neue Akkorde!?
hallo,
in einem Brief an Liszt schrieb Wagner: "ich bin nun an der Stelle, da Brünnhilde Siegmund den Tod verkündet - ja kann man das überhaupt noch komponieren nennen?" Gemeint ist eine Szene aus dem 2. Akt der Oper "Die Walküre", welche Wagner einige Jahre vor "Tristan und Isolde" komponierte.
in dieser Szene befindet sich das Liebespaar Siegmund und Sieglinde auf der Flucht, und das hat handfeste Gründe, denn erstens ist Sieglinde verheiratet (sowas bewirkt immer einen gewissen Unmut) und zweitens sind Siegmund und Sieglinde auch noch Geschwister, und zwar Zwillinge... ;) das kann kaum gut ausgehen, ja auch heute noch würde eine solche Konstellation für Befremden und sogar für Konflikte mit der Justiz sorgen...
na wie auch immer, Herrn Siegmund erscheint eine "Walküre" (grimmes geharnischtes Weibsvolk) und teilt ihm mit, dass sein letztes Stündlein gekommen ist (ok, Wagner gestaltet das alles weniger humorig)
wir akzeptieren ja heutzutage cineastische Raumschiffe, Aliens, sogar mit Rittern verbandelte Drachen und weltrettende Hobbits - da kann man ohne Schaden zu nehmen auch mal ein paar sonderbare Götter auf der Opernbühne ernstnehmen. Die Szene selber ist irgendwie bedrückend: da wird jemandem der unvermeidbare Tod von einer Gottheit mitgeteilt - und der akzeptiert das als unvermeidlich. (ok, später lehnt er sich dagegen auf und sogar die Walküre wird sich für ihn einsetzen, aber das spielt hier keine Rolle)
die außerordentliche Situation muss irgendwie in außerordentliche Klänge umgesetzt werden:
Notenbeispiel 1 leitet ein
Notenbeispiel 2-4 zeigt die "neuen Akkorde"
gemessen, feierlich; in düsteren Klangfarben orchestiert; trauermarschartige Anklänge; ein düsteres "lamento", das sich aus rätselhaften Akkorden und Akkordverbindungen zusammensetzt.
was kann ein Akkord wie "d-eis-a" nur meinen?
warum lösen sich Melodien in Septakkorden auf?
der Erlanger Musikwissenschaftler Prof. Werner Breig hat diese Szene als die erste Realisation der Tristanharmonik inklusive der typischen Verwendung des Tristanakkords erklärt (womit er übrigens völlig recht hat)
mich würde nach dem vorangegangenen (Akkorde, die irgendwie nicht ganz so selbstverständlich sind) interessieren, ob jemand beim nachspielen auch das Gefühl hat, dass da was anders als gewohnt abläuft.
Gruß, Rolf