Unterschied: Ein Stück hören oder spielen.

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nils1

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Moin Freunde,

Mir ist in den letzten Tagen eine Sache extrem aufgefallen. Kurz zur Geschichte:

40er hat ja eine Einspielung von Schumanns "Träumerei" hochgeladen. Da ich das Stück natürlich kenne, und 40er in etwa so lange Klavier spielt, wie ich, wollte ich natürlich mal hören, was da so rum kommt.

Ich fand das Stück nun nie besonders reizvoll. Das Interesse, dieses Stück zu spielen, war nicht vorhanden. Mir hat's einfach zu wenig gefallen. Nun, nach dieser Einspielung, dachte ich, versuchs halt mal. Und wie jedesmal, wenn ich die Träumerei höre, dachte ich, "mmh..., das klimperst du mal eben in 10 Minuten zusammen."

Gesagt, getan, curby war so nett, mir den Link zu den Noten zu posten. Und ich setzte mich am Freitag Abend dran. "Hui, hui, hui, mein lieber Herr Gerichtsvollzieher" waren meine ersten Gedanken. "Das mit "mal eben zusammenklimpern", wird ja mal überhaupt nichts!" dachte ich! Und fand mich auf meinem Holzweg wieder.

Nun gut.., schwerer als angenommen. Ich bin nun nach 2 Abenden mit den ersten 8 Takten fertig. "Fertig"

Aber darauf will ich nicht hinaus. Was ich eigentlich so faszinierend finde, ist, die Begeisterung für ein Stück, wenn man sich mit den Noten beschäftigt hat. Wenn man beginnt, die Noten zu lesen, die Details des Stückes zu erarbeiten. Die Melodie in sich aufsaugt, versucht zu verstehen, mit der Phrasierung zu arbeiten.

Woher kommt diese Liebe zu einem Stück, welche man vorher beim bloßen "Hören" nicht empfunden hat? Jetzt, wo ich es spiele, lässt es mich kaum noch los.

Gibt es dafür eine fachliche, oder gerne auch esoterische Erklärung? Habt ihr das auch schon erlebt?
 
Ich gratuliere zu der gewonnenen Erkenntnis. Sie ist zutreffend. Fast jedes zunächst uninteressant erscheinende klassische Stück gewinnt sofort enorm, wenn man sich damit praktisch beschäftigt.

Manchmal hat auch bloßes Mitlesen des Notentextes schon beim Hören eines unbekannten Stückes einen ähnlichen Effekt.

CW
 
Die Träumerei ist, wie die Elise, nicht soooo ganz einfach, wenn mans richtig machen will. Die ersten 8 Takte in kurzer Zeit fertig, das ist nicht schlecht.

Mir gehts so: Auf Vorschlag meines KL spiele ich auch mal Stücke, die mir zuerst nicht besonders gefallen. Sobald ich damit beginne, kommt der sportliche Ehrgeiz, und das "Gefallen" tritt in den Hintergrund. Umgekehrt gehts genauso:Stücke, die ich mag, können mich nach zu langem Üben dann auch irgendwann anöden.

Gruß
Rubato
 
Ich gratuliere zu der gewonnenen Erkenntnis. Sie ist zutreffend. Fast jedes zunächst uninteressant erscheinende klassische Stück gewinnt sofort enorm, wenn man sich damit praktisch beschäftigt.

Manchmal hat auch bloßes Mitlesen des Notentextes schon beim Hören eines unbekannten Stückes einen ähnlichen Effekt.

CW

Naja.., aber die Frage ist, woran es liegt. Was passiert mit unserem Empfinden, wenn wir uns dem Stück näher zuwenden? Und was ist beim bloßen Hören nicht passiert?
 
Naja.., aber die Frage ist, woran es liegt. Was passiert mit unserem Empfinden, wenn wir uns dem Stück näher zuwenden? Und was ist beim bloßen Hören nicht passiert?
Kann ich Dir nicht beantworten. Ich nehme diesen Fakt einfach so hin.

Es ist ja auch mit vielen anderen Dingen so, dass man sie um so mehr zu schätzen weiß, je mehr man sich mit ihnen beschäftigt. Es ist quasi ein mentales Schöntrinken und es funktioniert.

Cw
 
Was passiert mit unserem Empfinden, wenn wir uns dem Stück näher zuwenden? Und was ist beim bloßen Hören nicht passiert?
Der erste Teil beantwortet schon die Frage. Man hört eben nicht richtig.
Erst bei näherer Beschäftigung erkennt man überhaupt erst die Idee dahinter.
Das haben uns glaube ich Kenner/Erfahrene voraus: Sie hören besser, erkennen besser, hören jede einzelne Stimme, Harmonie, Modulation... heraus, die unsereiner erst beim Spielen/Üben entdeckt und sich auch dann erst faszinieren lässt.

Umgekehrt hatte ich den Fall aber auch schon oft. Ein Stück, was mir gefällt, langweilt mich bei näherer Beschäftigung schnell. Beispiele: Titelmelodie von Forest Gump oder was von Yiruma. Da merkt man dann schnell: Hmm, da ist kein bissel mehr als das, was ich eh schon gehört habe. Es gibt nichts zu entdecken. Alles wiederholt sich.

Aber was mich wundert, Nils: Hattest Du ähnliche Erkenntnis nicht schon längst im Rockbereich? Da bist Du doch ein erfahrener Musiker.
 
Erst bei näherer Beschäftigung erkennt man überhaupt erst die Idee dahinter.

Ich denke, damit könnte es zu tun haben. Wenn man sich mit der Idee, mit der Seele des Stücks beschäftigt, wirken Töne möglicherweise zugänglicher. Vielleicht dient die Beschäftigung als eine Art Schlüssel zur Schönheit einer Melodie.


Aber was mich wundert, Nils: Hattest Du ähnliche Erkenntnis nicht schon längst im Rockbereich? Da bist Du doch ein erfahrener Musiker.

Ne, wirklich nie. Ich habe allerdings fast keine Songs von anderen Bands gespielt. Eigentlich immer nur Songs der eigenen Band.
 
Mir ist es bisher noch nie so gegangen (kann aber noch kommen, ich bin ja erst seit zwei Jahren dabei). Ich bin bei Musik ziemlich emotional. Wenn ich ein Stück nicht leiden kann, dann mag ich es wirklich nicht hören. Dann ist beim Üben jeder Takt eine Qual. Das hat zur Folge, dass ich dann weniger übe und schlechter übe als sonst - deshalb habe ich es inzwischen aufgegeben, Stücke zu üben, die mir nicht gefallen.
 
@Nils, zum Startpost: ich denke, da spielt vieles mit rein. Wenn man ein Stück „reizlos“ gespielt hört, ist die Gefahr groß, daß man’s nicht mag. Man überträgt u.U. das Gehörte (die Interpretation) unterbewußt auf die Komposition, und das ist dann verkehrt.

Spielt man etwas aber selber, dann musiziert, experimentiert man eben auch – und allein das macht schon Spaß und bringt Freude.

Wenn, wie Peter schon andeutete, ein Stück „gehaltvoll“ ist (man könnte vielleicht auch sagen: eine hohe musikalische Qualität hat), dann kann man auch gestalterisch mit dem Stück spielen und experimentieren, viel darin entdecken.

Schönen Gruß.
 

Nils, du gibst die Antwort schon selber: Man beschäftigt sich näher damit. Ist es nicht bei ganz vielen Dingen so, dass sie immer spannender werden, je näher man sich damit beschäftigt, weil plötzlich Zusammenhänge und Ideen klar werden?
Ich vergleiche das oft mit Wein. Trauben auspressen, 10 Jahre stehen lassen, dann trinken - klingt nicht so traumhaft, oder?

So ganz bin ich auch noch nicht hinter diesen Effekt gekommen, der mir auch bekannt ist. Es gibt ihn auch auf die umgekehrte Weise. Irgendwelche primitiven Stücke, die beim ersten Mal hören toll klingen, sich aber bei näherem Hinsehen als leere Hüllen entpuppen.

Kann es das nicht auch manchmal mit Menschen geben? Stille Wässer, die langweilig aussehen, aber wenn man sie näher kennenlernt sich als ungemein interessante Gesprächspartner herausstellen?

Bei Musik kann es natürlich auch an anderem liegen. Vielleicht hat die gehörte Interpretation einfach nicht gefallen, oder man hat wegen der Aufnahmequalität oder -art nicht alles gehört, was einem zum Verständnis und Gefallen des Stückes genützt hätte.
Beim Spielen: Manche Stücke sind so komponiert, dass allein das motorische Spielen so viel Vergnügen bereitet, dass man sie gerne spielt (Bach, manchmal Mozart z.B.).

Und natürlich ist es immer ein Höheres, Musik selbst zu machen im Gegensatz zum Zuhören. Überhaupt ist ein Tun oft interessanter als ein Beobachten.
Ich würde mir nie ein Billiard-Spiel im Fernsehn angucken, spielen würde ichs schon... :D
 
Man muss das Hören üben. Ein Stück, mit dem man nicht viel anfangen kann, gewinnt manchmal ebenso, wenn man es eben oft hört.
Üben ist natürlich ganz besonders intensiv... es ist vielleicht wie eine Sprache, die man noch nicht so gut kann. Wenn man mit Spanisch auf A1 Niveau ist und dann anfängt, spanisches Radio zu hören, dann wird man vermutlich keinen großartigen Genuss daraus ziehen, selbst wenn ein höchst inspirierender Text vorgelesen wird. Sobald wir uns aber mit diesem Text beschäftigen und beginnen, ihn zu verstehen.....

Meines Wissens gibt es auch Forschung in die Richtung und es gibt auch Kurven, die zeigen, dass "kompliziertere" Musik je nach Vorkenntnissen zunächst nicht so sehr als emotional ansprechend empfunden wird, nach häufigem Hören dagegen oft sogar einen Gänsehauteffekt erzielt, während "simple" Musik (wie die gängige Popmusik) ihren emotionalen Höhepunkt recht früh erreicht und später schnell als langweilig empfunden wird.

Macht Sinn, oder?...
 
Nun gut.., schwerer als angenommen. Ich bin nun nach 2 Abenden mit den ersten 8 Takten fertig. ......

Hallo Nils,
Herzliche Gratulation zu deinem Fortschritt, in 2 Abenden als Anfänger 8 Takte von Schumanns Träumerei und dies als fertig abgehakt? Respekt, da hast du immerhin 1/3 bereits geschafft. 40er arbeitete an dem Stück zweieinhalb Monate … so unterschiedlich sind die Talente. Oder verstehst du unter "fertig" was anderes als ich?

LG Antoine
 
Hallo Nils,
Herzliche Gratulation zu deinem Fortschritt, in 2 Abenden als Anfänger 8 Takte von Schumanns Träumerei und dies als fertig abgehakt? Respekt, da hast du immerhin 1/3 bereits geschafft. 40er arbeitete an dem Stück zweieinhalb Monate … so unterschiedlich sind die Talente. Oder verstehst du unter "fertig" was anderes als ich?

LG Antoine

Hi Antoine,

"Fertig" heißt in diesem Fall, dass nur noch Arbeiten an der Betonung folgen. Diese möchte ich allerdings nicht unterschätzen.
 
"Fertig" heißt in diesem Fall, dass nur noch Arbeiten an der Betonung folgen.
bist du sicher, dass du alle Tonlängen allein in den ersten beiden Takten exakt so ausführen kannst, wie sie notiert sind? (schau mal nach den Pausenzeichen)
((es gibt bei imslp eine Ausgabe mit Fingersätzen von Leopold Godowski - empfehlenswert, wenn man den Notentext wirklich realisieren will))
 
Was ich eigentlich so faszinierend finde, ist, die Begeisterung für ein Stück, wenn man sich mit den Noten beschäftigt hat. Wenn man beginnt, die Noten zu lesen, die Details des Stückes zu erarbeiten. Die Melodie in sich aufsaugt, versucht zu verstehen, mit der Phrasierung zu arbeiten.

Woher kommt diese Liebe zu einem Stück, welche man vorher beim bloßen "Hören" nicht empfunden hat? Jetzt, wo ich es spiele, lässt es mich kaum noch los.

Kannst ja mal berichten, ob dieser Effekt auch beim Spielen der Klavierversion eines Helene-Fischer-Songs eintritt!
 
bist du sicher, dass du alle Tonlängen allein in den ersten beiden Takten exakt so ausführen kannst, wie sie notiert sind? (schau mal nach den Pausenzeichen)
((es gibt bei imslp eine Ausgabe mit Fingersätzen von Leopold Godowski - empfehlenswert, wenn man den Notentext wirklich realisieren will))

Wie böse: macht das der olle Horowitz etwa auch nicht ?

Oder diese hier ??

Oder andere???

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