Oxymora in der Musik

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In der Sprache kennt man das Oxymoron zur Genüge:
Weniger ist mehr, eile mit Weile (festina lente), stummer Schrei, alter Knabe, offenes Geheimnis, vorläufiges Endergebnis, schwarze Milch, „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke“ (Orwell, "1984"), "Das Leben ist scheißeschön", traurigfroh, ...

Wie ist das in der Musik? Gibt es dort auch solche Gegensätze? Prominente Beispiele?
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht wäre der Schluss des 11. Prélude aus dem ersten Buch von Debussy 'Puck' ein Beispiel:
Schnelle aufschießende Passage 'rapide et fuyant' ABER diminuendo!
 
Lieber ehenkes,

rhetorische Mittel gibt es in der Musik natürlich zu Genüge, gerade auch in der Affektenlehre des Barock: http://www.musikundtheorie.de/pdf/mth/FigurenlexikonMitBsp.pdf und http://www.ulmer-kantorei.de/Kritiken/2009_Bach_MP_Duellmann_Figurentabelle.pdf .

Daraus wäre vielleicht die Noema vergleichbar mit einem Oxymoron: Noema.PNG

Aber mit dem Oxymoron tue ich mich schwer. Kontraste und Gegensätze gibt es ja jede Menge in Musik und seien es nur kontrastierende Themen in Sonaten, aber sie schließen sich nicht aus. In der Winterreise wird das Wort-Ton-Verhältnis im Lied "Täuschung" durch die fast heitere Musik sehr abgründig konterkariert, dadurch aber wiederum genau getroffen:

http://www.gopera.com/winterreise/songs/cycle.mv?song=19

View: https://www.youtube.com/watch?v=29LRFonIlSs


Hm, vielleicht hat @mick noch eine Idee? :003:

Liebe Grüße

chiarina
 
Im weiteren Sinne kann man die seit Beethoven zu beobachtende Situation hier einreihen, dicke Akkorde, die eigentlich nach forte aussehen pianissimo spielen zu lassen!?

Bei Liedern und Opern ist durch den Text eine ganz andere Situation gegeben!
 
Schumann g-moll-Sonate op.22, 1. Satz: So schnell wie möglich - (gegen Ende) schneller - noch schneller
 

Die nicht so seltene Bezeichnung dolce espressivo ist eigentlich schon ein Oxymoron.

Oder in Smetanas "Moldau" die Bauernhochzeit: L'istesso tempo ma moderato
 
Aber mit dem Oxymoron tue ich mich schwer.

Ich mich auch, denn die klasissche Definition des O. »syntaktische Verbindung widersprechender Begriffe zu einer Einheit« (Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik §807) erfordert offenkundig, dass eine der beiden verwendeten Techniken, syntaktische Kollokation und semantische Inkompatibilität, lexikalisch ist. Darum sind bezeichenderweise einige der oben vorgebrachten Beispiele ja auch nicht musikalische, sondern Beschreibungen von Musik (»dolce espressivo«).


Das Oxymoron in der Musik kann es also eigentlich nur als Metapher (übertragene Verwendung eines rhetorischen Terminus) geben. Nur in der Vokalmusik kann ein literarisch-musikalisches Oxymoron entstehen, wenn der Text im Konflikt mit dem tradierten Ethos eines musikalischen Ausdrucks steht *)

Das da übrigens

So schnell wie möglich - (gegen Ende) schneller - noch schneller

wäre in klassischer rhetorischer Terminologie eher ein Adynaton.



*) Was übrigens nicht nur ein Kunstmittel ist, sondern auch in sub-
literarischen Gattungen beobachtbar ist: Mir fällt da spontan ein, wie wir als
Rekruten unseren Unteroffizier geärgert haben, indem wir das zackig-martialische "Panzerlied" auf die »schmusige« Melodie von "Ihr Kinderlein kommet" gesungen haben. Der Kerl wußte natürlich nicht, was ein Oxymoron ist, aber er hat den semantischen Konflikt natürlich gewittert und ebenso dessen derisive Intention.
 
Zuletzt bearbeitet:
Heimlich? Ich habe hier schon öfters beichten müssen, dass ich nicht beim Tippen auf den Bildschirm schauen kann, weil meine Glotzer das nicht aushalten, und daher im Nachtrab allen Tippsalat beseitigen muss. Aber übernächste Woche habe ich OP, und wenn die dotoressa Wunder tut, werde ich danach vielleicht auch deinen kritischen Ansprüchen gewachsen sein.
 

Das hört sich nicht gut an.

Aber übernächste Woche habe ich OP, und wenn die dotoressa Wunder tut, werde ich danach vielleicht auch deinen kritischen Ansprüchen gewachsen sein.

Na, da wünsche ich der dotoressa viel Erfolg bei ihren Wundertaten. Nicht nur wegen unserer Ansprüche hier.
 
Ich finde interessant, dass 5% der Menschen diese Säuglings-Fähigkeit noch im Erwachsenenalter aufzeigen.
Ich bezweifle, dass diese Zahl stimmt. Es gibt auch Zahlen, die deutlich größer oder kleiner sind. Die Frage ist, was man genau misst und was schon als Synästhesie zählt. Muss es so etwas krasses sein wie Farben schmecken oder Töne sehen? Ich vermute, dass ganz viele Menschen gewisse Sinnesempfindungen haben, die darunter fallen. Sie sind aber so daran gewöhnt, dass es ihnen auch bei genauerem Überlegen gar nicht auffällt; erst, wenn man gezielt fragt.

Die Sprache ist voll von synästhetischen Metaphern. Kann das Zufall sein?
 

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