Menuett Grünewald analysieren

Robert M.

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Ich habe versucht, mein aktuelles Stück zu verstehen und habe Fragen dazu.

In Takt 10 bis 13 (die ersten vier des zweiten Teils), da taucht Cis auf. Ist das eine Modulation nach D-Dur? Sagt man das so? Da taucht auch A-Dur auf, das würde dazu passen als neue Dominante.
Und zurück nach C-Dur im 14. Takt.

Ansonsten sehe ich ein Stück in C-Dur, mit G und F als Dominante und Subdom.

H vermindert im 3. Takt als hinteren Teil von G7 (ohne G quasi), also als Stellvertreter der Dominante. Richtig?

Im 7. Takt D7 als Doppeldominante?

Im vorletzten Takt d moll als Subdom.parallele?

Ende auf der Tonika über CGF auf CGE. Hat das eine spezielle Bezeichnung?

Ist das richtig so?
 

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Vielen Dank!

Ich habe das kurz gegoogelt. Ausweichung, weil nicht durch Kadenz gefestigt?

Wozu macht man das? Das habe ich mich schon bei mehreren Stücken gefragt. Also wozu eine Modulation oder Ausweichung stattfindet.
 
Eine G-Dur-Kadenz haben wir ja in Takt 7 und 8, nur geht es nach der 1. Klammer sofort wieder in C-Dur weiter.

Und wozu? Wär ja sonst langweilig.
 
Warum nimmt ein Maler nicht für jedes Bild immer eine einheitliche Farbe und malt das eine Bild nur in Blau, das andere nur in Grün? Warum nimmt er hier mal ein bißchen Gelb und da mal ein bißchen Violett dazu?
Warum schreibt ein Komponist nicht das komplette Stück strikt in C-Dur, sondern weicht hier mal nach G-Dur, da mal nach d-moll aus?
 
So habe ich das noch nie gesehen. :idee:
Danke.

Und die Tonart, in die ausgewichen wird, gibt's dafür Regeln/Richtlinien? Hier ist es die Doppeldominante. Ist das wie in der Farbenlehre? Prinzipiell geht alles, aber einiges wirkt harmonischer?
 
Nein, die Domina. Später, nach dem Doppelstrich noch mal die zweite Stufe.

Vor allem Tonarten, deren Grundton in der Ausgangstonleiter liegt.

Prinzipiell geht alles, aber einiges wirkt harmonischer?
Ja, je näher die Tonart im Quintenzirkel liegt, desto unauffälliger die Ausweichung. Ebenso ist der Weg nach Dur unauffälliger als der nach Moll.
 
Und die Tonart, in die ausgewichen wird, gibt's dafür Regeln/Richtlinien?
Ich würde es weder "Regeln" noch "Richtlinien" nennen. Vielleicht eher "bewährte Standards". Bei einem 16-taktigen Menuett (oder sonst einem 16-taktigen Tanzsatz) wird gern in die Mitte (T. 7-8) eine Kadenz in die Dominante gesetzt. Steht das Menuett in einer Molltonart, wird statt der Dominante auch gern die Dur-Parallele genommen.
 


domina.gif
 
Zuletzt bearbeitet:

@Pedall: Danke, genau sowas meinte ich.

Gibt es Bücher über Barockmusik, die einen Überblick über diese Standards geben, den auch Anfänger halbwegs verstehen?
 
Ja, das habe ich befürchtet. Ich muss dann wohl mal das Internet durchforsten.
 
Im vorletzten Takt ist es mit d-moll als Sp so eine Sache. Hier vertritt der Akkord klar die S. Um das zu unterstreichen, ist auch das f verdoppelt, würde man tendenziell eher nicht machen. Die Debatte gab es gerade erst in einem anderen Thread. Besser, man spricht von S6 (hochstellen schaffe ich leider nicht), meint S mit Sexte statt Quinte.
 
Im vorletzten Takt ist es mit d-moll als Sp so eine Sache. Hier vertritt der Akkord klar die S. Um das zu unterstreichen, ist auch das f verdoppelt,

Heißt das: man könnte es zwar als Umkehrung des d moll Akkords betrachten, weil aber in Bass und Melodie F auftaucht, ist das ein Hinweis, dass ein F-Akkord gemeint ist, mit Sexte (FAD statt Umkehrung von dfa). Und beides passt/klingt gut als Stellvertreter der Subdom F-Dur.

Danke für den Buchtipp. Edit: die Buchtipps.
 
Das "d-Moll" am Schluss" ist einfach ein Sextakkord der vierten Bassstufe. Sie wirkt kadenzvorbereitend im Kontext des charakteristischen Satzmodells für eine Schlusskadenz in diesem Stil, bei dem der Bass den Stufengang 3-4-5-1 hat. Ob dabei über der vierten Stufe eine Sexte oder eine Quinte steht, ist akzidentiell. Durch die Sexte erhält die Stufe lediglich eine weiterführendere Qualität, weshalb auch oft die Quinte zur Sexte geht (also beides hintereinander).
Die angebliche Entscheidung zwischen "F-Dur" und "d-Moll" in Hinblick auf eine Generalbassharmonik ist bereits eine perspektivenverzerrende Unterstellung.

Zum Kadenzplan: Ja, es gibt Regeln. Da die Zeitgenossen um diese Regeln sehr genau Bescheid wussten, liest man am besten gleich da nach. Z. B. bei Heinichen, C. P. E. Bach (Fantasiekapitel im Versuch), Riepel (von der Tonordnung) etc.
In Durstücken ist die Kadenzfolge in der Regel I-V-VI-I (also C-G-a-C).

Generell: Es kann in alle leitereigenen Stufen kadenziert werden. Also nicht nach D-Dur, sondern in C-Dur nur nach d-Moll. In dem Menuett handelt es sich aber nicht um eine förmliche Kadenz, sondern nur um einen Einschnitt, der in jeder Tonart stattfinden kann. In der zweiten Stufe ist er aber besonders üblich und bildet mit dem Nachfolgenden ein sogenanntes "Fonte"-Modell (nach J. Riepel so benannt, der betont, man müsse es sich merken, so lange man lebt und gesund ist):

https://books.google.de/books?id=CLpCAAAAcAAJ&dq=riepel tonordnung&hl=de&pg=PA44#v=onepage&q&f=false

(nach Nbsp. "3." findet sich die Fonte-Definition)

Also: Einschnitt in der zweiten Stufe (d-Moll) nach gewöhnlich zwei oder vier Takten (hier ist ein Zweier auf vier verlängert), Absatz oder Kadenz nach weiteren zwei oder vier Takten. Formaler Ort: Beginn des zweiten Menuettteils.
 
@rappy: Das habe ich jetzt fünfmal durchgelesen, mit dem Noten verglichen, in den Buchlink reingelesen (vielen Dank, sehr schöne Quelle) und komme zu dem Schluss: Ich verstehe es auf einer Ebene und auf einer anderen merke ich, dass mir sehr, sehr viel Wissen fehlt, um es wirklich zu verstehen. Danke für deine Erklärung!

Irgendwie finde ich keine Bücher, wo man mal anfangen könnte.

Immerhin habe ich begriffen, dass es mindestens die Gebiete Harmonielehre, Formenlehre und Musikgeschichte braucht. Das ist doch theoretisches Wissen, da muss es doch didaktisch gute Bücher geben? :016:

Ich werde weiter suchen.
 
Stilechte Harmonielehre gibt es im Buch von de la Motte.

Ich habe mir das Buch jetzt mal bestellt. Danke für den Tipp.
Von Harmonielehre habe ich noch nie viel verstanden und das wenige, das ich wusste, hab ich leider ebenfalls halb vergessen.

Vier Fragen dazu:
1. Hilft ein Verständnis der Harmonielehre tatsächlich dabei, ein Stück besser zu spielen? (Also taugt es etwas für die Praxis des Klavierspielers?)
2. "Versteht" man das Stück nach harmonischer Analyse besser und was ist da mit "Verstehen" gemeint? (Wenn ich einen Roman interpretiere, habe ich hinterher tatsächlich den Eindruck, den Text besser zu verstehen. Bei der Harmonielehre und einem Musikstück weiß ich irgendwie nicht, was es wirklich hilft. Die Analyse erscheint so kompliziert und der Nutzen erschließt sich mir nicht.)
3. Bei den Rezensionen dieses Buchs von de la Motte habe ich folgende Kritik gefunden:
"Leider stützt er sich auf die Funktionsharmonik, die einfache Verhältnisse häufig verkompliziert, kryptisch und dadurch unangreifbar macht, aber in der Sache häufig wenig Erkenntniswert bietet, z.B. dann, wenn dieselbe harmonische Folge je nach gewähltem (!) tonalen Bezugspunkt sowohl das eine als auch das andere sein kann, oder wenn eine Musiktheorie vor Richard Wagner zusammen bricht und schon ihn (!) beinahe in den atonalen Raum zu stellen bereit ist... ."
https://www.amazon.de/gp/product/342330166X/ref=ppx_yo_dt_b_asin_title_o00_s00?ie=UTF8&psc=1

Was ist damit gemeint?
Gibt es auch eine andere Harmonik als Funktionsharmonik?
Wie ist es zu verstehen, dass "Funktionsharmonik" etwas verkompliziert?
Geht es auch einfacher?

4. Stimmt es, dass Bach die Funktionsharmonik gar nicht kannte?
"Obwohl Bach die Funktionstheorie nicht bekannt war, lassen sich seine Choräle (in Grenzen) mit ihr beschreiben."
https://de.wikipedia.org/wiki/Funktionstheorie

Wie hat Bach denn dann Stücke "analysiert" oder "interpretiert"?


Sorry für die vielen Fragen.
Ich hoffe, es gibt Antworten, die dabei helfen zu verstehen, was es mit der Harmonie-Analyse überhaupt auf sich hat.
 

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