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Entschuldigt den Clickbait-Titel . Seit 2 Wochen beschäftige ich mich (endlich) mit op. 110 von Beethoven. In diesem Zuge empfahl mir mein Klavierprofessor die im Peters Verlag erschienene und von Claudio Arrau und Lothar Hoffmann-Erbrecht editierte Ausgabe der Klaviersonaten von Beethoven.
Heute kamen die Noten an und ich bin damit gleich ans Klavier. Habe den zweiten Satz aufgeklappt und musste feststellen: Claudio Arrau macht hier im Grunde alles anders als ich. Seine Fingersätze wirkten für mich auf den ersten Blick absolut unintuitiv: Niemals wäre ich bisher auf die Idee gekommen solche Fingersätze zu verwenden. Doch nach ein bisschen Überei stellte ich fest: Diese Fingersätze waren wirklich "genial" und ich hatte einen Eindruck, den ich noch nie bei einer Fingersatzkonzeption hatte: Mir schien es, als ob diese Fingersätze kohärent einer "Interpretationsidee" folgend konzipiert waren. Die Fingersätze unterstützen die Interpretationsanweisungen (die zum Teil von Beethoven und zum Teil – als solche gekennzeichnet – von Arrau stammen) dahingehend, dass sie eigentlich immer so gewählt waren, dass die angegebenen Interpretationsanweisungen durch den Fingersatz stark begünstigt wurden oder teilweise auch (z.B. durch Fingerwechseln bei Staccato-Akkordrepititionen) andere Spielarten schlicht unmöglich gemacht worden.
Mein Klavierprofessor meinte beim letzten (Skype-)unterricht, dass Arrau eine ganz eigene Auffassung über die Benutzung der einzelnen Finger hatte: Sinngemäß – wenn ich meinen Lehrer richtig verstanden habe – hat jeder Finger seine spezifischen Einsatzgebiete. Mir kam es nun so vor, als ob nicht nur jeder Finger, sondern auch jeder Fingerwechsel seine spezifischen Stärken und Schwächen hat.
Somit – wenn man sich dieser Stärken und Schwächen verschiedener Fingersatzkombinationen bewusst wird – sollte es möglich sein, einen Fingersatz zu finden, der eine Interpretationsidee bestmöglich unterstützt.
Das war für mich eine absolut neue Erkenntnis: Meine Maxime bei der Wahl eines Fingersatzes war bisher nicht die, dass der Fingersatz bestmöglich zu einer Interpretationsidee passt, sondern die, dass der Fingersatz mir (natürlich innerhalb gewisser, mir durch den guten Geschmack vorgegebenen Grenzen) größtmögliche Freiräume in der Wahl der Interpretation bietet.
Um diese neue Maxime gleich auszuprobieren, überarbeitete ich den Fingersatz des Themas der Schumann-Variationen von Brahms (mit welchen ich mich seit ein paar Tagen beschäftige) komplett: Ich versuchte den für meine Interpretationsidee passendsten Fingersatz zu erspüren. Und tatsächlich: Nach einiger Zeit hatte ich einen auf den ersten Blick ziemlich esoterisch wirkenden Fingersatz, der sich aber als absolut überlegen herausstellte:
- Probleme mit der Gestaltung der Mittelstimme, die ich mit meinem alten Fingersatz hatte waren einfach nicht mehr vorhanden. Die Mittelstimme klang "von alleine" fast genauso, wie ich sie haben wollte.
- Meine dynamischen Vorstellungen konnte ich um ein vielfaches einfacher umsetzen, es war viel leichter die Töne in der gewünschten Lautstärke in die Crescendi und Decrescendi hineinzuplatzieren.
- usw. usf.
Das war für mich eine ziemlich große Erkenntnis: Es gibt Fingersätze, die bestimmte Interpretationsideen wirklich extrem stark vereinfachen. Oder salopper, vereinfacht und kleinteiliger ausgedrückt: Es gibt Crescendo-, Diminuendo-, Staccato-, Rubato-, ...fingersätze. Bisher hatte ich den Einfluss des Fingersatzes auf das Gelingen der Interpretation komplett unterschätzt!
Warum nun ein clavio-Beitrag dazu? Aus mehreren Gründen:
1.) Ich möchte euch die Arrau-Ausgabe der Beethoven-Sonaten ans Herz legen.
2.) Mich würden eure Erfahrungen hier interessieren:
- Wonach konzipiert ihr eure Fingersätze? Habt ihr Fingersatzmaximen, die sich nach der Interpretation richten?
- Wo seht ihr die Stärken und Schwächen der einzelnen Finger?
- Habt ihr für bestimmte (Interpretations-)situationen spezifische "Fingersatzrezepte"?
3.) Frage an die "Pädagogen" unter euch:
- Welche "Fingersatzmaximen" empfehlt ihr euren Schülern, je nach Ausbildungsstand? Nach welchen Maximen entwerft ihr Fingersätze für eure Schüler, je nach Ausbildungsstand?
Ich weiß nun nicht genau, ob sich hierzu eine Diskussion ergeben wird oder ob ein Forum dafür vielleicht einfach nicht geeignet ist, weil sich diese Fragen nicht "allgemein" diskutieren lassen. Aber ich denke, dass es einen Versuch wert ist.
Edit: Ich ergänze die Fragenliste mit der Zeit.
Heute kamen die Noten an und ich bin damit gleich ans Klavier. Habe den zweiten Satz aufgeklappt und musste feststellen: Claudio Arrau macht hier im Grunde alles anders als ich. Seine Fingersätze wirkten für mich auf den ersten Blick absolut unintuitiv: Niemals wäre ich bisher auf die Idee gekommen solche Fingersätze zu verwenden. Doch nach ein bisschen Überei stellte ich fest: Diese Fingersätze waren wirklich "genial" und ich hatte einen Eindruck, den ich noch nie bei einer Fingersatzkonzeption hatte: Mir schien es, als ob diese Fingersätze kohärent einer "Interpretationsidee" folgend konzipiert waren. Die Fingersätze unterstützen die Interpretationsanweisungen (die zum Teil von Beethoven und zum Teil – als solche gekennzeichnet – von Arrau stammen) dahingehend, dass sie eigentlich immer so gewählt waren, dass die angegebenen Interpretationsanweisungen durch den Fingersatz stark begünstigt wurden oder teilweise auch (z.B. durch Fingerwechseln bei Staccato-Akkordrepititionen) andere Spielarten schlicht unmöglich gemacht worden.
Mein Klavierprofessor meinte beim letzten (Skype-)unterricht, dass Arrau eine ganz eigene Auffassung über die Benutzung der einzelnen Finger hatte: Sinngemäß – wenn ich meinen Lehrer richtig verstanden habe – hat jeder Finger seine spezifischen Einsatzgebiete. Mir kam es nun so vor, als ob nicht nur jeder Finger, sondern auch jeder Fingerwechsel seine spezifischen Stärken und Schwächen hat.
Somit – wenn man sich dieser Stärken und Schwächen verschiedener Fingersatzkombinationen bewusst wird – sollte es möglich sein, einen Fingersatz zu finden, der eine Interpretationsidee bestmöglich unterstützt.
Das war für mich eine absolut neue Erkenntnis: Meine Maxime bei der Wahl eines Fingersatzes war bisher nicht die, dass der Fingersatz bestmöglich zu einer Interpretationsidee passt, sondern die, dass der Fingersatz mir (natürlich innerhalb gewisser, mir durch den guten Geschmack vorgegebenen Grenzen) größtmögliche Freiräume in der Wahl der Interpretation bietet.
Um diese neue Maxime gleich auszuprobieren, überarbeitete ich den Fingersatz des Themas der Schumann-Variationen von Brahms (mit welchen ich mich seit ein paar Tagen beschäftige) komplett: Ich versuchte den für meine Interpretationsidee passendsten Fingersatz zu erspüren. Und tatsächlich: Nach einiger Zeit hatte ich einen auf den ersten Blick ziemlich esoterisch wirkenden Fingersatz, der sich aber als absolut überlegen herausstellte:
- Probleme mit der Gestaltung der Mittelstimme, die ich mit meinem alten Fingersatz hatte waren einfach nicht mehr vorhanden. Die Mittelstimme klang "von alleine" fast genauso, wie ich sie haben wollte.
- Meine dynamischen Vorstellungen konnte ich um ein vielfaches einfacher umsetzen, es war viel leichter die Töne in der gewünschten Lautstärke in die Crescendi und Decrescendi hineinzuplatzieren.
- usw. usf.
Das war für mich eine ziemlich große Erkenntnis: Es gibt Fingersätze, die bestimmte Interpretationsideen wirklich extrem stark vereinfachen. Oder salopper, vereinfacht und kleinteiliger ausgedrückt: Es gibt Crescendo-, Diminuendo-, Staccato-, Rubato-, ...fingersätze. Bisher hatte ich den Einfluss des Fingersatzes auf das Gelingen der Interpretation komplett unterschätzt!
Warum nun ein clavio-Beitrag dazu? Aus mehreren Gründen:
1.) Ich möchte euch die Arrau-Ausgabe der Beethoven-Sonaten ans Herz legen.
2.) Mich würden eure Erfahrungen hier interessieren:
- Wonach konzipiert ihr eure Fingersätze? Habt ihr Fingersatzmaximen, die sich nach der Interpretation richten?
- Wo seht ihr die Stärken und Schwächen der einzelnen Finger?
- Habt ihr für bestimmte (Interpretations-)situationen spezifische "Fingersatzrezepte"?
3.) Frage an die "Pädagogen" unter euch:
- Welche "Fingersatzmaximen" empfehlt ihr euren Schülern, je nach Ausbildungsstand? Nach welchen Maximen entwerft ihr Fingersätze für eure Schüler, je nach Ausbildungsstand?
Ich weiß nun nicht genau, ob sich hierzu eine Diskussion ergeben wird oder ob ein Forum dafür vielleicht einfach nicht geeignet ist, weil sich diese Fragen nicht "allgemein" diskutieren lassen. Aber ich denke, dass es einen Versuch wert ist.
Edit: Ich ergänze die Fragenliste mit der Zeit.
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