Musikabitur mit Behinderung

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nuvole bianche

Guest
Hallo zusammen :)

Ich hätte da mal eine Frage an Euch:
Undzwar möchte ich nächstes Jahr gerne in Musik ins Abitur gehen (Baden-Württemberg). Da haben wir dann im Januar die sog. Fachpraktische Prüfung, in der wir zwei selbstgewählte Stücke vorspielen müssen (da habe ich die d-moll Fantasie von Mozart und Giorni Dispari von Ludovico Einaudi im Sinn...) und von unserem Lehrer bekommen wir Anfang Dezember noch ein Pflichtstück zugeteilt.
Jetzt meine Frage: Ich war bisher davon ausgegangen, dass die Möglichkeit besteht, eine andere Bewertung zu beantragen (Ich habe eine angeborene Behinderung, die beide Hände betrifft... die Spannweite ist dadurch sehr klein (maximal große Sexte/ mit Ach und Krach die Septime) und außerdem sind vor allem der vierte und fünfte Finger verkrümmt.)
Heute allerdings erfahre ich von meinem Musiklehrer: Ich habe mir ja freiwillig ausgesucht, in diesem Fach Abitur zu machen, und deshalb kann man da beim Vorspiel offiziell keine Rücksicht drauf nehmen. Wenn ich mich dazu entscheide, muss ich quasi schon selber wissen, ob ich dem gewachsen bin oder nicht.
Kennt sich von Euch jemand vielleicht mit solchen Regelungen aus oder kennt jemanden, dem es ähnlich ging? Meine KL war eigentlich immer von der Existenz einer solchen Bestimmung überzeugt...

Ich weiß ehrlich gesagt noch gar nicht, was ich davon halten soll. Natürlich kann man sagen : Du hättest ja nicht ins Abi gehen müssen. Aber ich mache Musik nunmal sehr gerne :D und außerdem gibt es für behinderte Sportler (die ja auch keiner zum Sport zwingt) ja auch z.B. Paralympics.... Freiwilligkeit kann die Einschränkungen nunmal nicht kompensieren :cool:
Was haltet ihr davon? Fändet ihr eine angepasste Bewertung irgendwie unfair für die anderen? Ich finde eigentlich, eine Behinderung sollte niemanden insofern von seinem Wunschfach abhalten, als er deswegen eine schlechtere Note befürchten muss
 
Im Rahmen der Gleichbehandlung sollten Boni nur erteilt werden, wenn es wirklich unumgänglich ist. Du hingegen kannst doch dein Abitur so ablegen, dass deine Behinderung überhaupt keine Rolle spielt, nämlich indem du geeignete Fächerkombinationen wählst. Warum also eine Extrawurst?
Der Vergleich mit den Paralympics geht fehl, die Teilnahme dort ist reines Privatvergnügen. Ein Abitur hingegen ist eine staatliche Prüfung in der Verantwortung der einzelnen Bundesländer.
 
Im Rahmen der Gleichbehandlung sollten Boni nur erteilt werden, wenn es wirklich unumgänglich ist. Du hingegen kannst doch dein Abitur so ablegen, dass deine Behinderung überhaupt keine Rolle spielt, nämlich indem du geeignete Fächerkombinationen wählst. Warum also eine Extrawurst?
Der Vergleich mit den Paralympics geht fehl, die Teilnahme dort ist reines Privatvergnügen. Ein Abitur hingegen ist eine staatliche Prüfung in der Verantwortung der einzelnen Bundesländer.
Gleichbehandlung bei gleichen Bedingungen sind ja in Ordnung, aber so?

Wir hatten in unserem Abiturjahrgang einen Legastheniker, der Deutsch mit ins Abitur genommen hat (4. Fach - mündlich).. Da gab es in puncto Rechtschreibung immer Sonderregelungen. In Sport wird immer zwischen den Geschlechtern unterschieden - warum also in diesem Fall keine besondere Regelung?

Wo bleibt denn die "freie" Wahl, wenn eine unfreiwillige Behinderung das Wunschfach aus solchen Gründen beschränkt?

Meine Meinung als vollkommener Klavieranfänger aber Verfechter grenzenloser Gerechtigkeit.
 
Wo bleibt denn die "freie" Wahl, wenn eine unfreiwillige Behinderung das Wunschfach aus solchen Gründen beschränkt?

Meine Meinung als vollkommener Klavieranfänger aber Verfechter grenzenloser Gerechtigkeit.

Das Leben ist ungerecht, aber nuvole bianche hat zumindest die Chance ihr Abitur zu machen. Es gibt genug Leute, die (unfreiwillig!) intellektuell eingeschränkt sind - die bekommen auch keine leichteren Matheprüfungen, um ihre Defizite zu kompensieren.

Chancengleichheit ist gut und schön, aber halt ein bisserl illusorisch.

LG, PP
 
Wie stark ist denn nun tatsächlich die Prüfungsleistung durch die Behinderung beeinträchtigt?

1. gibt's doch wohl neben der fachpraktischen Prüfung auch einen musikwissenschaftlichen o.ä. Prüfungsbestandteil
2. wird beim praktischen Spiel ja auch Interpretation usw. beurteilt, was über die rein manuelle Präsentation hinausgeht
3. sind zwei Stücke von Dir ausgesucht, wohl so, dass Du sie trotz Deiner Behinderung meistern kannst
4. beim fremdbestimmten Stück würde ich ganz dreist die Passagen, die nicht gehen, modifizieren und, falls erforderlich, auf die Notwendigkeit dieser "Überarbeitung" hinweisen. Wenn sie gut gelungen ist (KL! ;-) ) wäre das ja noch eine zusätzliche musikalische Leistung...

Als Stotterer kann ich Deinen Wunsch nach einer Sonderregelung verstehen: ich hatte in Schule und Uni Riesenbammel vor den zu haltenden Vorträgen. Aber mir wurde keiner erlassen und am Ende bin ich froh drüber - ich habe alles trotz meiner "Behinderung" geschafft und nicht weil mir eine offizielle Extrawurst gebraten werden musste.

In diesem Sinne: Viel Erfolg und Toitoitoi!
Stuemperle
 
Hey :)
Danke für Eure Antworten!

Mal so vorneweg: Zur fachpraktischen Prüfung kommt noch Gehörbildung, Tonsatz und Analyse vom Pflichtstück hinzu und das ganze wird außerdem mit einer schriftlichen Klausur verrechnet. Da kann man dann schon einiges ausgleichen.
Und ich will mich ja weder um das Vorspiel drücken noch behaupten, ein von mir interpretiertes Hänschen Klein wäre als gleichwertig zu der von einem Kameraden vorgetragenen Beethovensonate anzusehen:
Der einzige Punkt ist der, den Stuemperle angesprochen hat: die eventuell nötige Abwandlung bestimmter Passagen (Die Ignoranz, mit der mein Lehrer das Stück aussucht, ohne meine KL zu fragen :idea:- die ja jetzt schon 6 Jahre mit mir arbeitet und den passenden Schwierigkeitsgrad besser beurteilen könnte- steht wieder auf einem anderen Blatt)

Aber unabhängig vom Pflichtstück und der Bewertung- Es ist ein schönes Fach, ein netter Kurs und Spaß macht das Klavierspielen so oder so. Deshalb bin ich froh, da Abitur zu machen und freu mich eigentlich sogar drauf!
Mal sehen, wie´s dann so läuft:D

:keyboard: LG
nuvole
 
Hallo nuvole bianche,

warum spielst du nicht einfach Stücke, wo es auf andere Dinge ankommt als auf die Spannweite? Zum Beispiel polyphone Musik.
Ich habe auch nicht besonders große Hände, und muss manches arpeggieren. Und das tu ich auch, wenn es denn nicht anders geht.

Ich denke, wenn man ein Handicap hat, dann sollte man versuchen, anders zu punkten.
Ich denke, wenn dein Lehrer fair ist, wird er eh deine Bemühungen wohlwollend beurteilen, wenn es um die Spannweite der Hand geht.

Ein bissel kann ich deinen Lehrer auch verstehen, denn:
Wie soll er Dir einen Bonus einräumen? Pauschal drei Punkte besser? Und wie sollen die anderen das finden?

WEnn es allerdings vorgeschrieben wäre, einen großgriffigen Rach zu spielen oder einen Brahms mit großen Griffen, dann wäre dein Einwand durchaus berechtigt, finde ich.

Besser meiner Meinung nach: das Problem umgehen.
Es gibt auch bekannte Musiker, die ein Handicap haben. Zum Beispiel eine nahezu taube Schlagzeugerin Evelyn Glennie: How to listen to music with your whole body - YouTube und den bakannten Pianisten Michel Petrucciani Stephane Grappelli & Michel Petrucciani - Misty - YouTube

Und sie sind trotzdem fähig, sagenhaft Musik zu machen!
 
Im Rahmen der Gleichbehandlung sollten Boni nur erteilt werden, wenn es wirklich unumgänglich ist. Du hingegen kannst doch dein Abitur so ablegen, dass deine Behinderung überhaupt keine Rolle spielt, nämlich indem du geeignete Fächerkombinationen wählst. Warum also eine Extrawurst?
Der Vergleich mit den Paralympics geht fehl, die Teilnahme dort ist reines Privatvergnügen. Ein Abitur hingegen ist eine staatliche Prüfung in der Verantwortung der einzelnen Bundesländer.
So ein Quark. Nach Deiner Argumentation ist das Abitur auch Privatvergnügen, es zwingt einen ja keiner Abitur zu machen.
Ich hatte während meines Sportstudiums mehrere körperlich behinderte Kommilitonen, selbstverständlich wurde auf deren Behinderung Rücksicht genommen. Oder hätten die nach Deiner Auffassung wegen ihrer Behinderung gar nicht Sport studieren dürfen?

@nuvole bianche: Selbstverständlich sollst Du mit Deiner Behinderung jede Fächerkombination wählen können, ohne dass Dir durch Deine Behinderung ein Nachteil entsteht.
Dafür haben wir ein Gesetz, das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Am besten ausdrucken, §1 markieren und Deinem Lehrer unter die Nase halten. Wenn das nicht hilft zum Stufenleiter oder gleich zum Direktor gehen. Wäre ja noch schöner!
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/agg/gesamt.pdf
 
megahoschi,

welcher Passus des AGG soll deiner Auffassung nach denn auf den in Rede stehenden Sachverhalt anwendbar sein?
 

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