Klavierspiel im 19. Jhdt. Was meint ihr dazu ?

Ich ziehe das Ding jetzt noch mal hoch. Ich habe mit einfachen Akkordfolgen ausprobiert, unsynchron zu spielen, allerdings dass die rechte Hand kurz hinter der linken Hand kommt. Das klingt finde ich recht schön, es ist eine leichtere, perlende Art zu spielen.
Macht man denn sowas auch im Profibereich zumindest stellenweise ? :-)
 
Mir hat ein Klavierprofessor (ich glaube, es war G.G., den auch @Stilblüte kennt), mal erklärt, dass tiefe Töne am Klavier mehr Zeit brauchen, um ihren Klang zu entfalten als hohe. Deshalb solle man sie minimal (!) früher anschlagen.

Unabhängig davon gibt es aber doch auch bei Chopin die Spielweise, dass der Melodieton z.B. in Nocturnes bei Phrasenbeginn deutlich hörbar nach dem Basston gespielt wird.
 
Wie bei vielen Dingen, die Schönheit produzieren sollen, sind sture Regeln gefährlich.
Spielen wir alle Akkorde gebrochen, klingt es wie bei meiner Oma, die in ihren späten Jahren einfach die Töne nicht mehr zusammen anschlagen konnte.
Meine Idee ist die: Wir sollten in der Lage sein, Akkorde sorgsam gleichzeitig anschlagen zu können, mit unterschiedlichen Hervorhebungen von Melodietönen. Die Gestaltung des Stückes mag dann gelegentlich, wenn die Musik es will, leichte Variationen hervorrufen, den Baß einen Hauch früher, die Melodie einen Hauch später. Ein Dogma würde ich daraus niemals machen wollen, das schleift sich tot. Der Mensch in dem Video spielt übrigens meiner Meinung nach alles andere als schön, er musiziert überhaupt nicht.
Nebenbei: In der Generalbaßpraxis hört man oft gebrochene Akkorde, auf dem Cembalo klingen Blockakkorde überhaupt nicht. Mag sein, daß sich die rollende Akkordbewegung daraus entwickelt hat.
 
@Tastatula Ja, sein Klavierspiel ist nicht sehr inspirierend. Es ging mir nur um die Idee. Bei vielen Stücken (siehe Nick :) ) wäre das auch nicht angebracht. Danke für eure Erläuterungen.:-)
 
@Stefan379
Danke für das Hörbeispiel. Genau so etwas meinte ich.
 
@Stefan379
Danke für das Hörbeispiel. Genau so etwas meinte ich.
Dem Dank an @Stefan379 schließe ich mich an, aber aus anderen Gründen: diese Cortotaufnahmen sind nämlich absolut wundervoll!!! Das Es-Dur Nocturne ist plötzlich kein seichter Kitsch (wie bei den meisten), die Etüdenauswahl demonstriert, warum Horowitz bei Cortot Unterricht nahm: um so etwas zu lernen! Z.B. die F-Dur Etüde hat bei Cortot Binnenstimmen, die niemand sonst herausbringt!! Die e-moll Etüde toppt sogar Rubinstein, der sie fantastisch ausloten konnte (so hart das klingt: Richter, Pollini, Ashkenazy konnten diese Etüde nicht so spielen, von anderen zu schweigen...) und die Terzenetüde hat Klangblitze in einem Tempo, wo andere froh sind, wenn sie durchkommen - kurzum ein Kompendium von absolut fantastischem, technisch wie musikalisch blitzsauberem und brillanten Klavierspiel.

Wenn überhaupt in dieser Sammlung, dann enthält das Es-Dur Nocturne einen heute unzulässig wirkenden Manierismus: der Akkord/Doppelgriff auf dem jeweils dritten Achtel wird oft - aber nicht immer - gebrochen. Alles andere aber in dieser Aufnahme ist in Sachen rubato etc nicht anders als es heute gespielt wird, wenn es wirklich gut gespielt wird. Die Cantilene wird von Cortot genial gespielt (kein sentimentaler Kitsch, kein rubato Exzess) und die Überleitungen, wo heute gerne gedehnt wird, bekommen bei ihm einen überzeugenden vorwärts-Drive (leicht accelerando zum jeweiligen Themaeinsatz hin) - - - man kann unschwer etliche Aufnahmen vergleichen und überlegen, wo das Nocturne sentimental bis kitschig klingt und wo nicht. Zu letzteren gehört Cortot.

Diese Cortot Aufnahmen taugen nicht für die Darstellung von Manierismen des 19. Jh. - dann schon eher die Chopinaufnahmen von Rachmaninov.
 
Wenn ein Student mir das Es -dur Nocturne so vorspielen würde wie Alfred Cortot in dieser Aufnahme, dann würde ich sagen: Deine Melodie ist himmlisch, wie von einem anderen Stern, aber sie ist nicht verbunden mit der Erde, die sie trägt. Die linke Hand ist extrem unruhig, geradezu hektisch, man findet als Zuhörer keinen Puls. Die rechte Hand spielt langsamer als die linke. Das finde ich bei diesem Stück unangebracht. Wenn eine Tänzerin die wunderschönsten Bewegungen ausführen will, braucht sie dafür einen sie ruhig tragenden Boden.
Wen man schaut, wie Chopin es denn gerne gehabt hätte, dann kann man bei Jean-Jacques Eigeldinger "Chopin Pianist and Teacher as seen by his pupils" Folgendes finden:
(J. Kleczyński:) "Manche der Studenten von Chopin haben mir versichert, daß beim Rubatospiel die linke Hand in der genauen Zeit spielen soll, wohingegen sich die rechte in ihren Launen ergeht. In solch einem Fall würde Chopin sagen: Die linke Hand dirigiert das Orchester."
 
Zu Cortot: Ein großer Pianist, herrlicher Klang, aber ... mir persönlich fehlt der Puls. Es geht mir schon nach 20 Sekunden total auf die Nerven.
 

Wenn ein Student ... das Es -dur Nocturne so vorspielen würde...
... würde er wohl bereits bei der Aufnahmeprüfung für die Musikhochschule schon nach wenigen Takten unterbrochen und hinauskomplimentiert werden.

"Manche der Studenten von Chopin haben mir versichert, daß beim Rubatospiel die linke Hand in der genauen Zeit spielen soll, wohingegen sich die rechte in ihren Launen ergeht. In solch einem Fall würde Chopin sagen: Die linke Hand dirigiert das Orchester."
So etwa? :005:

 
Die Vorstellung, dass Chopin selbst so geklungen haben könnte ist ein Alp(b)traum!
 
Mehr von ihm auf seiner Webseite. Leptosomische Naturelle werden sich da allerdings nur behutsam vortasten.
 
das klingt so, wie seine Zeichnungen aussehen....:angst:

Ist das alles ernst gemeint?:konfus:
 
Wenn ein Student mir das Es -dur Nocturne so vorspielen würde wie Alfred Cortot in dieser Aufnahme, dann würde ich sagen: (...)
...nein @Tastatula dazu würde es nicht kommen, denn er würde die F-Dur Etüde nachlegen (wie Cortot) und zack hast du einen neuen Chef, der dich dann feuert :-D:-D:-D...oder hast du an den Etüden auf der verlinkten Aufnahme auch was schlaubergerisches auszusetzen? ;-)
 
@rolf: wir sind hier ein Schlaubergerforum. Jeder, der hier etwas Sachliches beiträgt, ist ein solcher.:blöd:
Ich dachte, es könnte von Interesse sein, was Chopins Schüler zu diesem Thema sagen.
Ich schätze Cortot durchaus, aber das Nocturne macht mich seekrank.
Die Etüde ist wunderbar, da schwankt er ja auch nicht...:drink:

@Stefan379 uff, das klingt ja tragisch. Soviel ich weiß, hat Chopin eher auf Pleyel-flügeln gespielt.
 

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