(Vor-)Weihnachtlicher Solobeitrag für Klavier

Rheinkultur

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Hallo zusammen,

landauf und landab steckt man bei unseren Chören und Gesangvereinen in den Vorbereitungen der anstehenden Advents- und Weihnachtskonzerte. Auch bei den von mir geleiteten Ensembles ist das nicht anders. Eines dieser Konzerte soll am dritten Adventswochenende in einer ehrwürdigen Burg stattfinden, ein Shantychor singt maritimes Liedgut, ein Zupforchester wirkt ebenfalls mit, auch mit den Zuhörern soll gemeinsam gesungen werden. Ein Mundharmonikaquartett fällt nun aufgrund tragischer Umstände aus - damit wären nun zweimal fünfzehn Minuten durch einen Ersatzbeitrag zu füllen, der durchaus auch klassisch gestaltet sein darf. Ein guter Flügel steht zur Verfügung. Da Chorleiter Rheinkultur als pianistisch versiert eingeschätzt wird, möge er diesen Part übernehmen, überlegte man sich kurzerhand. Das wird er auch gerne tun und hat ein paar gute Ideen auf Lager, ist aber aufgrund hilfreicher Gedanken in früheren Fäden der Ansicht, dass ein paar interessante Empfehlungen aus diesem Forum zur Präzisierung beitragen könnten. Die an anderer Stelle erwähnten Klassiker von Liszt oder Ljapunow sind ganz brauchbar, auch eine ins Kirchenjahr passende Bach‘sche Choralbearbeitung in einer gelungenen Transkription würde passen. Was meint Ihr?

Herzlichen Dank im voraus für Eure Impulse und Anregungen!

LG von Rheinkultur
 
Bach/Busoni deckt mit "Wachet auf, ruft uns die Stimme", "Nun komm, der Heiden Heiland" und "Nun freut euch, lieben Christen g'mein" die adventlich/vorweihnachtliche Thematik aufs beste ab. Die letzten beiden Sachen sind im Luther-Jahr besonders aktuell - und Busoni hat anno 1922 letzteres sogar als Interpret eingespielt:



Weniger bekannt sind die auf imslp.org verfügbaren Variationswerke über "Adeste fideles" von Edward Mack (1826-1882) und Charles Grobe (1817-1879). Für Orgel und den Kirchenraum gibt es deutlich mehr Originalliteratur als für Klavier und den weltlichen Konzertsaal. Bei mehr Materialfülle bräuchte ich ja einen solchen Faden wie den vorliegenden gar nicht erst aufzumachen. Dazu kursieren immer noch Gelegenheitswerke für Harmonium oder Kleinorgeln, die kaum mehr von Interesse sind.

LG von Rheinkultur
 
Hihi, Mozart hatte einen höchst weltlichen Text im Hinterkopf, als er diesen Variationenzyklus schrieb und ich deshalb das Opus mitnichten auf dem Schirm: http://www.henle.de/media/foreword/0165.pdf

Erst viele Jahre nach Mozarts Tod hat sich der (vor-)weihnachtliche Bezug in den Köpfen der meisten Musiker und Nichtmusiker fest verankert und wird wohl auf lange Sicht so erhalten bleiben. Aber warum eigentlich nicht KV 265 spielen?

LG von Rheinkultur
 
Sagen wir so: eine volkstümliche Komponente ist dem ganzen Projekt durchaus eigen und populär ist KV 265 in jedem Fall. Schließlich musiziert man auch für ein entsprechendes Publikum, das nicht aus Klassikspezialisten besteht, wie man sie andernorts antrifft. Ihm war es ja auch nicht zu fade:



LG von Rheinkultur
 
Die Idee stammt original nicht von mir, sondern einer Bekannten, die damit vor Jahren eine Weihnachtsfeier ausgestaltet hat. Für ein Publikum, das möglicherweise gekommen ist, um bekannte Weihnachtsmelodien wiederzuhören, sind die Variationen sehr gut nachzuvollziehen wegen des bekannten Motivs. Zweimal 15 Minuten sind ganz schön lang, wenn sie kurzweilig sein sollen. Simpel ist an KV 265 bestenfalls das Thema, die Mozartsche Verarbeitung adelt eben auch dieses banale Lied.
 
Für ein Publikum, das möglicherweise gekommen ist, um bekannte Weihnachtsmelodien wiederzuhören, sind die Variationen sehr gut nachzuvollziehen wegen des bekannten Motivs.
Update erforderlich - inzwischen liegt das Programm im Druck vor. Gespielt werden die Mozart-Variationen KV 265 und dreimal Bach-Busoni:
  • Wachet auf, ruft uns die Stimme
  • Nun komm' der Heiden Heiland
  • Nun freut euch, lieben Christen gmein
Vor Ort befindet sich ein guter Steinway-Halbkonzerter. Freue mich auf den Auftritt, sollte schön werden.

LG von Rheinkultur
 

Das ist allerdings ein Reformationslied und kein Weihnachtslied. Davon abgesehen, finde ich die Transkription mit den Oktavverdoppelungen in den Wiederholungen katastrophal schwierig und den Übeaufwand bei weitem nicht wert. Bei Stretta gibt es eine (aus meiner Sicht) bessere Transkription, die auch ohne den merkwürdigen Busoni-Bombast am Ende auskommt.

Es ist so ziemlich genau die Fassung, die Grigory Sokolov hier spielt:


View: https://www.youtube.com/watch?v=7IykgpJ7WCs
 
Update erforderlich - inzwischen liegt das Programm im Druck vor. Gespielt werden die Mozart-Variationen KV 265 und dreimal Bach-Busoni:
  • Wachet auf, ruft uns die Stimme
  • Nun komm' der Heiden Heiland
  • Nun freut euch, lieben Christen gmein
Vor Ort befindet sich ein guter Steinway-Halbkonzerter. Freue mich auf den Auftritt, sollte schön werden.

LG von Rheinkultur

"Wachet auf, ruft uns die Stimme" gehört an das Ende des Kirchenjahres. Totensonntag, Ewigkeitssonntag. Für diesen Anlass hat es Bach auch komponiert.

Gruß altermann
 
Zuletzt bearbeitet:

"Wachet auf, ruft uns die Stimme" gehört an das Ende des Kirchenjahres. Totensonntag, Ewigkeitssonntag. Für diesen Anlass hat es Bach auch komponiert.
"Nun kommt der Heiden Heiland" ist nicht unter Advent einzuordnen. Steht in unserem Gesangbuch unter der Rubrik Weihnachten.

Also, alle 3 Lieder sind nicht unter Advent einzuordnen. Spielen kann man sie im Konzert auch Ostern, Pfingsten, Tag der Einheit.

Gruß altermann

Nun komm, der Heiden Heiland ist eine Übertragung des Hymnus' "Veni redemptor gentium" und damit das Adventslied schlechthin. Wenn es in deinem Gesangbuch unter Weihnachten steht, schmeiß das Gesangbuch in den Kamin.

"Wachet auf" ist bei den Katholiken ebenfalls ein Adventslied.
 
Wäre die von mir ausgewählte Literatur nicht für den konzertanten, sondern für den liturgischen Einsatz bestimmt, hätte ich bei „Nun freut euch, lieben Christen gemein“ vielleicht doch noch gezögert, obwohl ein Reformationslied im Reformationsjahr nicht grundverkehrt sein dürfte. Aber die letzten anderthalb Seiten sind in der Tat reichlich strapaziös und ich spiele mit dem Gedanken, mir wie der interpretierende Bearbeiter mit Erfolg da gewisse Großzügigkeiten herauszunehmen. Trotz einer Weitgriffigkeiten gewöhnten linken Hand stehen da Aufwand und Resultat nicht so recht im Einklang miteinander...!

LG von Rheinkultur
 
Wenn es in deinem Gesangbuch unter Weihnachten steht, schmeiß das Gesangbuch in den Kamin.

Uff - jetzt hab ich in letzter Sekunde mein Gesangbuch wieder aus dem Ofen gezogen, um einen letzten Blick der Vergewisserung hinein zu werfen: Nun komm, der Heiden Heiland steht unter Advent, wo es im Könglich-Bayrisch-Protestantischen Gesangbuch meiner Oma auch schon stand. Mehr noch: sie geben sogar unumwunden zu, dass Luther es von Ambrosius abgeschrieben hat. Keine Feuerbestattung heute.
 
Uff - jetzt hab ich in letzter Sekunde mein Gesangbuch wieder aus dem Ofen gezogen, um einen letzten Blick der Vergewisserung hinein zu werfen: Nun komm, der Heiden Heiland steht unter Advent, wo es im Könglich-Bayrisch-Protestantischen Gesangbuch meiner Oma auch schon stand. Mehr noch: sie geben sogar unumwunden zu, dass Luther es von Ambrosius abgeschrieben hat. Keine Feuerbestattung heute.

Nehme alle meine früheren Behauptungen zurück. Der Heiden Heiland gehört zu Advent.
Diese unsäglichen Familienfeiern . Bin seit 2 Wochen besoffen :angst::angst:
Gruß altermann
 
Zuletzt bearbeitet:
Lasst uns neuen Streit entfachen.
"Nun freut euch liebe Christen gmein" gehört zu der Rubrik "Rechtfertigung und neues Leben".
 
"Wachet auf" ist bei den Katholiken ebenfalls ein Adventslied.
... steht aber im jetzigen Gesangbuch nicht mehr unter "Advent".

Lasst uns neuen Streit entfachen.
"Nun freut euch liebe Christen gmein" gehört zu der Rubrik "Rechtfertigung und neues Leben".
Ich würde einfach die 6. Strophe spielen ("... er kam zu mir auf Erden / von einer Jungfrau rein und zart..."), dann kann man es noch als Weihnachtslied gelten lassen..
 
Bei Stretta gibt es eine (aus meiner Sicht) bessere Transkription, die auch ohne den merkwürdigen Busoni-Bombast am Ende auskommt.

Es ist so ziemlich genau die Fassung, die Grigory Sokolov hier spielt:


View: https://www.youtube.com/watch?v=7IykgpJ7WCs

Nachtrag: Ich tippe auf die Transkription von Wilhelm Kempff, die dieser auch selbst eingespielt hat. Es kursieren einige weitere Fassungen verschiedener Autoren im Netz, die praktisch identisch mit Kempffs Bearbeitung sind. Inzwischen habe ich mich in diesem Fall gegen Busonis Arrangement mit dem Oktaven-Aufputz bei den Wiederholungen entschieden - nicht nur aufgrund des unverhältnismäßigen Übeaufwands, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass der überladene Klaviersatz klanglich zu weit vom Original entfernt anzusiedeln ist. Das ist so wie mit manchen spätromantischen Orchesterbearbeitungen, bei denen Bach wie ein Bruckner-Spätwerk daherkommt.

LG von Rheinkultur
 
Inzwischen hat sich der Kreis geschlossen. Das seit Wochen komplett ausverkaufte Konzert war ein schöner Erfolg und die nach Einholung Eurer Ideen und Denkanstöße eingefügten Solobeiträge meiner Wenigkeit passten recht gut in das abwechslungsreiche Programm. Die Entscheidung, die eine satztechnisch überfrachtete Busoni-Transkription auszutauschen, erwies sich als absolut richtig - ich hätte mir keinen Gefallen getan, wenn ich @micks Einwand ignoriert hätte. Ich werde mir also auch künftig gerne die eine oder andere Zweitmeinung zu Gemüte führen, wenn ich bei der Programmgestaltung oder Werkauswahl auf dem Schlauch stehe. Vielen Dank und weiterhin schöne Weihnachten.

LG von Rheinkultur
 

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