Welche Rolle spielen Skrjabin Etüden?

pawa

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Wie sind eigentlich die Etüden von Skrjabin in der Klavier-Literatur einzuordnen? Ich denke, ich habe während meines Klavier-Lernens eine typische Entwicklung durchgemacht: Am Anfang waren es die Etüden von Czerny, dann folgten einige Chopin-Etüden, und mein Highlight war eine Konzertetüde von Franz Liszt. Aber wie sind eigentlich die zahlreichen Etüden von Skrjabin einzuordnen? Ich kenne niemanden, der auch nur eine gespielt hat. Ich selbst habe eine einzige gespielt. Spielt man Skrjabin-Etüden, wenn man Klavier studiert? Oder ist das nur was für absolute Exoten? Oder lernt ein Schüler in Russland bevorzugt Skrjabin-Etüden während in Europa die Chopin-Etüden im Vordergrund stehen?
 
Ich habe die Etüden op. 42 gespielt und finde sie sehr toll und beachtenswert! Das gilt auch für op. 8, aber aus unerklärlichen Gründen habe ich keine einzige von denen gespielt.

Die drei Etüden op. 65 werden eher selten aufgeführt, im Konzert habe ich die noch nie gehört. Sie sind allerdings auch ein wenig esoterisch.
 
Nun, ich bin Scriabinist, insofern wenig repräsentativ.

Es gibt aber dann doch einige Etüden, die wirklich schon zum Standardrepertoire gehören, egal ob aus Ost oder West. Op.8 No.12 und Op.42 No.5 kann man da sicherlich nennen.

Den Vergleich zu Chopin-Etüden würde ich nicht ziehen wollen, das sind zwei komplett unterschiedliche Tonsprachen und auch ein ganz anderer Fokus auf die technischen Anforderungen.

Es hilft vielleicht zu wissen, dass Scriabin sich in seiner Studienzeit einen Wolf beim Spielen der Lisztschen Don-Juan-Paraphrase geübt hat und seine rechte Hand für einen ziemlich langen Zeitraum nicht voll einsatzfähig war. Er mußte und konnte sich in der Zeit sehr auf seine linke Hand konzentrieren, was sich in vielen seiner Etüden, aber auch in den nachfolgenden Hauptwerken bemerkbar macht.

Weite Sprünge und Arpeggien, Akkord- und Oktavfortschreitungen, Melodieübernahmen mit links sind durchaus Charakterisitka, die sich durch sein Werk ziehen.

Und die sind nicht jedermanns Sache.
 
Spielt man Skrjabin-Etüden, wenn man Klavier studiert?

Hallo pawa,

ja, auf alle Fälle!

Ich mußte in meiner Studienzeit überwiegend Skrjabin - Etüden und Etudes tableaux von Sergei Rachmaninoff spielen und bin meiner damaligen Klavierdozentin dafür heute sehr dankbar. Ich finde diese Etüden der Spätromantik in der Klavierliteratur äußerst wichtig, und neben den Chopin- Etüden auch die schönsten Etüden, die je für Klavier geschrieben wurden. Etüden wie Skrjabin op. 8 Nr. 12 oder op. 42 Nr. 5, sowie Sergei Rachmaninoff op. 39 Nr. 5, Nr. 6 und Nr. 9 sind für mich in der Klavierliteratur nicht wegzudenken.
 
...eine verblüffende Frage, denn einige der Rachmaninov-, Skrjabin- und Debussyetüden zählen zu den populärsten und besten Konzertetüden nach (zeitlich gemeint) Chopin und Liszt. Etwa Skrjabins op.8 Nr.12 ist aus den Konzertsälen gar nicht wegzudenken!

Speziell Skrjabins Etüden op.8 knüpfen an Chopin an, steigern allerdings den Schwierigkeitsgrad enorm: ein Beispiel dafür ist Skrjabins tückisch-witzige Terzenetüde.

Rein pianistisch/technisch wären neben Chopin, Liszt, Schumann, Debussy, Rachmaninov und Skrjabin noch die Etüden von Saint-Saens zu nennen, die aber leider musikalisch nicht so ganz mithalten können. Dasselbe gilt für Alkan und Tausig. Im 20.Jh. kommen noch Ligetis Etüden hinzu.
 
Aber wie sind eigentlich die zahlreichen Etüden von Skrjabin einzuordnen? Ich kenne niemanden, der auch nur eine gespielt hat. Ich selbst habe eine einzige gespielt. Spielt man Skrjabin-Etüden, wenn man Klavier studiert? Oder ist das nur was für absolute Exoten?

Disclaimer: Bin nur ambitionierter Hobbyist, meine Aussage ist laienhaft und damit mehr oder weniger wertlos. Aber Deine Frage richtet sich nicht nur an Profis und werdende Profis.

Meine Klavierlehrerin hat mir schon mehrfach vorgeschlagen, "auch mal die Skrjabin-Etüden anzuschauen". Von denen könne man viel lernen. Das habe ich bislang (aus Ignoranz :girl:) überhört. Was der Bauer nicht kennt, fr... spielt er nicht.


Ich bin Dir dankbar für Deine Frage, denn aufgrund der Antworten habe ich jetzt
kennengelernt. Spannende Musik!

Meine Klavierlehrerin freut sich immer, wenn peu-à-peu meine tumben Vorbehalte zerstäuben. :blume:
 
Skrjabin-Etüden sind tolle Stücke !!!

Ich kenne niemanden, der auch nur eine gespielt hat. Ich selbst habe eine einzige gespielt.

Das liegt wohl daran, dass die Skrjabin-Etüden für die meisten Amateure technisch kaum zu bewerkstelligen sind.

Schon der Anblick des Notentextes kann bei Skrjabin schnell abschrecken, denn das sieht für Anfänger auf den ersten Blick oft ungewohnt aus.

Spielt man Skrjabin-Etüden, wenn man Klavier studiert?

Oh ja, in Hochschulen werden die Skrjabin-Etüden öfters mal gespielt (dann aber meist nur einzelne, nicht op. 8 oder 42 komplett).

Das fängt schon in der Aufnahmeprüfung an. In den meisten Prüfungsordnungen ist vorgeschrieben, dass zwei Etüden gespielt werden, davon mindestens eine von Chopin. Die andere Etüde muss dann i.d.R. entweder von Liszt, Rachmaninow, Debussy oder eben von Skrjabin sein.

Ähnlich ist das in Wettbewerben.

Oder ist das nur was für absolute Exoten? Oder lernt ein Schüler in Russland bevorzugt Skrjabin-Etüden während in Europa die Chopin-Etüden im Vordergrund stehen?

Mittlerweile ist die Klavierwelt so international geworden, dass das wohl eher von den Vorlieben des Lehrers oder des Klavierstudenten abhängt.
 
Speziell Skrjabins Etüden op.8 knüpfen an Chopin an, steigern allerdings den Schwierigkeitsgrad enorm: ein Beispiel dafür ist Skrjabins tückisch-witzige Terzenetüde.
Ich habe heute in der Autobiographie von Walter Niemann* gelesen, Walter Gieseking habe dergleichen einfach vom Blatt gespielt.

Nach telefonischem Anruf legte ich ihm ein umfangreiches Paket Neuerscheinungen moderner Klaviermusik aufs Pult. Nun wurde ein Heft nach dem anderen vom Blatt gespielt. Aber wie !! Die schwierigsten Dinge, wie etwa Ravels "Miroirs" oder "Gaspard de la nuit", Debussy's "L'isle joyeuse", Albeniz' "Iberia", Granados' "Goyescas", Castelnouvo-Tedesco's "Alt-Wien"-Rhapsodie, Balakireffs "Islamey"-Fantasie, Scriabins Konzertetüden und Préludes erstanden in vollkommener Schönheit, als ob er sie schon viele Jahre studiert hätte [...]

Bei aller Bewunderung für Gieseking finde ich das schwer zu glauben.

lg marcus

*Die Autobiographie selbst stammt von 1952. Veröffentlicht wurde sie im Staccato-Verlag 2008 in einer vollkommen dubiosen Ausgabe mit massenweise Tippfehlern, einem Stichwortregister ohne Seitenzahlen und hochmerkwürdigen Begleittexten...
 
Also ich höre jetzt so heraus, dass bei einem Klavier-Hochschulstudium Scriabin-Etüden dazu gehören. Aber an einer normalen Musikschule spielt ein etwas talentierterer Schüler eben die Chopin-Etüden, weil sie quasi Standard sind.

Sind denn die Etüden von Scriabin allgemein schwerer als die von Chopin? Ich selbst habe nur eine Etüde von Scriabin gespielt, die oben viel erwähnte op. 8 Nr. 12. Ich fand sie sehr schwer, aber nicht schwerer als z.B. Chopin op. 10 Nr. 1. Ich frage mich nur, wie man auf die Idee kommen konnte, ein Stück in dis-moll nieder zu schreiben...

Gruß Patrick
 
Sind denn die Etüden von Scriabin allgemein schwerer als die von Chopin?
Ja, ein wenig schwieriger sind sie (was kein Wunder ist, denn die Spieltechnik stagnierte nicht, als Chopin 1849 in den Musikolymp umzog)
...was hast du gegen dis-moll? Es-Moll ist auch nicht "lesbarer", zu schweigen von as-moll (was Beethoven in op.110 mit b-moll Vorzeichen notierte und ergo etliche zusätzliche bs einfügen musste, als gäbe es weder H-Dur noch gis-moll ;-) )
 
Die Etüde op. 8 Nr. 12 von Scriabin ist das erste und einzige Stück in dis-moll, das ich je in dieser Tonart gespielt habe. Da frage ich mich, ob diese Tonart nur deshalb gewählt wurde, um die Etüde noch ein bisschen schwieriger zu machen... Scriabin hätte sie ja auch einen Halbton höher oder tiefer nieder schreiben können...
 

@pawa es gibt eine Fassung in d-moll von op.8Nr.12, von Skrjabin selber: die ist deutlich schwieriger als in dis-moll!!!

Nebenbei: es-moll/dis-moll taucht im WTK auf, in den 24Preludes - ja und?
 
@rolf , finde ich ja interessant, dass die d-moll Variante schwieriger ist als die dis-moll Variante. Hast du es selber ausprobiert? dis-moll ist ja grundsätzlich gut zu spielen, aber das Einstudieren dauert halt deutlich länger. Zumindest bei einem Amateur wie ich einer bin. Sag du mal als Profi ganz ehrlich: Spielt für dich die Tonart eines Stückes eine Rolle, wenn du ein neues Stück lernst? Brauchst du länger, wenn das Stück 6 Kreuze hat als wenn es nur eines hat? Gruß Patrick
 
Die weiten Intervalle (Dezimen, Undezimen) in hohem Tempo sicher zu treffen ist mit schwarzen Tasten deutlich angenehmer als auf weißen - probier doch einfach die linke Hand in d-moll, dann wirst du das merken.
Ich habe aus Jux mal in die d-moll Fassung reingespielt und diese Fiesheit dann beiseite gelegt.
 
Die Tonart ist mir meistens egal (ohnehin modulieren die Spätromantiker dauernd)
 
Mit diesem Satz beantwortest du mir meine Eingangsfrage. Wenn die Scriabin-Etüden also wirklich schwieriger sind als die Chopin-Etüden, dann wird mir klar, dass für einen guten Amateur bei den Chopin-Etüden das Ende der Fahnenstange erreicht ist, und deren 24 Stück muss man ja erst mal schaffen... Scriabin-Etüden sind also eher was für angehende Professionals im Studium.
 
Wer alle Chopin Etüden spielen kann, also auf akzepable Art und Weise, der wird auch alle Scriabin Etüden spielen können. Bei Scriabin stehen andere technische und musikalische Aspekte im Vordergrund als bei Chopin, aber das gilt auch für die Etüden von Rachmaninoff, Debussy Lyapunov, Liszt.

Wobei, bei Liszt würde ich dann doch noch die Einschränkung machen, dass die 1838er Version der 12 Etüden schlicht unspielbar ist, wenn man alle im gleichen Tempo wie dem üblicherweise genommenen Tempi der 1853er, endgültigen Fassung, anstrebt.

PS: Wenn man man mit einer Tonart wie dis-moll deutlich größere Leseprobleme hat als mit d-moll, dann ist wohl im Klavierunterricht das Üben von Tonleitern in allen Variationen und kadenzierenden Akkordfortschreitungen etwas zu kurz gekommen...
 
Sind denn die Etüden von Scriabin allgemein schwerer als die von Chopin? Ich selbst habe nur eine Etüde von Scriabin gespielt, die oben viel erwähnte op. 8 Nr. 12. Ich fand sie sehr schwer, aber nicht schwerer als z.B. Chopin op. 10 Nr. 1. Ic

Da die Scriabin Etüden andere Aufgaben stellen sind Vergleiche mit den Chopin Etüden schwierig und sehr subjektiv.
Rhythmisch hat Scriabin einige tückische Aufgaben drauf. So ist etwa op. 8,2 nicht besonders schwer, aber die ständigen 5 gegen 3, 5 gegen 4 Konstellationen sind recht unhandlich.
Die subjektive relative Schwierigkeit kann man schön an den beiden Terzen Etüden sehen (ich habe beide gespielt). Für mich ist Scriabin deutlich einfacher.
Und Scriabin hat mit seiner Nonen-Etüde eine verfasst, die für A unbequem und für B unspielbar ist, egal wie gut B mit seinen zu kleinen Händen sonst spielen kann. Das gibt's bei Chopin nicht.
Insgesamt sind die Scriabin Etüden von der ziemlich einfachen cis-Moll Etüde op. 2,1 bis zur hochvirtuosen cis-Moll Etüde op 42,5 wunderschön, vielfältig und spielenswerten!!
 
Die subjektive relative Schwierigkeit kann man schön an den beiden Terzen Etüden sehen (ich habe beide gespielt). Für mich ist Scriabin deutlich einfacher.
...findest du den Part der linken Hand in der Skrjabinetüde leichter als in der Chopinetüde? ;-)
Die großen Terzen sind da weniger das Problem, als der Störfaktor linke Hand (deswegen hört man diese Etüde nur selten in dem Tempo, das z.B. Horowitz realisierte)
 

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