gnadenlos von ihren ehrgeizigen Eltern und und Klavierlehrern abgekanzelt werden oder daß die Kompetenz der Jury angezweifelt wird.

Was in den von Hasenbein kritisierten Hochleistungs-Wettbewerben oft verlorengegangen ist: Man sollte nicht gegeneinander kämpfen, sondern miteinander streiten. Z.B. geböte es der Anstand, daß man seinen Mitbewerbern zuhört, anstatt sie geflissentlich zu ignorieren.

LMG's Hinweis gefällt mir: In der Endrunde sollten die Preisträger vierhändig spielen (Den ersten Preis erhält allerdings nicht derjenige, der als erster den Schlußakkord erreicht!).

Vielleicht sind ja gar nicht sosehr die Wettbewerbe das Problem als vielmehr die Preisgelder ...
 

"Krankhaft" verhalten sich meist nur die Erwachsenen: Sei es, daß die armen Wettbewerbsteilnehmer gnadenlos von ihren ehrgeizigen Eltern und und Klavierlehrern abgekanzelt werden oder daß die Kompetenz der Jury angezweifelt wird.

Was in den von Hasenbein kritisierten Hochleistungs-Wettbewerben oft verlorengegangen ist: Man sollte nicht gegeneinander kämpfen, sondern miteinander streiten. Z.B. geböte es der Anstand, daß man seinen Mitbewerbern zuhört, anstatt sie geflissentlich zu ignorieren.

LMG's Hinweis gefällt mir: In der Endrunde sollten die Preisträger vierhändig spielen (Den ersten Preis erhält allerdings nicht derjenige, der als erster den Schlußakkord erreicht!).

Vielleicht sind ja gar nicht sosehr die Wettbewerbe das Problem als vielmehr die Preisgelder ...

Japp, Wolfgang. So würde ich mir dies auch wünschen. Aber dieses Ehrgeiz-Syndrom ( seitens gar nicht direkt Beteiligter ) - ob man DAS irgendwann "totbekommt" ? Ich wünsche es mir, denn sowas könnte, nach langer Zeit des Ausgesetztseins, auch tatsächlich auf die Charaktere der SPIELENDEN übergreifen... .

Wie es damals bei Gottschalk vs. Thalberg war, das muss ein Traum gewesen sein. Ich wäre SO gern dabeigewesen !!! hmm...

Es ist allerdings anzumerken, dass sich beide schon vorher kannten, und sich ohnehin nicht unsympathisch waren. Dies geht aus meinen Quellen hervor, sie haben sich auch besucht, z.B.

Vielleicht haben ja beide noch nichtmal "VOLL AUFGEDREHT" ?? Und trotzdem muss wohl gerade DIESES "Wettspiel" wie gesagt "Hammergeil" gewesen sein.

Es gibt aber noch einen Unterschied zu den heutigen "Veranstaltungen" : Es gab damals keine "Jury" wie wir sie heute kennen: Die "Bewertungen" kamen spontan vom Publikum und wurden dann im damals vorherrschenden Printmedium, der Zeitung, gebracht. Wer wollte denn solche Giganten auch als "Jury" bewerten ??? - es war damals noch alles nicht so durchstrukturiert und auf Ehrgeizerfolg getrimmt, mit Vitamin-B-Juryisten...( von denen man z. Teil noch nie was gehört hätte, schwant mir, wenn ich mir manche Jurylisten von heute so durchsehe...) .

Man konnte damals also, schätze ich, eine solche Herausforderung ( die NICHTMAL von den Pianisten selbst kam, sondern von der Öffentlichkeit herbeigesehnt und ERWÜNSCHT war ) also nun ANNEHMEN, oder aber, man konnte "fliehen"....Nun, Gottschalk und Thalberg flohen nicht...und dritter Unterschied:

Es gab auch keine WEITEREN Mitbewerber...

LG, Olli!
 
Z.B. geböte es der Anstand, daß man seinen Mitbewerbern zuhört, anstatt sie geflissentlich zu ignorieren.
Dafür sollte man niemanden verurteilen. Stell dir vor, du hörst dir von 9:00 bis 18:00 viertelstündige Beiträge von einschüchternd guten und zum heulen schlechten Pianisten an, bist halb tot vor Müdigkeit und erschlagen von den Eindrücken und sollst dann uneingespielt auf die Bühne und spielen.
Und auch das Zuhören nach dem eigenen Spielen empfiehlt sich nicht, denn diese Zeit kann man nutzen, um sich auf eine eventuell eintretende zweite Runde vorzubereiten und / oder sich auszuruhen. Außerdem lässt man sich durch andere gute Teilnehmer allzu leicht entmutigen.

Die Idee vom Anti-Virtuosen-Wettbewerb gefällt mir. Sollte ich irgendwann mal im Geld schwimmen und ebensolches für eine Stiftung übrig haben, werde ich einen gründen.
Ich habe heute tatsächlich über diese Idee nachgedacht. Allerdings ist es wirklich schwierig pauschal zu kennzeichnen, welche Stücke erlaubt sind und welche nicht, man müsste sie fast einzeln angeben.
Sind z.B. Chopin-Balladen erlaubt? Nocturnes? (op. 48,1 darf man guten Gewissens als "virtuos" bezeichnen). Miroirs von Ravel?
Nur Etüden ausschließen oder einzelne Komponisten? Oder einen größeren Pool an festen Stücken angeben, aus denen gewählt werden kann? ...
 
Allerdings ist es wirklich schwierig pauschal zu kennzeichnen, welche Stücke erlaubt sind und welche nicht, man müsste sie fast einzeln angeben.
Sind z.B. Chopin-Balladen erlaubt? Nocturnes? (op. 48,1 darf man guten Gewissens als "virtuos" bezeichnen). Miroirs von Ravel?
Nur Etüden ausschließen oder einzelne Komponisten? Oder einen größeren Pool an festen Stücken angeben, aus denen gewählt werden kann? ...

Also wenns ein Stilblüte-Anti-Virtuosen-Wettbewerb werden soll, dann müsste man erstmal eine objektive Basis finden ( "was ist für wen virtuos und was nicht ?" ) - und das ist, wie Du sagtest, schwierig.

Also die Chopin-Balladen müssen leider verschwinden ( auch die As-Dur-Ballade ) , so wie auch viele, fast alle anderen Chopin-Werke.

Zulassen würde ich nur höchstens Noct. op.15, 3 g-Moll, Preludes e-Moll, h-Moll und A-Dur, und ein paar LEICHTE Mazurken.

Aber eigentlich gefällt mir das auch nicht. Lieber ein festgelegtes KONGLOMERAT von Stücken festlegen, das auf jeden Fall gespielt werden muss. Wer es nicht spielen will, braucht ja nicht mitmachen.

Zum Beispiel wirklich einfache Stücke, wo man aber trotzdem mit Witz und Phantasie vielleicht was Schönes und Originelles draus gestalten kann beim Spielen.

Mir fällt grad ein: Ich erwähnte ja andernorts, dass ich mir unter anderem ein paar Bartok-Noten zukommen lassen hatte, etwa diese: Suite op. 14, Mikrokosmos, 3 Etüden op. 18, Weihnachtslieder I + II, 2 Portraits, Bagatellen, 2 Rumänische Tänze, 7 Sketche, Kleine Suite, 3 Rondos,15 Ung. Bauernlieder, 4 Dirges, 3 Ung. Volkslieder, und 8 Rumänische Volkstänze ( der erste ist glaub ich dieser "kick"-Tanz, wo man bis zur Zimmerdecke kickt, natürlich nicht der Pianist, sondern der Tänzer, denn Bartok hatte sich das ja alles vor Ort reingezogen und seine Forschungen getätigt und schrftl. festgehalten - - egal, ich weiß ja nicht so viel. Darum will ich auch gleich fortfahren :)

Nun mag ich Bartok ja nicht sonderlich, ( was nix macht, denn ich schaff ja nichtmal die Qualifikationsrunde für den Antivirtuosen-Stilblüte-Wettbewerb , nehme also nat. nicht teil ) , :drink::drink: aber..ich hab mir auch dieses "Für Kinder" von Bartok besorgt, beispielsweise, sagen wir: die ersten 10 Stücke muss jeder beim Stilblüte-Anti-Virtuosen-Wettbewerb vorspielen. Danach wird die Siegerehrung stattfinden. Es gibt nur diese eine Runde. ( Also nat. auch keine Qualifikationsrunde ).

Was hältste davon, von dieser Ausschreibung, hm, Blossom ? :girl:;-)

LG, Olli!


PS.: Natürlich ist Stilblüte eine hervorragende Virtuosin ( und keine Anti-Virtuosin ) - der Wettbewerb wurde von mir nur NAMENTLICH nach seiner potentiellen Gründerin benannt. :-D
 
Sicherlich hat das Spielen eines Instrumentes auch einen "sportiven" Charakter. Von daher sehe ich in Klavierwettbewerben nichts Verwerfliches. Ich verstehe auch nicht, warum dem "Kräftemessen" per se eine so negative Konnotation innewohnt. Schon kleine Kinder raufen und balgen und testen aus, wer der Stärkere ist. Kinder haben erst einmal ein ungestörtes Verhältnis zum Leistungsvergleich.
Das weißt Du ja als Klavierlehrer, dass das von vornherein nichts mit diesem "natürlichen", kindlichen Leistungsvergleich zu tun hat - spätestens ab dem Teen-Alter. Der Klavierlehrer ackert gewöhnlich mit den Schülern Wochen und Monate, um sie für Jugend musiziert zu trimmen. Gewöhnlich ist beim Wettbewerb der Lehrer auch mit dabei. Wie soll da überhaupt ein "ungestörtes Verhältnis" aufkommen?
Gänzlich unmöglich, denn wie viele Schüler kennst Du, die ohne solch ein vielwöchiges "Trimmen" in den Wettbewerb gehen?
Was Du anführst, ist allenfalls ein schöner Gedanke, der gerne vor allem von Organisatoren und Lehrern angeführt wird, um Jumu zu rechtfertigen und die Realität zu bemänteln.

Meine Erfahrungen bei den Regional- und Bundeswettbewerben von Jumu: Die Kinder und Jugendlichen sehen das meist recht gelassen und erfreuen sich vielmehr am Austausch und am gemeinsamen Erleben.
Kinder vielleicht ab und zu ja, Jugendliche definitiv nein.
Du redest möglicherweise davon, wie es früher mal war, keine Ahnung.
Heutzutage gucken die Jugendlichen alle Casting-Shows, für die gehören ordentlich Tamtam und Tränen geradezu zu einem Wettbewerb dazu.

Was in den von Hasenbein kritisierten Hochleistungs-Wettbewerben oft verlorengegangen ist: Man sollte nicht gegeneinander kämpfen, sondern miteinander streiten. Z.B. geböte es der Anstand, daß man seinen Mitbewerbern zuhört, anstatt sie geflissentlich zu ignorieren.
Der Konjunktiv "geböte" zeigt, dass Du auch hier genau weißt, dass es eben nicht so ist.
Leander-Tristan, der natürlich auch am Wochenende terminlich voll verplant ist, wird genau zu dem Zeitpunkt, wo er spielen soll, von seinen Eltern rangekarrt, liefert sein Zeugs ab, und die Bagage kommt dann zur Preisverleihung wieder. Denn jeder denkt ohnehin: "Die Lohnenden kann ich mir beim Preisträgerkonzert anhören, der Rest ist eh' Zeitverschwendung". Allenfalls bleibt man noch da, um einen Spieler zu hören, von dem man gehört hat, er solle so irre gut sein - um sich so richtig schön in eine hoffnungslose Stimmung reinzusteigern ("nee klar, gegen den hab ich sowieso keine Chance") oder um sich Hoffnungen zu machen ("aha, der sagenhafte XY kocht auch nur mit Wasser! Bei Mozart echt oft verspielt, und voll falsches Tempo bei Chopin! Händereib!").
Du siehst die grundsätzlichen und unauflösbaren Probleme von Jumu und anderen Wettbewerben, nennst sie sogar, trotzdem verteidigst Du diese Veranstaltungen - diese Haltung sehe ich recht oft bei "Klassik"-Lehrern, und ich finde sie ehrlich gesagt sehr fragwürdig.
Vermutlich herrscht diese Haltung, weil man als Lehrer auch Renommee (und damit mehr berufliche und finanzielle Sicherheit) zu erlangen versucht, dass man Jumu-Teilnehmer heranzieht. Lehnt man Jumu ab, kann man das natürlich nicht mehr, und man sieht für sich die Gefahr, als unbedeutender Lehrer mit wenig Schülern zu enden. Daher dann diese schizophrene Einstellung zu Jumu.
 
ich stelle jetzt mal einen Vergleich zu sportlichen Wettbewerben her. Nehmen wir mal ein Tennis-Turnier.
In den höheren Ligen bzw. in Turnieren der ATP kennen sich fast alle Spieler sehr gut. Da wird man nur sehr selten Spieler unter den Zusehern treffen, weil sie entweder selbst gerade trainieren, Physio besuchen oder anderweitig beschäftigt sind. Die (Co-)Trainer werden Spiele möglicher Gegner ansehen und dann zusammen mit dem eigenen Schützling analysieren.

Der Untergrund, auf dem gespielt wird, gereicht manchen zum Fiasko, für manche gereicht er zum entscheidenden Vorteil.

Auch die Technik unterscheidet sich: Die Rückhand wird entweder beidhändig oder einhändig gespielt. Der zweite Aufschlag ist der Hammer oder er mutiert zum Einwurf, je nach Nervenkostüm.

In Turnieren der unteren Ligen sieht das schon anders aus. Da gibts i.d.R. nur einen einzigen Untergrund (Sand), keinen eigenen Trainer, fast alle Sportler sind auf sich alleine gestellt.
Und: Die Spieler werden i.d.R. eingeladen, das heißt, der Veranstalter kann den Verlauf des Turniers in gewisser Weise beeinflussen. Es sei denn, es ist ein Qualifikationsturnier.
Die Sportler kennen sich manchmal von den Spielen in den Verbandsrunden am Wochenende, aber auch hier gilt: Wer ausscheidet, der fährt sofort nach dem Spiel wieder heim. Nur ganz selten bleibt man bis zum Schluss oder sieht sich Spiele von Kollegen an.

Bei Bambini-Turnieren erkennt man jedoch auch das Phänomen, das in den Beiträgen oben skizziert wurde: Da werden Kinder von teilweise überehrgeizigen Elternteilen zu Höchst-Leistungen getriezt, da spielen sich Dramen ab, da gehört Missgunst, ja sogar Böswilligkeit zur Tagesordnung. Besagte Elternteile werden nicht müde, ellenlange Diskussionen auf "höchstem" Niveau mit anderen Eltern zu führen und den eigenen Fechser in den Himmel zu loben, dabei aber in epischer Breite zu erklären, warum es heute eben nicht geklappt hat mit dem Sieg.

Conclusio:
Wettbewerbe besitzen einen eigenen Charakter. Die Wettbewerbe verschiedener Richtungen (ob Sport oder Musik) sind durchaus vergleichbar. Es spielen sich sowohl fachliche, als auch menschliche Tragödien oder aber Sternstunden ab. Es zeigt sich, wer ein Wettbewerbstyp ist oder wer dem Druck nicht standhält und versagt.
 
Ok schön und gut.

Und früher war das jetzt alles anders / besser?

Weiterhin: Wie sollte man es denn anders / besser machen?
Schon klar dass man gerne an dem herummerckert, wie es ist. Aber konstruktive neue Vorschläge hab ich bisher selten gelesen.
 
Ich habe doch schon einen Vorschlag gemacht: Wettbewerbe im Musikbereich abschaffen!

Musik ist nun mal nicht Sport.

Und was kann der einzelne Lehrer oder Schüler hier und heute konkret machen? Auch ganz einfach: Nicht mehr an Wettbewerben teilnehmen.
 
Ok. Abschaffen ist aber keine ernstzunehmende Alternative.

Zumindest im Profi-Bereich gibt es ja noch viele andere Gründe, da teilzunehmen.
Wie man zu so einem Preis gelangt und wie die Konkurrenz-Situation ist, ist sicher oft etwas zweifelhaft.
Es geht aber nicht nur um den Titel, sondern auch um die Kontakte, die sich ergeben, Anschlusskonzerte, Preisgelder, CD-Aufnahmen, Orchestererfahrung, Zeitungsrezensionsn, Austausch mit anderen Teilnehmern und ggf. potentiellen Kammermusikpartnern, Auftrittserahrung (in sehr unangenehmen Situationen an unbekannten Orten) und "Zielen", die über Prüfungen und Konzerte hinausgehen, auf die man sich langfristig, punktgenau vorbereitet.

Dafür, das habe ich gemeint, müsste dann eine Alternative her.
Stipendien sind keine, denn die sind genauso ein Wettbewerb, oft sogar ein noch viel undurchsichtiger und willkürlicher.

Für Jugendliche wäre es sicher auch schön, irgend einen Austausch und Anreiz abseitz von Schülervorspielen zu haben.
Mein ehemaliger Musikschullehrer hatte gelinde gesagt auch die Schnauze voll von JuMu und hat kurzerhand seinen regionalen, eigenen Klavierwettbewerb gegründet. Der Vorgang ist ähnlich wie bei JuMu, allerdings sind die Anforderungen geringer, die Bewertung ist freundlicher und es gibt glaub ich auch mehr Anerkennung und kleine Preise, so dass eher das Vorspielen, Vorbereiten, Treffen usw. im Vordergrund steht und das Motivieren.
Ob das inzwischen noch so ist, weiß ich nicht, meine einzige Teilnahme liegt schon etwas zurück.
 

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