Von Hammerstielen und ihrer Verwandtschaft mit unseren Zähnen

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15. Dez. 2009
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Hallo, liebe Leute.

Kürzlich standen im Rahmen einer Überarbeitung die Hämmer eines Flügels zur Neubefilzung an. Der Sub-A-Hammer war gebrochen; ich hatte ihn bereits durch einen passenden anderen in Topzustand ersetzt, nahm aber mit den anderen 87 auch das zweiteilige Original mit. Und dachte nun: hier gibt es nichts zu verlieren, hier kann ich experimentieren.
Der Hammerstiel war an einer Stelle gebrochen, wo er zuvor schon einmal gebrochen und dann verleimt war. Aber leider war die Verleimung, trotz eines ideal schrägen und wunderbar zackenreich reliefierten Bruches, sehr suboptimal, nicht richtig auf Stoß. Kein Wunder, dass das der nächsten Belastung nicht standhielt.
Aber immerhin: Die Bruchstelle war etwa einen Zentimeter diesseits des Hammerkopfes. Also schickte ich mich an, das nochmal zu reparieren, und zwar haltbar. Erstmal leimte ich (mit Expressleim) den Stoß wieder passgenau zusammen und wartete bis zur Anfangsfestigkeit ein paar Minuten.
Dann nahm ich zwei Zahnstocher und schnitt mir daraus vier gut 2 cm lange Abschnitte. Sie sollten mir als Schienen dienen. Zwei an der Oberseite und zwei an der Unterseite des Hammerstiels. Diese applizierte ich dann, unter reichlicher Beifügung von Leim, an den gewünschten Stellen.
Zur Fixierung umwickelte ich dann die Bruchstelle mitsamt ihrer Schienen schön straff mit Zahnseide, und dies wiederum unter mehrfacher Beifügung von reichlich Leim. Im durchgetrockneten Zustand wurde daraus eine perfekt stabile Konstruktion, weil die drei Komponenten Zahnstocher, Zahnseide und Leim sich wunderbar gegenseitig unterstützen.
Der Hammer war also wieder voll benutzbar, wenn auch natürlich für das Spielgefühl merklich schwerer als zuvor. Ich war nun gespannt, was man wohl bei Abel mit diesem Hammer machen würde. Aber da, wie ihr euch bestimmt denken könnt, gabs kein Federlesen. Der Kopf wurde abgerupft und auf einen neuen Stiel verpflanzt und dort neu befilzt. Der geschiente Stiel kam nackt wieder zurück. Noch nackter als nackt sogar, denn das Röllchen wurde auch rausgerupft und in den neuen Stiel wieder eingepflanzt.

hstielschienung.jpg


Da fällt mir noch ein: Vor etwa zwei Jahren passierte mir mal buchstäblich beim Abschluss einer Flügelüberarbeitung ein GAU. Beim Einschieben der Mechanik - eine winzige Unachtsamkeit unter sehr beengten Verhältnissen - knackste ein Hammer direkt am Kopf. Aber leider nicht Subkontra-A oder C-5, sondern Klein-D. Grauenhaft. Und stumpf, nicht schräg, und nur wenig reliefiert. Als ich eigentlich gerade nach Hause fahren wollte...
Der Kunde aber kam schon wenige Augenblicke später mit Relikten aus dem Werkzeugbestand seines Vaters, der Zahnarzt war. Hochpräzise superstabile feine Diamantbohrer. Und ich wusste: Ich hab genau einen Versuch. Der Hammer wurde also auf Stoß passgenau aufgeleimt. Und dann (nach minimaler Wartezeit, s. o.) kam die OP. In meine handelsübliche große Bohrmaschine setzte ich den winzigen Diamantbohrer. Dann hielt ich den Hamerstiel in der einen und den eingeschalteten Bohrer in der anderen Hand und bohrte von oben mittig(!) längs in den Stiel hinein einen Kanal, der lang genug war, um einen intakten Zahnstocher-Abschnitt aufzunehmen. Derselbe wurde dann daselbst eingeleimt. Danach waren meine Nerven für etliche Stunden aufgebraucht. Der Hammer hält heute noch...

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Kracks wird Klang
 
Der Kunde aber kam schon wenige Augenblicke später mit Relikten aus dem Werkzeugbestand seines Vaters, der Zahnarzt war. Hochpräzise superstabile feine Diamantbohrer. Und ich wusste: Ich hab genau einen Versuch. Der Hammer wurde also auf Stoß passgenau aufgeleimt. Und dann (nach minimaler Wartezeit, s. o.) kam die OP. In meine handelsübliche große Bohrmaschine setzte ich den winzigen Diamantbohrer. Dann hielt ich den Hamerstiel in der einen und den eingeschalteten Bohrer in der anderen Hand und bohrte von oben mittig(!) längs in den Stiel hinein einen Kanal, der lang genug war, um einen intakten Zahnstocher-Abschnitt aufzunehmen. Derselbe wurde dann daselbst eingeleimt. Danach waren meine Nerven für etliche Stunden aufgebraucht. Der Hammer hält heute noch...
schön, dass der Patient geheilt wurde --- aber ganz ehrlich: hast Du mit Lokalanästesie gearbeitet, oder hast Du Dich dem armen Hammer ohne Betäubung genähert?... :D:D:D
 
Hallo Piano,

irgendwie hast das nicht so richtig dem Kunden verkauft; ruhig bleiben, und dann ganz scheinheilig sagen "oh je, die Hämmerchen machen es aber auch nicht mehr lange" :D :D

Viele Grüße

Styx
 
Tjaaaaaaaa, Styx.... das hätte der mir wohl nicht abgenommen.
Hat mich ja von weither anreisen lassen, nachdem ein regionaler Kollege seine reichlich deregulierte Mechanik mit dem lapidaren Satz kommentierte "ouuuh, da muss Blei rein":roll:;)

Besten Gruß
Martin
 

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