Borodin / Glasunow

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Ambros_Langleb

Ambros_Langleb

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19. Okt. 2009
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Ich habe mir am Wochenende zum erstenmal die wunderschöne Orchestrierung von Borodins »Petite Suite« durch Glasunow angehört. Dabei ist mir aufgefallen, daß G. den letzten Satz (das Nocturno) erweitert (»Scherzo - Nocturno - Scherzo«), vermutlich weil er den Eindruck hatte, daß das kleine Stück keinen rechten Abschluß der Suite darstellt. Weiß jemand zufällig, woher das Scherzo stammt? Von Borodin oder von Glasunow? Hat vielleicht jemand einen Literaturtipp dazu?

Dank und Gruß,

Friedrich
 
Lieber Friedrich,

Deine Frage habe ich glatt übersehen. Sonst hätte ich früher geantwortet.

Beim Orchestrieren der "Petite Suite" hat Glasunow als Rausschmeißer
noch Borodins Scherzo As-Dur hinzugefügt, und das Nocturne fungiert darin
quasi als Trio.

Das Scherzo As-Dur ist ein kleines Einzelstück,
einem mir unbekannten Théodore Jadoul gewidmet,
der davon eine Transkription zu vier Händen erstellt hat.
Beide Versionen findest Du im IMSLP.

Lieferbare deutschsprachige Literatur über Alexander Borodin: völlige Fehlanzeige.
Bei Breitkopf und Härtel (DDR) ist 1955 ein aus der Sowjetunion stammendes Buch
von einer Frau Popowa herausgekommen, das ich nicht kenne und von dem ich sehe,
daß es übers ZVAB zu beziehen ist. Wenn man den spätstalinistisch-ideologischen Unfug
subtrahiert, ohne den eine solche Monographie 1955 nicht erscheinen durfte,
ist das Buch vielleicht eine gute Datenbasis.

Mit solidarischen Grüßen!

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Nachtrag:

Théodore Jadoul ist enttarnt. In Victor I.Seroffs schönem und natürlich
auch längst vergriffenen Buch "Die mächtigen Fünf" (Atlantis, 1987,
ursprünglich 1963 im selben Verlag u.d.T. "Das mächtige Häuflein" veröfffentlicht -
im ZVAB also unter beiden Titeln suchen!) tritt Jadoul als junger Belgier auf,
mit dem die belgische Gräfin Marie de Mercy-Argenteau gerne vierhändig zu spielen pflegte
(näheres dazu hier: https://www.clavio.de/forum/umfragen/12067-gut-oder-schlecht-4.html#post180319).
Er transkribierte einiges an russischer Musik für sie bzw. à quatre mains,
darunter auch Borodins "Steppenskizze aus Mittelasien", vermittelte den Direktkontakt
zwischen Borodin und der Gräfin, die als Mäzenin viel für die Akzeptanz
der neuen russischen Musik in Belgien (und das heißt: in Westeuropa) getan hat.
Ihretwegen (d.h. seiner Musik und der Gräfin wegen) kam Borodin sogar zu Besuch auf ihr Schloß.
Offenbar war für Brüssel die Uraufführung seiner Oper "Fürst Igor" anvisiert,
zu der es aber schon deswegen nicht kommen konnte, weil das Werk Fragment war - und blieb.
Im Rahmen dieses Belgien-Trips soll das Scherzo As-Dur entstanden sein
(Quelle: englischsprachiges Wikipedia), wofür ich bis jetzt keinen Beleg gefunden habe.
 
Nachtrag:

Théodore Jadoul ist enttarnt. In Victor I.Seroffs schönem und natürlich
auch längst vergriffenen Buch "Die mächtigen Fünf" (Atlantis, 1987,
ursprünglich 1963 im selben Verlag u.d.T. "Das mächtige Häuflein" veröfffentlicht -
im ZVAB also unter beiden Titeln suchen!) tritt Jadoul als junger Belgier auf,
mit dem die belgische Gräfin Marie de Mercy-Argenteau gerne vierhändig zu spielen pflegte

Lieber Christoph,

vielen Dank für die Aufklärung! Mir gefällt Glasunows Orchesterfassung fast besser als das Original. Auch die Erweiterung des letzten Satzes hat etwas für sich, weil sie der Suite einen "gewichtigen" Schluß verleiht.

Herzliche Weihnachtsgrüße,

Friedrich
 
Lieber Friedrich!

Mir gefällt Glasunows Orchesterfassung fast besser als das Original.
Auch die Erweiterung des letzten Satzes hat etwas für sich,
weil sie der Suite einen "gewichtigen" Schluß verleiht.

Ja, durch seine Instrumentierung hat Glasunow der Aufeinanderfolge
kleiner Charakterstücke bzw. stilisierter Tänze eine richtige Dramaturgie verpaßt -
mit dem Scherzo (plus Nocturne-Mittelteil) als Höhepunkt.

Glasunow soll menschlich wie künstlerisch bis zur Selbstverleugung hilfreich gewesen sein -
nachzulesen in dem Band "Zeugenaussage", den apokryphen, von S.Volkov herausgegebenen
Schostakowitsch-Memoiren. Dort äußert der (bis zum exakten Nachweis seiner Autorschaft
leider nicht als Schostakowitsch identifizierbare) Verfasser Ungeheuerliches:
Die beiden nachgelassenen Sätze von Borodins dritter Symphonie seien
von Glasunow nicht nur instrumentiert, sondern auch komponiert worden.

Ich kann kein Russisch und kenne nicht den Forschungsstand
der nach-sowjetrussischen Musikwissenschaft. Interessieren würde mich schon,
ob es ein aussagekräftiges Autograph der beiden Sätze gibt.
Weißt Du/weiß sonst jemand Genaueres?

Weiterhin eine gesegnete Weihnachtszeit wünscht

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
...kenne nicht den Forschungsstand
der nach-sowjetrussischen Musikwissenschaft. Interessieren würde mich schon,
ob es ein aussagekräftiges Autograph der beiden Sätze gibt.
Weißt Du/weiß sonst jemand Genaueres?

Hihi, soll ich aus dem letzten Satz ein kleines bißchen Ironie heraushören? Ich wäre schon froh, wenn ich Zeit hätte, die Literatur zu lesen zu den Komponisten, die in meinem Leben wichtig waren, allen voran Bach. Nun, "einmal kurz vor dem Ende" - wird Kafkas Poseidon sein Büro in den Tiefen des Ozeans verlassen, um sich einmal im Leben einen Sturm life anzusehen. Und ich werde mir dann Bachs Orgelwerk erschließen. Bis dahin aber ...

... Dank und Gruß,

Friedrich
 
Typisch: Bach verdrängt Borodin

Hihi, soll ich aus dem letzten Satz ein kleines bißchen Ironie heraushören?

Ironie? Ka Spur!

Ich hatte gehofft, daß Du auch des Russischen mächtig bist
und etwas über den Torso von Borodins dritter weißt.

Ich wäre schon froh, wenn ich Zeit hätte, die Literatur zu lesen zu den Komponisten,
die in meinem Leben wichtig waren, allen voran Bach. Nun, "einmal kurz vor dem Ende" -
wird Kafkas Poseidon sein Büro in den Tiefen des Ozeans verlassen,
um sich einmal im Leben einen Sturm life anzusehen.
Und ich werde mir dann Bachs Orgelwerk erschließen.

Für diesen Blick ins "Auge des Sturms" empfehle ich als Begleitlektüre:

Peter Williams: Johann Sebastian Bachs Orgelwerke (komplett in drei Bänden)

Schott ED8991 (satte 149,95 €)

Bd.1: Präludien, Toccaten, Fantasien, Fugen, Sonaten, Concerti

Bd.2: Choralbearbeitungen

Bd.3: Liturgie, Kompositionstechnik, Instrumente, Aufführungspraxis

und als Zusatz dringend empfohlen:

Christoph Wolff/Martin Zepf: Die Orgeln J.S.Bachs - ein Handbuch

Carus CV24.045 (schlappe 16,80 €).

Fürs diesjährige Weihnachtsfest wäre es zu spät -
vielleicht zum Geburtstag? Oder für die Institutsbibliothek zum Thema:
"Die paulinische Assimilation an den religiösen Synkretismus' der Spätantike
und ihre musikalische Rezeption in J.S.Bachs Orgelwerk.
Beobachtungen und Erfahrungen".

Ist der Jahrestetat schon verbrutzelt?

Herzliche Grüße

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo miteinander,

dieser Faden ist ja schon etwas älter - aber ich finde es interessant, sich auch mal mit dem Klavierwerk Alexander Borodins zu befassen.

In diesem Faden wurde ja bisher allein über die Petite Suite, orchestriert von Glasunow gesprochen. Aber Borodin hat ja noch mehr für Klavier komponiert.
Einen groben, wahrscheinlich nicht erschöpfenden Überblick über seine Klavierwerke sowie einen kurzen Einblick in seine interessante Biografie kann man sich ja in Wikipedia verschaffen.

Hier im Forum erziele ich über die Suchfunktion keine Treffer zu seinen Klavierwerken, außer diesem Faden hier.

Wie ich gerade gesehen habe, gibt es jetzt bei amazon eine CD mit dem gesamten Klavierwerk Borodins:

Borodin: Complete Piano Music: Marco Rapetti, Alexander Borodin: Amazon.de: Musik

Allerdings kommt diese CD in den Kundenrezensionen nicht wirklich gut weg.

Daher meine Frage:
Kann jemand eine CD nennen, auf der gute Aufnahmen des Klavierwerks von Alexander Borodin zu hören sind?
Hat jemand hier schon mal Klavierkompositionen von Borodin gespielt?
Kann jemand Literatur nennen, die sich mit diesem Komponisten beschäftigt?

LG

Debbie digitalis
 

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