Konzertformen

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Alter Tastendrücker

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31. Aug. 2018
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Ich beobachte zunehmende Dankbarkeit beim Publikum, wenn man etwas zu den Stücken sagt in - kleineren - Konzerten.
Ich bin inzwischen dazu übergegangen etwas kürzere Programme mit recht detaillierten Erläuterungen zu spielen! Auch das scheint attraktiv zu sein!
Wie sind Eure Erfahrungen als SpielerInnen und KonzertgängerInnen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich mache genau die gleichen Erfahrungen! Und mache es auch fast immer so! Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, z.B. die Konzentration auf wenige Stücke, die in einem bestimmten Zusammenhang stehen, den man im Konzert beleuchtet. Oder ein Motto oder Thema, unter dem die Stücke betrachtet werden. Oder nur ein paar persönliche Worte zu jedem Stück. Oder in Kombination mit Gedichten, Literatur, Kunst etc.. Oder dass ein Stück gespielt, dann genau beleuchtet, dann nochmal gespielt wird.

Ich habe bisher nur positive Reaktionen bekommen. Im Übrigen gestalte ich auch meine Schülerkonzerte so, dass die Schüler/Kinder moderieren. Da werden die Stücke z.B. in eine Geschichte eingebettet, die als Schatten-, Puppentheater oder andere szenische Darstellungen dargestellt wird. Oder es gibt ein Motto, unter dem alles steht. U.v.a.m.. Kommt ebenfalls sehr gut an.

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich gehöre zu denen, die zuhören, und kann sagen, dass Erläuterungen vor dem Spiel deutlich zunehmen. Das Publikum reagiert dankbar und freudig. Die Performance ist allerdings unterschiedlich (manche Stimmen dringen kaum durch), und es gibt den Nebeneffekt, dass sich eine klare Erwartungshaltung aufbaut. Vor kurzem beugte sich ein Konzertbesucher neben mir zu seiner Begleiterin und raunte: „Warum erzählt der denn heute gar nichts? Hat der einen schlechten Tag?“

In der Summe halte ich es für eine sehr gute Entwicklung und glaube, dass eine erklärende Einbindung eine gute Möglichkeit ist, Türen für deutlich mehr Besucher aufzumachen. Gleichzeitig frage ich mich, ob so eine Entwicklung ein sinnvolles Mittel gegen Lampenfieber für betroffene Pianist*innen sein kann, oder eher kontraproduktiv ist.
 
Die doppelte Aufgabe Sprechen und Spielen erfordert erhebliche zusätzliche Sicherheit und Konzentration!

Wenn beides gleichzeitig erfolgen soll, dann stimme ich zu, in diesem Fall wird aber erst über ein dem Pianisten wohlbekanntes Thema gesprochen, anschließend gespielt und sofern der Pianist wegen des Vortrages aufgeregt sein sollte, stellt dieses Vorstellen des Stückes eine wunderbare Möglichkeit dar, das überschüssige Adrenalin loszuwerden.

Deshalb wird es auch bei mündlichen Prüfungen oft gehandhabt, dass zunächst ein lockeres Gespräch mit den Prüflingen stattfindet, bevor es zur Sache geht.
 
Eher im Gegenteil! Die doppelte Aufgabe Sprechen und Spielen erfordert erhebliche zusätzliche Sicherheit und Konzentration!
Andererseits aber kürzt das sprechen ggf anstrengendes spielen! So gesehen sind mir "Gesprächskonzerte" lieber als ein kompletter Klavierabend.
Nebenbei: vor Publikum sprechen (Musik erläutern etc) mache ich frei, ohne Text ablesen und im Gegensatz zu einem Klavierabend ohne Lampenfiber. Reden ist weitaus einfacher als spielen :-)

Ärgerlich sind gemischte Programme mit mehreren Beteiligten, denn da muss man mithören und warten, bis man dran ist - das ist die lästigste Form.
 
Da ich selbst vor mir alleine maximal verschämt spiele, kann ich natürlich nur als Konzertgänger meinen Eindruck wiedergeben: Ich drücke zwar noch immer in den meisten klassischen Konzerten den Schnitt, bin aber schon total alt (laut Augenarzt deutlich über 2+ Dioptrien-Alter, das sei normal so), und das Lesen von Programmheften hab ich deshalb vor Jahren schon aufgegeben - ich sag mal, weil die Fonts immer kleiner und unschärfer werden.
Wie die meisten um mich herum, höre auch ich sehr gerne etwas zu den Stücken vorab. Am liebsten wenn man schon im Saal ist, also von der Bühne herunter, nicht lange vorher in einem anderen Raum (so wie das zB in der Düsseldorfer Tonhalle oder im Münchener Opernhaus geschieht, wo es dann ganze Interviews sind). In einigen Konzerthallen wird das inzwischen ja von zB dem Intendanten gemacht, nicht vom Künstler, der kann dann auch noch ein bisschen zum Stand der Dinge im Kulturbetrieb usw erzählen und das gefällt mir auch (sehr schön erlebt hab ich das zB letztes Jahr mal in Hamburg, in der Laeiszhalle)
Wenn Künstler erzählen ist das auch sehr interessant, allerdings passiert es da öfter, dass das nicht laut genug geschieht (nicht verstärkt oder wenig Erfahrung mit Mikro), und manchmal passiert es auch, dass es im Publikum Leute gibt, die es nicht ertragen, wenn sie nichts verstehen und dann zu plärren beginnen. Beim Bonner Beethoven-Fest vor zwei Jahren gabs eine Gruppe Uropas (soll heißen, nochmal 20 Jahre älter als ich), die richtiggehend rabiat wurden, weil es für sie "ZU LEISE!!!!" war und in zwei Konzertsälen hab ich im letzten Jahr erlebt, dass sich ältere Damen (tut mir leid, es waren wirklich ausnahmslos solche) lautstark echauffierten, weil auswärts (Englisch oder ein Französisch-Deutsch-Gemisch) gesprochen wurde. "Was soll das?! KANN DER KEIN DEUTSCH REDEN WIR SIND HIER IN DEUTSCHLAND!". Das gab dann selbstredend Ärger innerhalb des Publikums und kaum jemand konnte dem Künstler noch folgen. Auf sowas würde ich gerne verzichten.
Kann aber der Künstler natürlich wenig für.
 
Ich mag solche Konzerte nicht so besonders - weder auf der Bühne noch im Auditorium.

Zum einen haben in einem Konzert nicht nur die einzelnen Werke einen Spannungsbogen, sondern auch das Programm als Ganzes - zumindest sollte es das aus meiner Sicht haben. Dieser größere Bogen geht leicht verloren, wenn man zwischen den Werken irgendwelche Erklärungen einschiebt oder Anekdoten erzählt. Selbst, wenn das Publikum den Bruch des Bogens gar nicht bewusst mitkriegt - ich als Musiker merke es und ich bin sicher, dass ich schlechter spiele/dirigiere, wenn ich zwischen den einzelnen Programmpunkten aus dem Fluss gebracht werde und etwas völlig anderes machen muss.

Zum anderen finde ich sowas auch als Zuhörer meistens nicht so prickelnd - zumindest dann nicht, wenn das Publikum sehr heterogen ist. Die einen haben nur ganz rudimentäre Vorkenntnisse und kennen nicht mal den Unterschied zwischen Barock und Klassik, die anderen sind vielleicht selbst professionelle Musiker und langweilen sich noch, wenn man die Form eines Sonatensatzes erklärt.

Ich plädiere ganz klar für separate Konzerteinführungen - sowas bieten viele Veranstalter an und man wird als Zuhörer nicht gezwungen, daran teilzunehmen.
 
mitten im Konzert, zwischen den Stücken, finde ich auch nicht schön. Das hat dann was von Nummernrevue und ZDF Hitparade.
 

Andererseits aber kürzt das sprechen ggf anstrengendes spielen! So gesehen sind mir "Gesprächskonzerte" lieber als ein kompletter Klavierabend.

Yep! Aber wenn Du vor einer Gruppe von Musikwissenschaftlern und Pianisten, davon etliche aus Konservatorien und Hochschulen der GUS einen Vortrag mit selbst gespielten Beispielen über Islameij auf Englisch hältst und direkt danach dat Ding konzertmäßig spielst, dann relativiert sich die Erleichterung durch die relative Kürze (etwa 45 Minuten)!
Und davon nur 9 Minuten Klavierspiel!
 
Zuletzt bearbeitet:
Zum einen haben in einem Konzert nicht nur die einzelnen Werke einen Spannungsbogen, sondern auch das Programm als Ganzes - zumindest sollte es das aus meiner Sicht haben. Dieser größere Bogen geht leicht verloren, wenn man zwischen den Werken irgendwelche Erklärungen einschiebt oder Anekdoten erzählt. S

In der Tat! Deshalb muss man Gesprächskonzerte sehr sorgfältig planen und nicht einfach nur improvisiert ein paar freundliche Worte einschieben.
 

Das sieht Igor Levit z.B. ganz anders: http://www.taz.de/!5535241/ , Zitat:

"Vor zweitausend Leuten in der Kölner Philharmonie zu stehen und zu reden, da krieg ich einen Herzkasper und meine Hände zittern von hier bis zum Himmel. Das kann ich nicht jeden Tag machen.

Das ist schwer zu verstehen, weil Sie ja davor vor zweitausend Menschen ein wahnsinnig schwieriges Klavierstück gespielt haben, scheinbar ohne Aufregung.

Das Einzige, was ich habe, das mir niemand nehmen kann, ist meine Stimme. Lieber spiele ich kein Klavier mehr, als dass ich mein Engagement aufgebe. Etwas zu sagen, ist das Intimste von allem. Das mache ich, wenn ich das Gefühl habe, sonst zu platzen."

Wie das jeder empfindet, ist also sehr unterschiedlich - die meisten machen es nicht, weil es durchaus schwierig ist, zu switchen zwischen Spielen und Reden. Ganz besonders vor dem ersten Stück zu reden, ist nicht einfach. Übung macht auch hier den Meister. Eine geschulte Stimme und Sprechweise hat auch nicht jeder. In Rhetorik und Vortrag (wie beginne ich, wie ende ich....), kennt sich auch nicht jeder aus. Wenn man zu zweit ist und sich aufteilt, halbiert das sofort die Gage - auch blöd.

Deshalb ist meine Erfahrung, dass es das eher selten gibt und nicht der Normalfall ist.

Ich bin auch der Meinung, dass Vielfalt das Beste ist. Wenn kein Wort fällt bei einem Klavierabend und ausschließlich Musik erklingt, kann das sehr intensiv und eindrücklich sein!

Ein moderiertes Konzert bietet das aber auch. Die Gelegenheit zu nutzen und am Klavier Dinge zu zeigen, dem Publikum die Ohren zu öffnen, kann für das Publikum sehr bereichernd sein.

Sehr, sehr beeindruckend fand ich z.B. dieses Konzert: https://www.alteoper.de/de/programm/veranstaltung.php?id=515657874 .

Unglaublich auch"der perfekte Ton", einem Konzert, in dem zu moderner Musik Pantomime und Collagen gezeigt wurde, im Staatstheater Wiesbaden.

Es gibt viele Möglichkeiten und es lohnt sich, sich damit zu beschäftigen. Konzertvermittlung kann man mittlerweile studieren, es gibt tolle Bücher, z.B. dieses https://www.nmz.de/artikel/neue-verbindungen-eingehen und die Klassik sollte neue Wege gehen, allerdings niemals auf Kosten der künstlerischen Qualität!

Und eine Moderation muss immer das Publikum im Blick haben - ein Gesprächskonzert kann man m.E. niemals an allen Orten gleich machen, sondern es richtet sich nach dem Vorwissen und den Gewohnheiten des Publikums.

Was die sog. Einführungen in Konzerte angeht, sind die leider selten gut! Oft sogar grauenhaft. Wenn sie gut sind, gern mehr davon. Ansonsten lieber nicht.

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich bin zunehmend Fan von persönlichen Einführungen der Pianisten.
Man wird nicht nur „berieselt“, es wird ein Bezug hergestellt. Zu den Stücken, zur Auswahl der Stücke..
Noch besser: neulich in Frankfurt die Einführung von Pierre-Laurent Aimard zum „catalogue d‘oiseaux“. Ein Vortrag mit Musikbeispielen.
 

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