Dann bin ich richtig "heiß" auf das Weiterüben, weiß aber auch, dass es ab einem Punkt nichts mehr bringt und ich bis zum nächsten Tag warten muss. Das ist die eigentliche Ungeduld, die mich auch nur am Anfang des Einstudierens befällt, wenn Fingersätze und der gesamte Bewegungsablauf noch quasi im Werden sind. Bin ich mir mehr und mehr sicher, dann kommt auch der Genuss am Üben!
Lieber Klavirus,
ah, dann verstehe ich jetzt deine Ungeduld. :) Hier noch zwei links, die vielleicht interessant sind:
1.
https://www.musikermedizin-leipzig...._Mentales_UEben_Clarino_9_2012.pdf?1516049849
2.
https://books.google.de/books?id=d5V-DAAAQBAJ&pg=PT110&lpg=PT110&dq=christian+pohl+mentales+üben&source=bl&ots=FJ6GnnG-TL&sig=wSfTNFVFw_C4sw1TyvdSBIdjLsE&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwi6k66FjcDcAhVLr6QKHS1tDv4Q6AEwD3oECAQQAQ#v=onepage&q=christian pohl mentales üben&f=false
Ich finde den Artikel von Christian A. Pohl "Mentales Üben" aus "Handbuch Üben" von Ulrich Mahlert sehr interessant und hilfreich, leider online nicht erhältlich. Dort gibt es genaue Hinweise, wie man das mentale Üben in sein Üben integrieren kann. Er unterteilt die praktische mentale Erarbeitung in Phasen:
Erste Übephase: Mentale Texterarbeitung
Zitat:
"Das Ziel dieser Übephase liegt darin, den Notentext so genau wie möglich zu analysieren und so gut wie möglich zu memorieren. Die intensive Textanalyse wird zu einer spannenden Entdeckungsreise, wenn wir uns stets die Frage stellen, was sich der Komponist wohl gedacht haben mag, warum er so und nicht anders komponierte.
Für gewöhnlich beginnen wir eine Textanalyse, indem wir uns einen Überblick über den "Grundriss" des Werkes verschaffen."
Also vom Großen zu den Details. Weiter schreibt er, dass man den Text in überschaubare und musikalisch sinnvolle Abschnitte unterteilt, die man so beschreibt und in unsere Muttersprache transkodiert, dass jemand,
der den Text nicht kennt, ihn allein durch unsere Worte rekonstruieren könnte." (Zitat)
Dabei meint er nicht eine 1:1-Beschreibung (jetzt kommt ein c, dann ein e, dann ein g, erst eine halbe Note ....) - das wären viel zu viele Informationen, die man sich schlecht merken kann -, sondern er zeigt zum einen den Weg der
systematischen Beschreibung, der den größeren Zusammenhang beschreibt und zum anderen die
strukturelle Reduktion, der die Reduktion des Textes auf einfache, leicht zu beschreibende Strukturen beschreibt, die dann Schritt für Schritt in den Originaltext zurück entwickelt werden. Pohl schreibt: "...,
so erlangen wir ein tieferes Verständnis dafür, aus welchen Elementen er konstruiert ist." (er = der Notentext)
Gerade die Notwendigkeit der verbalen Umsetzung finde ich sehr interessant, denn man denkt immer, dass man bei mentalem Üben still und stumm auf dem Sofa sitzt. :D Durch die Verbalisierung merkt man sich die Strukturen viel besser.
Das bedeutet aber auch, dass man zu mentalem Üben die Fähigkeit zur Analyse, ein einigermaßen vorhandenes Verständnis für die Kompositionsweisen in der Entstehungszeit des Werkes und eine ungefähre Klangvorstellung beim Lesen eines Notentextes haben muss.
Wer jetzt einen Schreck kriegt: man kann auch im Kleinen mentales Training einsetzen. Sich mal gemütlich aufs Sofa zu setzen mit einem Notentext, bevor man auch nur einen Ton gespielt hat, hilft, sich einen Überblick zu verschaffen. Wo gibt es Ähnlichkeiten/Gleiches, erkenne ich ein Thema, gibt es eine Melodie, in welcher Tonart steht das Stück .... . Ich kann mir dieses Thema genauer anschauen und versuchen, seine Struktur und seinen Aufbau zu erkennen und zu verbalisieren. Ich versuche, es mir klanglich vorzustellen (ganz Tapfere singen :D) und vielleicht auswendig zu lernen. Dann spiele ich es auswendig, nehme mir anschließend die Noten hinzu und schaue, ob es stimmte. Ich überprüfe das, was ich mir vorgestellt habe mit dem, was ich spiele und verbessere ggf. meine Klangvorstellung.
Bei Stücken, die ich schon kann, kann ich mal einfach eine Phrase zwischendurch nicht spielen, sondern mir nur vorstellen und bei der nächsten Phrase wieder einsetzen. Es gibt viele Möglichkeiten und der eigenen Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Jeder so, wie es für ihn nützlich und stimmig ist. Aber ein Anfang kann der Beginn einer lebenslangen Freundschaft sein. :D
Liebe Grüße
chiarina