Ein Cembalo hat durchaus dynamische Möglichkeiten, und zwar durch Register. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Klangfarben und mehrere Lautstärkestufen. Abgesehen davon erreicht man am Cembalo (und auch auf der Orgel) Dynamik durch unterschiedliche Tonlängen, was man Artikulation nennt. Ein Haltepedal gibt es beim Cembalo nicht, also klingen die Töne immer nur so lange, wie man die Tasten hält.
Am Klavier kann man diese (Un-)Möglichkeiten imitieren, indem man nur bestimmte Dynamikstufen benutzt und die Bewegungen dort hin ebenfalls mit Artikulation erreicht. Wenn man intensiv mit Artikulation arbeitet, verbietet sich die Pedalbenutzung automatisch.
Meiner Meinung nach sollte man aber einfach eine "Übersetzung" für Klavier spielen. Das Klavier ist ein anderes Instrument als ein Cembalo und wenn z.B. Klaviermusik mit Gitarre gespielt wird (der Unterschied ist auch nicht größer), spielt man die Gitarre auch nicht klavierartig. Also Treppendynamik und nur leichte Crescendi und Decrescendi, die man aber nicht durch Artikulation erreichen muß. Das Klavier hat nun mal die Anschlagsdynamik und damit kann man Musik noch lebendiger gestalten. Bezüglich des Haltepedals muß man natürlich bedenken, daß Barockmusik durch die Artikulation eine eigene Rhythmik bekam, zumal Legato nicht die übliche Spielweise war (auch wegen der Artikulation, aber nicht nur). Diese Rhythmik muß natürlich erhalten bleiben. Andererseits sind heutige Räumlichkeiten akustisch wesentlich trockener und ganz ohne Pedal klingt ein Klavier schnell dröge.
Es kommt im Übrigen nicht darauf an, Musik so zu spielen, wie sie zu Lebzeiten des Komponisten gespielt wurde, es kommt darauf an, die Idee und den Charakter zu erkennen und dem Publikum weiterzugeben.
Busoni wird für seine Barock-Interpretationen sowohl geliebt wie auch gehaßt. Allen kann man es nicht recht machen, die Entscheidung liegt bei einem selbst.
Es ist natürlich eine Bereicherung, sich am Klavier mal mit Artikulation zu beschäftigen und es ist auch kein Fehler zu lernen, Pausenanfänge präzise einzuhalten und sich auf die authentischen Prasierungen von Barockmusik einzulassen. Bach klingt oft nach Gedudel, weil er falsch gespielt wird, und nicht, weil jemand Pedal oder Dynamik benutzt. So gesehen sollte man sich tatsächlich erstmal mit der ursprünglichen Spielweise auseinandersetzen und auf Pedal verzichten. Wenn man ein Stück so begriffen hat, kann man vom Cembalo- auf Klaviermodus umschalten und wieder alle "Register" (die es ja eigentlich nur beim Cembalo gibt) ziehen, die das Klavier bietet.