Eckart Altenmüller schrieb: ....Musiker berichten oft von dem Eindruck, sie hörten einen Klang voraus und ihre Finger würden fast automatisch an die richtige Stelle auf dem Griffbrett oder der Tastatur „gezogen“.
Sondern der Akt der Klangwillens-Bildung ist sozusagen EINS mit der Bewegungsaktion. Da sind nicht zwei zeitlich oder sonstwie als getrennt empfundene Aktionen (erst voraushören und daraufhin etwas machen).
Lieber hasenbein,
was du schreibst, ist außerordentlich wichtig! Altenmüller hat das Voraushören, von dem er spricht, allerdings nicht selbst postuliert, sondern den Eindruck von Musikern wiedergegeben.
Man muss beim Spielen immer im JETZT sein - jedes Voraushören oder auch "Nachhören" dessen, was man eben gespielt hat, zerreißt unweigerlich den Spielfluss.
Was ich mich frage, ist, was das "JETZT" ist. Und ob nicht doch der Eindruck der von Altenmüller befragten Musiker mit dir übereinstimmen könnte.
Ist "JETZT" nur der gerade gespielte Ton, also vielleicht eine 100stel Sekunde oder schließt das "JETZT" auch den Zusammenhang mit ein, ganz besonders die Verbindung zum nächsten Ton?!
Ich glaube, dass das eine nicht ohne das andere geht. Denn der gerade gespielte Ton muss einerseits in aller Wachheit und Aufmerksamkeit wahrgenommen werden, in Klangfarbe, Dynamik, Timing mit den entsprechenden Emotionen gehört und gefühlt werden inkl. der zur Klangerzeugung nötigen Bewegungen. Wenn dieses "JETZT" nicht so intensiv wie nur möglich wahrgenommen wird und stattdessen an der Oberfläche bleibt, wird auch unser Spiel an der Oberfläche bleiben.
Andererseits bestimmt das gerade Wahrgenommene den nächsten Ton und die zukünftige Entwicklung. Wir nehmen Töne nicht isoliert wahr, sondern in Zusammenhängen. Ich kann nicht einen Ton hören und danach erst das aufsteigende Intervall einer Sexte hören (z.B.), sondern der erste Ton trägt die Verbindung zum nächsten und den durchschrittenen Klangraum (Sexte) schon in sich. Gleichzeitig muss ich aber unbedingt den ersten Ton genau wahrnehmen, da sonst der zweite Ton isoliert da stünde. Das eine bedingt das andere.
Bei mir läuft das irgendwie auf mehreren Ebenen ab. Es gibt nicht nur eine Ebene beim Musizieren. Ich nehme vorrangig den gerade gespielten Klang wahr. Gleichzeitig weiß ich aber, in welchem Kontext dieser Klang steht und höre auf die Verbindung. Beim Vom-Blatt-Spielen ist das besonders extrem: ich höre auf die Töne, die ich gerade spiele, bin mit den Augen aber schon einen Takt oder so voraus und habe diesen Takt in meiner Klangvorstellung bereits vorausgehört, obwohl ich ihn ja noch gar nicht gespielt habe. Trotzdem nehme ich immer noch den gerade gespielten Klang wahr, sonst könnte ich ja nur unmusikalisch und abgehackt spielen.
Bei Stücken, die man gerade erst auswendig hat, muss man noch teilweise überlegen, was kommt. Und trotzdem kann man im Klang absolut im "JETZT" sein, das läuft auf verschiedenen Ebenen ab.
Vielleicht haben die befragten Musiker also so etwas ähnliches gemeint.
Im Unterricht ist allerdings die Wahrnehmung des "JETZT" extrem wichtig, da es da oft hapert. Sich zuhören können und alle Sinneskanäle offen zu halten ist eines der wichtigsten Dinge überhaupt.
Liebe Grüße
chiarina