Stückeauswahl

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29. Mai 2011
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Hallo zusammen,

ich hab jetzt ewig nach nem passenden Threadtitel gesucht, und der ist zwar jetzt nicht sehr aussagekräftig, sorry, aber mir fiel einfach nix Besseres ein.

Und zwar geht es darum, dass ich mich eben mit meinem Freund unterhalten habe über die Auswahl von Stücken und die Erfahrung, die man dabei sammelt.
Er ist der Meinung, man solle auch Stücke üben, die einem nicht so unbedingt zusagen, eben um der Erfahrung willen. Ich halte davon gar nichts. ^^
Wieso soll ich mich für irgendwas zwanghaft öffnen, was ich nicht mag? Da bleibt doch auch die Spielfreude auf der Strecke. Und wer sagt, dass man die Erfahrung, die man mit öden Stücken machen kann, nicht auch mit welchen machen kann, die einem zusagen?
Ich weiss noch genau, wie ich mich damals mit ner Bach Invention rumgeplagt hab. Irgendwann hatte ich das so satt, und ich wüsste nicht, dass ich da was Nennenswertes hab rausziehen können. Dagegen hab ich zB beim Doctor Gradus, obwohl ich nur die ersten 2-3 Takte gespielt hab in einem Schneckentempo, viel mehr über Fingertechnik gelernt, und ich war innerlich dabei vor allem.

Naja, jedenfalls wollt ich gerne mal eure Meinung dazu hören.

LG Annie
 
Liebe Annie,
(...) man solle auch Stücke üben, die einem nicht so unbedingt zusagen, eben um der Erfahrung willen. Ich halte davon gar nichts.(...)
In mich hinein lachend frage ich mich, um welche Erfahrung es denn hier geht. Sicher doch nicht darum, mir beim Üben zu bestätigen, dass ein Stück mir aber so ganz und gar nicht gefällt. Vermutlich ist doch etwas anderes gemeint: ein neues Stück erschließt sich nicht selten erst beim Üben in seiner Vielseitigkeit und Schönheit, sogar oder gerade dann, wenn der Zugang nicht ganz leicht ist.
(...) Wieso soll ich mich für irgendwas zwanghaft öffnen, was ich nicht mag? Da bleibt doch auch die Spielfreude auf der Strecke
(...)
Unter Zwang wirst du sicher keine positive Erfahrung machen - ohne Neugier auf Ungewohntes lohnt der Versuch wohl kaum.
(...) Und wer sagt, dass man die Erfahrung, die man mit öden Stücken machen kann, nicht auch mit welchen machen kann, die einem zusagen? (...)
In wirklich "öde" Stücke würde auch ich keine Energie verschwenden. Bach würde ich persönlich übrigens nicht in diese Kategorie sortieren! Mit dem Erarbeiten von Stücken, die nicht den eigenen Hörgewohnheiten entsprechen, die aber musikalisch viel zu bieten haben, wird man in jedem Fall den eigenen musikalischen Horizont erweitern.

Ich versuch's mal mit einem Vergleich:
Stell dir vor, es möchte dich jemand gerne auf eine Bergtour - zu einem Gipfel - mitnehmen. Du: Ich mag keine Berge, man glotzt im Tal nur vor eine graue Wand, der Berg nimmt mir die Sonne, der Regen bleibt dran hängen, außerdem ist das anstrengend, was soll ich da hochrennen ...
Niemand wird dich zwingen können, du bleibst bei deiner Meinung. Ist jemand in der Position, dich zu zwingen, wirst du wohl kaum Schönes an der Tour entdecken sondern schon mit schlechter Laune starten.
Du wirst dich auf die Bergtour nur dann einlassen, wenn zumindest ein Hauch von Neugier vorhanden ist: Was ist unterwegs zu sehen? Wie fühlt es sich an, am Gipfel anzukommen ...
Und wenn du dich dann aufmachst, freust du dich hoffentlich über die neuen Aussichten, die du unterwegs genießen kannst, über das Gefühl am Gipfel wie am Dach der Welt angekommen zu sein - du hast etwas Neues für dich entdeckt .. . vielleicht stellst du aber auch fest, dass du Höhenangst hast.

Und meine ganz persönliche Haltung zur Stückauswahl: Ich bin neugierig auf Stücke, die nicht nur gefällig sind, die mir schon beim Hören Ungewohntes bieten. Aber wenn ich zu einem Stück auch bei ernsthaftem Üben keinen Zugang finde - auch das gibt es, wenngleich selten - dann wird es zu Seite gelegt. In diesem Punkt stimme ich dir voll und ganz zu: unter Zwang üben bringt nichts und muss bei Hobby-Pianisten wirklich nicht sein!

LG, Dilettantja
 
Hallo Dilettantja,

danke für deine Antwort, ich kann nachvollziehen, was du meinst. Weiss aber nicht, ob sich das mit dem deckt, was ich denke.
Für mich ist es zB immens wichtig, dass ein Stück, ich sag mal, meinen inneren musikalischen Sensor anspricht, ich damit in Resonanz gehe, also ein Gefühl in mir auslöst, damit ich mich damit dann intensiver beschäftigen will. Also das ist Grundvoraussetzung für mich. Eine Bach Invention löst kein solches Gefühl in mir aus, das wirkt einfach starr und wie (sorry) "Stock im Arsch" auf mich.
Besagter Zugang ist für mich beim ersten Reinhören schon vorhanden oder nicht, und wenn nicht, dann leg ich das wieder zu den Akten.
Es wäre ja so, als würd ich versuchen, dich für Musikantenstadl-Musik zu begeistern, du kannst dem aber partout nichts abgewinnen. Da denkst du dir doch auch, mag ich nicht, also weg damit.

So ganz kalt lässt mich das Thema allerdings auch nicht, sonst würd ichs ja hier nicht zur Diskussion stellen. ^^
Also irgendwo hab ich doch das Gefühl, ich verpasse was, keine Ahnung ob ich dem so viel Bedeutung beimessen soll oder nicht...
Bin ich da jetzt unbeweglich, oder einfach selbstbewusst in meinem Geschmack? Im Grunde kann doch keiner aus seiner Haut.

LG Annie
 
Besagter Zugang ist für mich beim ersten Reinhören schon vorhanden oder nicht, und wenn nicht, dann leg ich das wieder zu den Akten.
Nur ein Beispiel: Das ging mir bei einem Tango von Astor Piazolla ähnlich. Der KL hat es mir aufgegeben und ich zwang mich, mich damit zu beschäftigen. Nach einer Woche, technisch hatte ich es halbwegs drauf, arbeitete ich mit dem KL daran. Ich begann es zu verstehen und mittlerweile spiele ich das Stück mehrmals täglich, einfach weil ich es schön finde.
Ein Stück von Satie hingegen verweigert sich, mir sein Schönes zu zeigen.
Den Zugang zu bestimmten Sachen muss man sich erst erarbeiten, ihn suchen und finden, bei anderen klappt´s einfach nicht. Trotzdem finde ich es im Nachhinein gut, das Stück von Satie gelernt zu haben. Erst danach weiß man etwas damit anzufangen oder eben nicht. Musik hören und Musik machen sind in dem Zusammenhang sehr unterschiedlich.
Also irgendwo hab ich doch das Gefühl, ich verpasse was...
Womit Du Dir deine Frage eigentlich schon selbst beantwortest.

Bin ich da jetzt unbeweglich, oder einfach selbstbewusst in meinem Geschmack?
Ich nenne es bei mir "eingeschränkt". :)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich habe auch schon viele Stücke nur wegen der "Erfahrung" gelernt und muss sagen, dass es nicht geschadet hat. Oft ist es so, dass mir das was mir nicht liegt auch nicht gefällt. Trotzdem bringt es was für die Technik, man lernt neue Klangfarben und vielleicht freundet man sich sogar mit etwas Neuem an. Meinte Taktik ist: Sich ernsthaft damit befassen, damit das Stück schnell beherrscht wird, damit man es schnell wieder weglegen kann... ;)
 

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