Kaufberatung alter Blüthner Flügel 1880

dasch85

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Hallo,
ich habe mir heute einen schönen alten Blüthner angesehen.

* 192cm lang
* Baujahr ca 1880
* Patentmechanik
* neue Saiten
* neue Stimmwirbel
* neue Hammerfilze
* neue Dämpferfilze
* guter allgemeiner optischer Zustand

Er hat einen wunderbaren Klang (sofern ich das bei der Verstimmung beurteilen konnte), nur der Bass ist etwas dünn, vor allem für die Länge. Der Gussrahmen liegt nicht so tief im Außenrahmen wie bei anderen Flügeln, ob es daran liegen mag?

Leider gibt es einige Risse im Resonanzboden, die geklebt wurden (über den roten Strichen auf dem Foto). Ist das sehr schlimm? geraschelt hat zumindest nichts.

Die neuen Filze sehen etwas haarig aus (siehe Foto). Ist das normal, oder lässt das auf mindere Qualität schließen?

Ich glaube ich würde eine moderne Doppelrepetitionsmechanik bevorzugen. Die Blüthner Mechanik fühlt sich irgendwie nach Klavier an. Hat jemand Erfahrung mit dieser? Vielleicht gewöhnt man sich dran und kann genauso gut spielen, aber das Feeling hat einfach keinen WOW Effekt. Denkbar wäre auch noch ein Umbau der Mechanik, was haltet ihr davon? Könnte sich das lohnen, vor allem in Anbetracht des Resonanzbodens?

Wenn ich ihn nehme, lasse ich noch ein paar optische Verbesserungen vornehmen. Der Preis hält sich in Grenzen, ohne neue Mechanik um die 5.000, mit neuer Mechanik eventuell bis 8.000. Oder was ist ein realistischer Preis für eine gute Rennermechanik?

Kennt jemand vielleicht sogar dieses Modell? (evtl. erkennbar am Gussrahmen)

Sind die Blüthner um 1920 noch besser? Denke früher wurden doch eher stetig Verbesserungen entwickelt, oder?
 

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Schöner Flügel!

Was den nicht so vollen Bassbereich angeht: Da müsste man mal den Druck messen.
Diese vor 1900 Modelle haben, wie ich finde, sowieso nicht einen so vollen Bass, wie die etwas späteren Baujahre. Vorallem klingen diese etwas älteren Blüthner Instrumente ganz fein und warm... fast ein wenig wie Pleyel oder Erard.

Der Resonanzboden wurde gespant. Das ist nichts ungewöhnliches.
Die Hammerköpfe sehen von der Filzqualität sehr schön aus. Aber so kann man den Zustand der Hämmer schlecht beurteilen, wenn die Mechanik nicht draußen ist. Fraglich ist ja auch, ob es die richtigen Hammerköpfe sind.

Wenn dir die Patentmechanik nicht gefällt, vorausgesetzt, sie ist gut reguliert, dann such dir nen anderen Flügel. Sorry, aber ich halte nicht soviel davon, eine so wunderbare Mechanik rauszureißen und ne neue Rennermechanik einzusetzen. Ich würd mich dann eher fragen, ob dir der Flügel noch gefällt, wenn er ne neue Mechanik hat.
 
Hallo,

aus dem Bauch raus: ich würde es lassen und weitersuchen.

Vor allem, wenn du eine andere Mechanik bevorzugst, dann kaufe einen Flügel, der die im Original so verbaut hat. Einen nachträglichen Einbau würde ich nicht empfehlen.

Grundsätzlich sind Risse im Resoboden wahrscheinlich nicht überzubewerten. Nur ich denke mir halt, dass der Flügel klimatisch nicht optimal gestanden hat. Und das wiederum lässt auf die Pflege schließen, die er genossen hat.

Was die Teilsanierung betrifft, würde ich auch eher auf ein Instrument mit sehr guter originaler Substanz warten und dann ggf. Reparaturen und Restaurationen vom Fachmann meiner Wahl durchführen lassen.

Wie gesagt, das von dir beschriebene Angebot finde ich nicht überwältigend.

Und normalerweise: wenn ein Blüthner aus diesen Jahrgängen gut drauf ist, dann bist du ihm eh erlegen und überlegst nicht lang. Zweifelnde Nachfragen und die Erwägung eines Mechniktausches sind kein gutes Zeichen.

LG, Sesam

P.S. Wobei ich zugeben muss, dass auch ich zunächst an der Tauglichkeit der Patentmechanik gezweifelt habe. Aber alles Blödsinn, bei guter Regulation funktioniert sie sehr präzise und direkt. Wenn es sich bei dir wie am Klavier angefühlt hat, dann stimmt etwas nicht. Denn ich habe das Gefühl, dass die Patentmechanik das Prinzip der Flügelmechaniken generell (unmittelbarer Schwerkrafteinfluss) am eindeutigsten umsetzt. Das empfinde ich auch als einen ihrer größten Vorzüge.
 
Nicht kaufen. Zu viele Zweifel.
Auch eine gut regulierte Patentmechanik ist nicht jedermanns Sache.
Und ein Blüthner mit deutlichen Schwächen im Bass? Da stimmt was nicht.
 
Danke für eure Meinungen!

Die Mechanik war noch nicht so gut reguliert und der Flügel war total verstimmt. Ich habe nächste Woche nochmal einen Termin, bis dahin wird er reguliert und frisch gestimmt. Bin sehr gespannt. Und es war ja erst die erste Begegnung mit dieser Mechanik, es fühlt sich einfach anders an (viel direkter und nicht so weich)

Dem Klang bin ich allemal erlegen: Pure Schönheit, sehr romantisch aber keineswegs dumpf. Das ist übrigens der Hauptgrund für mein Kaufinteresse. Ich habe zur Zeit einen Yamaha G3, dessen Klang mir nicht mehr gefällt. Nach einigen Tests komme ich zur Erkenntnis, dass ich Blüthner Fan bin. Der letzte angespielte war mir leider zu kurz.

Gibt es einen Blüthner Kenner in Berlin, der mich begleiten würde?
 
Ich würde hier erstmal die Seriennummer prüfen. Es würde mich nicht wundern, wenn der Flügel eher Baujahr 1870 ist, als 1880. 1880 gab es bereits das Modell 6 mit 190cm, dies hier ist der Vorläufer. Ich kenne dieses Modell ziemlich gut und es hat im Vergleich zum Modell 6 deutliche Schwächen im Bass.

Anhand der Fotos den Zustand zu beurteilen ist immer etwas fragwürdig, aber ich vermute, dass die Reparaturen hier nicht sonderlich sorgfältig ausgeführt wurden. Die Dämpferfilze sind sehr unordentlich zurecht gemacht und es sieht danach aus, als hätten die Hammerköpfe jeweils seitlich eine Wulst (vielleicht täuscht auch das Foto). Das wäre der Neuzustand bzw. Zustand nach Neubefilzung. Die Wangen muss man aber abschleifen, sonst werden nicht alle drei Saiten gleichzeitig angeschlagen und der Klang kann sich nicht entwickeln. Wenn das hier nicht gemacht wurde (ist etwas schwierig, es anhand des Bildes abschließend zu beurteilen), so ist die gesamte Intonation fragwürdig und das kann auch den Klang im Bass erklären.

Wenn eine Patentmechanik gut in Ordnung ist und sorgfältig reguliert wird, dann spielt sie sich sehr gut, leicht und flüssig. Sehr viele Spieler würden überhaupt keinen Unterschied zur normalen Mechanik merken!

Risse im Resonanzboden haben fast alle alten Instrumente und wenn diese bei einer Überholung geschlossen werden, dann ist dagegen nichts einzuwenden. Das wäre hier also kein Kritikpunkt.

Ich würde einen Blüthner Modell 6 suchen. Das Baujahr spielt keine Rolle. Die Patentmechanik wurde noch relativ lange verbaut, sicher bis in die zwanziger Jahre. Wenn so ein Flügel gut überholt wird, dann sind das absolute Spitzeninstrumente. Das Modell 6 ist im Vergleich zu diesem Flügel moderner und entspricht im Grunde der heutigen Bauform. Dieser Flügel hier markiert noch so eine Übergangszeit (keine Vollpanzerplatte usw.) und ich finde dieses Modell im Vergleich zum Modell 6 deutlich unterlegen.
 
Ich würde die Finger davon lassen weil:

- kein voller Gussrahmen, nur eine angestemmte Platte => nicht für 440Hz gebaut

- Überarbeitung nicht von hoher Qualität:
Hammerfilze konkav, nicht abgezogen, Dämpferfilze schief aufgeleimnt, Wirbelringe am Stimmnagel nicht gehoben, etc.

Da gibt es genügend Alternative auf dem Markt und ja: Die Blüthner ab 1920 sind deutlich besser.
 
Vielen Dank auch für eure beiden Beiträge!

Dann werde ich den nächsten Termin mit Vorsicht genießen. Wahrscheinlich wird es dann auf die Suche nach einem alten Modell 6 hinauslaufen. Es gibt einen Klavierbauer in Berlin, bei dem ich alte Blüther nach Wunsch "bestellen" kann. Diese sind dann wahrscheinlich im Rohzustand nicht anspielbar. Der Herr scheint mir zumindest sehr kompetent, aber das Endresultat hängt ja auch von dem individuellen Flügel ab. Ob man das trotzdem Blind machen kann?

Ich finde leider nicht so viele fertig restaurierte Blüthner, zumindest nicht in der Nähe von Berlin. Ich müsste schon um die 1000km fahren um mir 2-3 Angebote anzuschauen :(
 
Ich finde leider nicht so viele fertig restaurierte Blüthner, zumindest nicht in der Nähe von Berlin. Ich müsste schon um die 1000km fahren um mir 2-3 Angebote anzuschauen :(

Das ist natürlich unpraktisch, aber wenn du ein bißchen Geduld hast, dann wirst du bestimmt fündig.

Hast du die zwei schon angesehen?

Blüthner Flügel 1,90 mit Aliquot Patentsystem in Berlin - Tasteninstrumente kaufen und verkaufen über private Kleinanzeigen
Flügel der Firma Blüthner Schwarz in Berlin - Tasteninstrumente kaufen und verkaufen über private Kleinanzeigen

Die Inserate sind zwar schon älter, aber einen Flügel verkauft man ja nicht mal so eben schnell.

LG und weiterhin viel Glück!
Sesam

P.S. Beim zweiten Angebot würde ich davon ausgehen, dass dort 1,90m stehen sollte, denn 1,80m gabe es (meines Wissens nach) nicht
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Das bereits erwähnte Modell 6, auch bekannt als Blüthner 190, war ein absolutes Erfolgsmodell. Es gab sie auch mit "normaler" Mechanik, allerdings findet sich die Patentmechanik wesentlich häufiger. Manche Flügel haben noch die zusätzlichen Aliquotsaiten im Diskant. Nett, aber kein Muss.
Nein, selten sind diese Flügel keineswegs. Ich habe allerdings häufiger schlecht restaurierte als gut restaurierte gespielt. Blüthner ist zwar bekannt für den "romantischen Blüthnerklang" (was immer das bedeuten mag), aber das bedeutet eben nicht säuselig-dezentes Pling-Pling, sondern ordentlich dynamischen Wuppdich. Ein Blüthner 190 muss ein souveränes strahlendes Fortissimo können, ebenso ein warmes Piano. Zeigen sich da deutliche Grenzen, ist gepfuscht worden oder der Klaviertechniker hat das Blüthnersche Klangprinzip nicht verstanden.
Fazit: in Ruhe gezielt suchen, Deutschlands Westen-Mitte-Osten ist voll mit Blüthner 190ern.

PS: Kaufe einen mit 88 Tasten
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Die frühen 190er hatten 85 Tasten, spätere 88 (wann die Umstellung stattfand, weiß ich nicht auswendig, es war aber vor 1900). Da heutzutage fast alle modernen ernstzunehmenden Flügel 88 Tasten besitzen, ist es durchaus sinnvoll, diesen Standard zu übernehmen. Den Berufsmusiker erfreut es ...
 
Ich habe bisher noch nichts modernes gespielt, das die oberen 3 Tasten enthielt. Die guten alten Meister hatten diese Tasten auch nicht. Aber ok, daran kann ich zumindest erkennen, ob es sich um ein moderneres Modell handelt.

Sesam, magst du mir deinen Blüthner vorstellen? Ich liebe diese Beine und die Lyra!
 
Bei dem hier vorgestellten Blüthner lässt sich die Gußplatte nicht (oder nur mit erheblichem Aufwand) ausbauen, so dass eine fachgerechte Reparatur des Resonanzbodens schlecht möglich ist.
Sofern die Verleimung der Rippen/Bodenlager i.O. ist, sollten feine Haarrisse im Resonanzboden aber kaum klangliche Einbußen erzeugen.
Es ist dann primär eine kosmetische Sache.

Ich würde die Finger davon lassen weil:

- kein voller Gussrahmen, nur eine angestemmte Platte => nicht für 440Hz gebaut ...

Warum?
Auch Blüthner-Flügel mit angestemmter Platte haben eine sehr gute Stimmhaltung.
Das Problem mit dem Ausbeulen des Kopfstückes wie z.B. oft bei Bechstein oder Grotrian Steinweg gibt es hier nicht -auch wenn statt auf 435 Hz auf 440 Hz gestimmt ist. Das ist je nach Mensur eine Differenz von 1-3 kg pro Chor und sollte die solide Blüthner-Konstruktion verkraften können.

Hier generell von dieser Bauart abzuraten halte ich für fragwürdig!
 
Hat das einen speziellen Grund? "Deutlich" würde ja bedeuten, dass ab 1920 ein grundsätzlicher Konstruktionswandel stattgefunden haben müsste im Vergleich zur Bauweise um 1900 herum.

Auch die Blüthner um 1900 würde ich diesem Flügel vorziehen, der Autor fragte aber explizit nach den 20er Jahren. Darauf bezog ich mich.
 
Die Mechanik war noch nicht so gut reguliert und der Flügel war total verstimmt.

Also entweder ewig nichts daran gemacht oder er verwindet sich zu stark. Beides ist wenig schmeichelhaft.

Der Bass ist bei diesen Modellen allgemein eher flach, was wohl auch an der wahnwitzigen Konstruktion liegt, dass der Bass-Steg kein Bass-Steg sondern eine rießige Brücke ist: Teile des Blankbezuges und sogar Teile des Langsteges laufen durch den Bass-Steg hindurch.
 
Hallo dasch85,

Der von Dir beschriebene Flügel mit den Bildern ist wohl nichts, wie die Kollegen bereits geschrieben haben.
Es liegt aber nicht an der Konstruktion, sondern viel mehr an der Reparatur.

@KBM, ich kann Dir nicht zustimmen, dass Flügel mit angestemmter Platte (und Du hast das ja nun schon öfter geschrieben) 440 Hz nicht aushalten bzw. grundsätzlich abzulehnen sind, weil die Konstruktionen nach 100 Jahren ein wenig "verbogen" daher kommen. Das ist weiter nicht schlimm, vorwiegend eine rein optische Sache und darf auch nicht korrigiert werden.

Ich habe Unzählige der drei großen B in den letzten 40 Jahren bearbeitet und muss sagen, dass da keines dabei war, welches wegen der Konstruktion des Rahmens starke Einbußen bzw. grobe Mängel gehabt hätte. Ich kenne jedoch zahlreiche Händler, die genau dies als Argument nehmen. Klar, bei Bösendorfer kommt hinzu, dass diese Instrumente allesamt Wiener Mechanik haben, und diese für den modernen pianistischen Einsatz kaum noch relevant ist. Blüthner mit angestemmter Platte haben die Patent Mechanik und an dieser kann man sich streiten, wenn man will. Bechsteine hatten teils gebundene Doppelrepetitions- aber auch Modelle mit einfacher Stoßzungenmechanik mit dieser Konstruktion. Auch hier gilt wieder die Mechanik als Streitpunkt. Nie war es jedoch die Stimmhaltung bzw. Rahmen- oder Rastenkonstruktion, die Kopfzerbrechen bereitet.

LG
Michael
 

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