Tonleitern zur objektiven Messung des Fortschritts?

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Marlene

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In einer älteren PianoNews habe ich im Artikel „Es lebe die Tonleiter“ einer Klavierlehrerin folgendes gelesen:

Zitat von Martina Sommerer:
Aber woher kommt der schlechte Ruf dieser Übung? Mögen wir Klavierlehrer am Ende die Tonleitern auch nicht und vermitteln deshalb ein schlechtes Bild? Oder haben wir Angst davor, weil sie eines der wenigen Mittel sind, anhand derer man das Können oder den Fortschritt eines Schülers objektiv messen kann?

Das hervorgehobene verstehe ich nicht. Ist das Vorspielen und der dabei erzeugte Klang nicht ein noch wichtigeres Mittel, um Fortschritte der Schüler erkennen zu können? Wieso sind es – Sommerers Meinung zufolge - die Tonleitern?
 
Die Klavierlehrerin meint also erstens, dass Tonleitern sowieso geeignet sind, den Fortschritt und das Können eines Schülers festzustellen und meint zweitens, dass es auch eines der wenigen Mittel dazu überhaupt ist.

Ich würde sie kontaktieren und freundlich um eine Erläuterung bitten.

CW
 
In gewisser Weise lässt sich mit Tonleitern schon ein gewisser Fortschritt feststellen - ich erinnere mich gut daran, wie schwer für mich der "Daumenuntersatz" bei F-Dur gewesen ist und wie hart, eine Tonleiter über 2 Oktaven sauber zu spielen.

2 Jahre später ist nun jegliche Tonleiter überhaupt kein Problem, auch über die ganze Klaviatur nicht, und in denen, in denen ich mich Stückebestimmt gut zu Hause fühle (C,D,G,A), sind auch Transpositionen aus dem Kopf für kürzere Stücke gut möglich :-)
 
Ein guter Sprecher kann auch das Telefonbuch gut und interessant vorlesen.

Ebenso wird eine einfache Dur-Tonleiter bei einem guten Pianisten auch besser klingen, als bei einem Anfänger.
Finde ich gar nicht so übel. Es zählt mehr das Wie, als das Was.

Oder ist es womöglich so gemeint, daß Anfänger wahrscheinlich nur Dur können, dann kommt moll und Profis können dann auch Ungarisch-Zigeuner und was es noch alles an Tonleitern gibt?
 
Das hervorgehobene verstehe ich nicht. Ist das Vorspielen und der dabei erzeugte Klang nicht ein noch wichtigeres Mittel, um Fortschritte der Schüler erkennen zu können? Wieso sind es – Sommerers Meinung zufolge - die Tonleitern?
Den Beitrag hat die Autorin auf ihrer eigenen Homepage verlinkt:
http://martinasommerer.de/2009/10/11/es-lebe-die-tonleiter/

Es gibt gerade in virtuoser Literatur einige besonders oft anzutreffende strukturelle Muster - dazu zählen Tonleitern und gebrochene Akkorde. Selbstverständlich gibt es viele Elemente mehr, deren souveräne Beherrschung einen immer besseren Eindruck vom Leistungsstand vermittelt. Bei fortgeschrittenen Spielern laufen solche technisch-motorischen Spielvorgänge runder und besser kontrolliert ab als bei weniger erfahrenen Kandidaten - so meinte Sommerer es vermutlich. Der schlechte Ruf mechanistischen Übens ("allgemein unbeliebt") hängt sicherlich mit der fragwürdigen Nutzung entsprechender Übungswerke aus dem frühen industriellen Zeitalter (Hanon-Übungen) zusammen, mit denen der Brückenschlag zur anspruchsvollen Literatur nicht überzeugend gelang. Holpriges und unsauberes Skalenspiel lässt so manche schwierige Passage in virtuoser Literatur eher zum Glücksspiel werden als dass die Ergebnisse überzeugen. Stumpfsinniges mechanistisches Pauken fordert die Autorin keineswegs, um damit künstlerische Fortschritte zu erzielen, die sich auf zahlreichen technischen und gestalterischen Ebenen gleichzeitig ergeben sollten.

LG von Rheinkultur
 
Das könnte man so deuten, dass sie die Tonleiter als neutrales, inhaltsloses Medium ansieht, an dem man die Entwicklung von Parametern wie Klangschönheit, Anschlag, Gleichmäßigkeit etc. gut messen kann. Dass aber (fast) ausschließlich die Tonleiter dafür taugen soll ist Blödsinn. Dann würden ja beim Chopin-Wettbewerb ein paar f-moll-Tonleitern ausreichen um den Gewinner zu ermitteln. Es gibt viele wichtige musikalische Eigenschaften, die man an einer Tonleiter nicht ablesen kann - wenn auch viele, die man durchaus bei so einer simplen Übung schon hören kann.
 
Eine KLin, die eine falsch gezeichnete Klaviatur als Logo auf ihrer HP verwendet, würde bei mir Zweifel erwecken.
 
Die Tonleiter der Schlagzeuger sind Paradiddle. Sehr interessant im übrigen! Damit kann man Stunden seines Lebens mit zubringen. Fünf Jahre täglich EINE Stunde. Dann solte man es eigentlich haben. Angeblich bei Reifeprüfung ein Thema. Und ich habe darin mal einen Meister seines Faches gehört, der damit einen ganzen Saal zum Toben gebracht hat! Es war hypnotisch. 20 Minuten Trommelwirbel - mehr nicht! Aber die Schlagzeugwelt besteht nicht nur aus Trommelwirbel, oder?

Und dann die Pflicht beim Eiskunstlauf: Was nutzt es, wenn man in der Pflicht perfekt ist aber dann in der Kür keinen Ausdruck hat? Nichts. Gar nichts. Daher wurde die Pflich auch 2010 abgeschafft.
zB eine der 41 Übung war: eine perfekte ACHT mit zwei gleich großen Bögen 3x hintereinander wobei die Spuren der Kufen möglichst deckungsleich sein sollen. Die Preisrichter lagen zT bäuchlings auf dem Boden um die Spurrillen zu kontrollieren.
siehe HIER: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14020212.html

Sollen wir nun bei Tonleitern ähnlichen Perfektionswahn erreichen wollen? Eine perfekte Tonleiter zu spielen ist klasse, sollte ab einem bestimmten Niveau dazu gehören aber es ist nicht das Maß aller Dinge.
 

Wenn ich eine Tonleiter spiele, erkenne ich den Stand meiner Geläufigkeit deutlicher, einfacher und schneller, als wenn ich ein Stück wie beispielsweise eine Invention spiele. Geläufigkeit bei Tonleitern ist natürlich nur ein Aspekt von vielen in der Technik des Klavierspiels, aber ein wichtiger. Insofern kann ich die Aussage von Martina Sommer nachvollziehen. Musikalität besteht natürlich noch aus vielen weitern Parametern (wie oben erwähnt), weshalb es Schwachsinn wäre, einen Wettbewerb auf Tonleitern zu beschränken; das wäre dann kein musikalischer, sondern ein sportlicher Wettbewerb.
 

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