Mechanikfrage

W

Wosch

Dabei seit
1. Dez. 2010
Beiträge
3
Reaktionen
0
Ich habe mal eine (laienhafte) Frage zur Mechanik von Klavieren.

Folgender Sachverhalt:

Ich bastele zur Zeit an einem 70-80-Jahre alten Riese-Klavier rum, welches die Vorbesitzer nicht mehr haben wollten und mir dann schenkten, da es auch nicht mehr spielbar war (Einige Tasten ließen sich gar nicht mehr spielen, bei fast allen war das Repetitionsverhalten fürn ...).

Da ich schon immer ein echtes Klavier haben wollte (habe mein Leben lang, durchaus auch anspruchsvolleres auf einer E-Juchtel geübt, deren Klang ich inzwischen verachte, aber bis heute nie Geld für ein Klavier über gehabt), habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt, mir das Ding flüchtig angeschaut und gesagt: Für umsonst nehm ich das. Ich krieg das schon wieder hin.

Ich kann mir vorstellen, wie es dem einen oder anderen routinierten Klavierbauer bei dem Gedanken innerlich aufschreit. ABER: Ich habe meine Ansprüche bewusst nicht hoch angesetzt. Das Klavier wäre sonst auf den Müll gekommen und wie ich nach ersten Reperaturschritten feststellen kann. Völlig zu unrecht!

Resonanzboden und Besaitung sind in Prinzip top. Befilzung und alles scheint mir auf den ersten Blick schonmal irgendwann komplett erneuert worden zu sein. Teilweise echt noch top!

Das Problem war von Anfang an das Spielwerk.

15 Jahre in einem Keller haben besonders den Metallteilen zugesetzt. Rost. Die Stoßfedern inzwischen schwach. Die Hammenussfedern teilweise kaputt. Teilweise Kraftlos/verbogen. Am Holz oberflächlich und fleckig ein wenig Schimmel.

Nach kompletter Demontage des Spielwerks. Ersatz von Stoßzungen- und Hammerfedern, sowie Erneuerung der Beachsung, wo es wirklich schon schwer ging, Entrostung der Waagebalken-Stifte und Neubefilzung einiger Waagbäcken, Ersatz einiger gerissener Rückholbändchen sowie ein bischen hier und da rumprobieren und kompletter Schimmelkur habe ich die Mechanik, was das Anschlagverhalten, besonders in Bezug auf die Repetitionsfähigkeit der Tasten angeht auf einem Niveau, mit dem ich mich durchaus zufrieden geben würde. (Wie gesagt, ich habe keine Exorbitanten Ansprüche an dieses Experiment).

Aber. Und nun nach langer Vorrede meine Frage:

Besonders die Fähigkeit leise Töne, durch langsamen Tastendruck, zuverlässig zu spielen scheint mir noch immer mangelhaft.

Gibt es in der Spielmechanik spezielle Teile/Achsen, die ich mir in dem Bezug vornehmen sollte, oder resultiert gerade diese Fähigkeit einfach aus der Summe der Leichtgängigkeit aller Komponenten?

Und wie sind tendentiell die diesbezüglichen Erfahrungen bei der Aufarbeitung älterer Klaviere. Ist es überhaupt möglich bei solchen alten, zu Letzt ungespielten und angerosteten Klavieren eine Leichtgängigkeit der leisen Töne zu erreichen ohne quasi den kompletten Corpus auszutauschen?

Oberstes Gebot in meinem Fall ist:
Erhalten von möglichst viel Substanz des Klaviers. Wo es notwendig ist, kann ich aber schon vernünftige Ersatzteile besorgen. Nur das komplette Spiel auszutauschen, dazu bin ich nicht bereit. Da spiel ich lieber auf einer "eingeschränkten" Mechanik.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Besonders die Fähigkeit leise Töne, durch langsamen Tastendruck, zuverlässig zu spielen scheint mir noch immer mangelhaft.
Hallo Wosch,

Nur durch Regulieren kommt man auf ein annehmbares Maß bei langsamen Tastendruck leise Töne zu spielen. Die Auslösung muss da recht Nahe bei den Saiten sein. Bei sehr langsamen Tastendruck will kein Klavier zuverlässig spielen - das ist systembedingt.

LG
Michael
 
Dank euch vielmals für eure Hilfe. Gerade die Anleitung zum Regulieren ist in meinem Fall Gold Wert. Habe mir zwar ein paar Videos im Internet angeschaut, bei denen Klavierbauer ihrer Arbeit (auch dem regulieren) nachgehen, aber wie soll ich sagen. Man kann sich das anschauen, so oft man will. Letztlich bekommt man von diesen Zusammenschnitten keinen Überblick was zu tun ist, und warum. Und gerade das regulieren, scheint mir, nach all den handwerklichen Reparaturen, die ich zunächst angegangen habe, noch eher der anspruchsvollere Teil der Instandsetzung zu sein, der den Unterschied zwischen einem funktionierenden und einem guten Klavier ausmacht.

Ich komme inzwischen, wie ich finde ganz gut voran, was die Regulierung angeht (Ich arbeite sseehhrr langsam, nach Feierabend, bei einem schönen Glas Wein).

Da mir das ganze Projekt viel Freude bereitet (wohl hauptsächlich, da ich es für mich selber mache und täglich kleine Erfolge sehe) und bald Weihnachten ist, wollte ich mal fragen, ob es in der Richtung Klavierreparatur/Bau gute, für Einsteiger geeignete Literatur gibt, die ihr mir empfehlen könntet.

Für eine vernünftige Lehre ist es bei mir fürchte ich schon zu spät :)
 
(Ich arbeite sseehhrr langsam, nach Feierabend, bei einem schönen Glas Wein).

Da mir das ganze Projekt viel Freude bereitet (wohl hauptsächlich, da ich es für mich selber mache und täglich kleine Erfolge sehe) und bald Weihnachten ist, wollte ich mal fragen, ob es in der Richtung Klavierreparatur/Bau gute, für Einsteiger geeignete Literatur gibt, die ihr mir empfehlen könntet.

Das mit dem langsamen Arbeiten bei einem Glas Wein kenne ich gut. :)

Ja, solche Literatur gibt es. Wenn dein Englisch passabel ist, ist das Buch "Piano Servicing, Tuning, and Rebuilding" von Arthur A. Reblitz sehr aufschlussreich. Das verwende ich, im Zusammenhang mit Fragen in diversen Foren wie diesem hier.

Es gibt auch deutsche Texte von Johan-Carl (oder Carl-Johan?) Forss, deren Inhalt ich aber nicht kenne.

Viel Erfolg!

Mark
 
Ja, solche Literatur gibt es. Wenn dein Englisch passabel ist, ist das Buch "Piano Servicing, Tuning, and Rebuilding" von Arthur A. Reblitz sehr aufschlussreich. Das verwende ich, im Zusammenhang mit Fragen in diversen Foren wie diesem hier.

Es gibt auch deutsche Texte von Johan-Carl (oder Carl-Johan?) Forss, deren Inhalt ich aber nicht kenne.
...und im Netz findest Du die Seite von J.Gedan http://www.pian-e-forte.de/texte/index.htm

LG
Michael
 
Es gibt auch deutsche Texte von Johan-Carl (oder Carl-Johan?) Forss, deren Inhalt ich aber nicht kenne.
Carl-Johan Forss: "Piano- und Flügelreparatur" und
Carl-Johan Forss: "Die Regulierung von Piano- und Flügelmechaniken"
reich und gut bebildert, gut erläutert, nicht ganz billig, aber ist ja bald Weihnachten ;-)

Die flauen schwarzweiß-Bilder aus "Piano Servicing, Tuning, and Rebuilding" finde ich manchmal mühsam zu interpretieren.

Schließlich noch: U. Laible: "Fachkunde Klavierbau". Wenn Du schon "zu alt für eine vernünftige Lehre" bist kannst Du dir ja jedenfalls anschauen, was die armen Auszubildenden alles lernen müssen. :p

Auf die Seite von J. Gedan hat Michael dich ja schon hingewiesen. Er selbst hat übrigens hier
https://www.clavio.de/forum/113904-post13.html
auch etwas zur Regulation geschrieben.

Ein gutes Bild mit der Benamsung der Teile findest Du hier:
http://www.sabel-pianos.ch/klaviermechanik.htm

Aber nach allem, was Du, Wosch, schon gemacht hast, bist Du ja wohl nicht mehr ganz unbeleckt...

Bzgl. Spielbarkeit leiser Töne - dass die Auslösung möglichst gering sein sollte, schrieb schon wer. Die von Dir erwähnte "Leichtgängigkeit" scheint mir hier weniger bedeutsam als eine möglichst gleiche und gleichbleibende (Feuchtigkeitsschwankung) Niederdruckschwere, auf die sich der Pianist dann eben "einschießen" muss.

Übrigens erstmal herzlich willkommen im Forum. Wie Du sicher schon gemerkt hast gibt es hier neben anderen Mechanikfreakamateuren auch hilfsbereite Profis für konkrete Fragen. Wenn Dein Holzspielzeug fertig ist - was wirst Du denn dann darauf spielen wollen?

Viel Spass bei deinem Hobby und hier!
Stuemperle
 
Die flauen schwarzweiß-Bilder aus "Piano Servicing, Tuning, and Rebuilding" finde ich manchmal mühsam zu interpretieren.

Ein Meister des Understatements ist unser Stuemperle.:D

Hast recht, die Bilder sind mies - vermutlich direkt aus der ersten Ausgabe übernommen.

Aber man kann es auch positiv sehen: bei einigen Bildern muss man lange suchen, worum es geht - und hat auf diese Weise mehr vom Buch.:cool:

Der Text, dahingegen, ist bis auf ein, zwei kleine Fehler sehr systematisch und klar.

Ciao,
Mark
 
Danke Euch nochmal, für die verschiedenen Literaturhinweise. Ich hab das ganze weitergegeben und denke, dass davon was unter dem Weihnachtsbaum liegen wird.

Da es sich gerade so anbot, wird auch der letzte (vorerst geplante) Teil der Reparatur bis nach Weihnachten warten müssen, denn ich habe mir das eine oder andere nützliche Werkzeug (zu dessen Kauf ich selbst viiel zu geizig bin) gewünscht.

Was die Frage nach dem Was, des Spielens angeht.

Ich bin und bleibe Freund der Beethovensonaten. Wann immer ich sie höre und, umso mehr, wenn ich die Mühe hinter mich bringe sie spielen zu können faszinieren sie mich. Und zwar umso mehr, umso mehr ich mich mit ihnen beschäftige.

Zur Zeit bin ich am Sturm, über dessen dritten Satz wohl kaum etwas zu kommen vermag und dessen Gesamteindruck (mit dem ebenfalls wundervollen ersten Satz), für mich ganz persönlich, höchstens noch von der Pastoralen Op. 28 übertroffen zu werden vermag.

Nur zwei von einer Millionen Gründen lieber auf einem angestaubten mechanischen Klavier, als auf einer E-Juchtel zu spielen.

Dazu als kleine Anekdote:

Als ich die ersten paar Tasten so weit repariert hatte, dass ich mal testen wollte, wie sie inzwischen eigentlich funktionieren baute ich die (fast leere) Mechanik wieder ins Klavier ein und klimperte auf den Tasten rum. Das Klavier war und ist völlig verstimmt und entsprechend hörte sich das Geklimpere an. Daraufhin betrat meine Lebensgefährtin das Zimmer und sagte zu meinem Erstaunen: "Das klingt ja hundertmal besser, als auf dem Anderen."
 

Zurück
Top Bottom