I love Tiersen!

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23. Apr. 2006
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Heute hatte ich einige Schülerinnen. Die erste Stunde nach den Ferien. Und da hatten sich - diese Woche zum wiederholten Male - zwei Mädels vorgenommen, das ganze Buch von Tiersen zu lernen. Die Hälfte der Onze Piece geht schon ganz manierlich. Man kann wirklich viel lernen bei Tiersen.

Zunächst einmal: Noten lesen! Je mehr Noten man liest desto besser, warum nicht Tiersen, wenn die Pubertierenden daran Spass haben? 25 Seiten Tiersen mit Freude ist besser als gequälte Beethovensonatinen! Spaß darf doch sein!!

Lese-Themen wie zweigeteilte Hand und einige rhythmische Rafinessen müssen auch erst einmal bewältigt werden.

Dann: Technik! Hey, da gehts richtig zur Sache bei einigen Stücken. Ohne Training komme ich da so nach den Ferien auch nicht unbedingt im Originaltempo durch Comptine d'ete Nr. 3, da fällt einem doch glatt der linke Arm ab. Toll, wenn sich das die Jugendlichen reinziehen und trainieren!!

Und man lernt auch auch: Durchhalten! Die Überwindung der eigenen Komfortzone wo das Lernen leicht fällt und einem die Sache zufliegt ist auch bei Tiersen gegeben. Einige Stücke haben nur wenige Takte, wo es "ernst" wird, da wollen dann viele kneifen. "Kann man das nicht weglassen" oder "vereinfachen"? Ja kann man, doch man kann es sich auch rein schaufeln, wenn man diverse Übekonzepte berücksichtigt. Dann kann man alles schaffen!

Das Beste ist: Lernen von Eigeninitiative! Ich habe zwar das Buch in den Haushalt gebracht, aber als Hausaufgabe aufgeben tue ich die Stücke nie! Das müssen die Kunden eigenverantwortlich bearbeiten. Natürlich helfe ich dabei gerne!

Ich finde es einfach genial, dass es Klaviermusik gibt, die Jugendlichen mit durchschnittlichem Talent dermaßen anspricht, dass sie wie bescheuert üben!

Und anhören kann ich mir die Klavierstücke auch ganz gut!
 
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Zustimmung!

Es kommt eben immer auf die Eigenmotivation an. Und wenn der Schüler motiviert ist und geübt hat, dann macht auch Unterrichten Spaß.
Geständnis: Ich erlaube auch meinen Schülerinnen sich grottigste Bearbeitungen von irgendwelchen Popschnulzen aus dem Internet auszudrucken, unter anderem...*wegduck*
 
@ Morn!

Manche Bearbeitungen sind gar nicht so grottig. Die grottigen kann man selbst ja noch etwas bearbeiten und verbessern!

Dann kann man die Schüler auffordern, eigene Bearbeitungen zu basteln, die schöner sind! Das macht doch auch: SPAß!
 
Ja, absolut, Viola. Wir sind einer Meinung. Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass man dazu natürlich auch höherwertige Arrangements und Kompositionen anbieten kann (z.B. auch Thiersen). Dann kristallisiert sich irgendwann schon selbst heraus, ob die Schüler den Weg des geringsten Widerstands gehen möchten, oder sich auch mal in was hineindenken können.
 
Heute hatte ich einige Schülerinnen. Die erste Stunde nach den Ferien. Und da hatten sich - diese Woche zum wiederholten Male - zwei Mädels vorgenommen, das ganze Buch von Tiersen zu lernen.

ich, als Lehrer, würde mich freuen, wenn meine Schüler so viel Eigeninitiative zeigen.
Fatal wäre es, die Schüler mit Vorurteilen zu demotivieren.

Die Kunst besteht bei Tiersen doch darin, aus dem kargen Notensatz etwas schillernd klingendes zu erzeugen.
Und Ausdauer lernen kann man hier doch auch.

Und so doof sind die Schüler ja auch nicht, dass sei nicht merken würden, dass diese Musik redundant und selbstähnlich ist.
Und schön wäre es auch, wenn die Schüler dann von selbst kommen und sagen: "jetzt möchte ich mal was anders spielen..":p

Als ich jung war, habe ich auf der Gitarre, die Moll-Pentatonik in allen Lagen rauf und runter gespielt. Jahrelang.
Ich wusste damals auch dass das keine Heldentat ist, aber wenn ich einen Gitarrenlehrer gehabt hätte, der mir mit gezupfter Spanischer Gitarre gekommen wäre, dem hätte ich den bösen Finger gezeigt.
Aber ich hatte ja keinen Lehrer...:D

Lieber Gruß, NewOldie
 
Ich finde Tiersen pädagogisch auf jeden Fall sehr wertvoll. Ist eben absolut angesagt, vor allem bei den Mädchen und bei fast ebenso vielen Jungs, die andere Mädchen beeindrucken wollen ;)

technik, ausdruck, agogik - beinhalten die stücke ja auch. und wie schon gesagt, Motivation ist das Zauberwort.

auch musikalisch finde ichs allemal wertvoller als diese ganzen Stücke von Enaudi zb., bei denen ich tatsächlich dein Eindruck habe, dass man musikalisch verkümmern würde, wenn man das den ganzen Tag spielt..
 

Hi, Viola,

ja, das ist dann Stil, der nach meiner Auffassung, durch Redundanz und Selbstähnlichkeit geprägt ist.:p

Aber ich möchte nicht falsch verstanden werden, ich wurde in den 70ern durch psychedelische Musik geprägt, und noch heute ist ein Großteil dessen, was ich alleine oder mit anderen zusammen spiele, pure minimalistische Meditation.
Dann wird bis zur Trance redundant und selbstähnlich in Klangräumen ausgelotet und experimentiert.

Tiersen würde ich vermutlich als heutiger Teenager als Musik für meinen inneren Film empfinden, sowie ich wie ich früher Mike Oldfield oder Pink Floyed empfunden habe.:p

Lieber Gruß, NewOldie
 
Wenn das so weitergeht, kommen in ein paar Jahren Hefte mit vereinfachten Tiersen-Arrangements raus...

Und es wird auch dann Spieler und Lehrer geben, die die dann unheimlich toll finden...

:shock: :klavier: :roll:
 

in der neuen und beliebten Disziplin der Simplifizierung wäre das eine bahnbrechende Großtat :D:D:D

...vorallem durch die zunehmende Tendenz,
Notenhefte mit Zwangsbeschallung herauszugeben.

Auf der Mitspiel-CD ist das Stück eingespielt.
Violas hochbegabte und -motivierte Schülerinnen
greifen dazu einfingerig ein Vierton-Ostinato.

Und am Ende erzählst Du, Viola, uns wieder,
das sei alles eine runde Sache und wunderbar stimmig.

___________________

"Sie müssen es nicht Kunst nennen, wenn Sie das stört."

John Cage

.
 
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Au ja, vereinfachen. Schrieb nicht ein geschätzter
Teilnehmer in einer Publikation unter dem Titel
120!, dass in dem ersten c bereits alles enthalten
sei. Wieso also noch ein e, g, c, e hinterherspielen?

Hat nicht das Kind schon, wenn es die Taste über
dem Schloss zum ersten mal drückt, das erste
Praeludium bereits gemeistert? Klingt darin nicht
bereits das gesamte WTC und spätere Preludes,
ja die gesamte Musik des Abendlandes irgendwie
schon mit?
 
Kann das sein, dass es hier Subjekte gibt, die etwas GEGEN Tiersen haben? Böse, böse, wenn Viola darin etwas GUTES finden will, das geht aber doch jetzt gleich gar nicht!!!

Rolf, hast Du Dir sein Werk mal in seiner Gesamtheit oder zumindest in einem Großteil angeschaut? Wieso werden die Kompositionen von Czerny, simple Stücke, gerne als "Technikstudie" im Klavierunterricht hergenommen, aber ersetzt man Czerny durch Tiersen dann ist das igittigittbapfui?

Und - ehrlich gesagt - finde ich Tiersen wesentlich anspruchsvoller als die üblichen Stücke für die ersten zwei Jahre am Klavier von Czerny, Willy Schneider, Humbert, Aaron, Heumann, Hellbach, Gurlitt, Moser und wie sie alle heißen.

Vielleicht bin ich da zu blöde, und mir wird hier endlich mal auf die Sprünge geholfen! Ich werde immer gerne belehrt!!

Das macht schlauer!
 
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Das kommt jetzt abwertend rüber, Arpeggien gibt es bei Beethoven Seitenweise und bei Chopin auch... ist doch eigentlich egal, ob man Arpeggien bei Beethoven, Chopin oder Tiersen übt, oder sehe ich das falsch?

Das war -glaube ich- keine Abwertung von Arpeggien oder Tiersen, sondern eine Anspielung auf ein Video (ich finde es auf die Schnelle nicht), das hier kürzlich irgendwo verlinkt wurde;-)

Grüße.
 
Wenn das so weitergeht, kommen in ein paar Jahren Hefte mit vereinfachten Tiersen-Arrangements raus...

Und es wird auch dann Spieler und Lehrer geben, die die dann unheimlich toll finden...

:shock: :klavier: :roll:

Malt mal nicht gleich den Teufel an die Wand, Hasenbein und Rolf.
Zugegeben ist der Threadtitel "I love Tiersen" relativ provokant. Ist ja nun nicht zu vergleicen mit "I love Bach".

Trotzdem kann ich Violas Aussagen gut nachvollziehen. Die Thiersenstücke sind halt als Köder gedacht, Leute überhaupt für Klaviermusik zu begeistern. Wie sowieso alle populären Klavierstücke vom C-Präludium über Für Elise,bis zu Ballade pour Adeline (eher in den 80igern cool, würde ich mal denken).

Der kompositorische und technische Anspruch tritt eben bei manchen Gassenhauern ein wenig zurück - das ist meiner Meinung kein Grund für eine Totalablehnung.

Mit einem anderen Bild gesprochen: Wenn jemand mal was richtig gutes Lesen will, würde ich auch nicht gleich Faust II empfehlen, und wenn der jenige dann eben erstmal Comics gut findet, wäre ich schön blöd zu sagen, "dann lass das Lesen lieber ganz sein."

Euer Morn
 
Vielleicht bin ich da zu blöde, und mir wird hier endlich mal auf die Sprünge geholfen!

Arvo Pärt: Variationen zur Gesundung von Arinuschka

Igor Strawinsky: Les cinq doigts

Bela Bartok: Für Kinder 1-4

Erik Satie: Gnossiennes 1-3, +4

Erik Satie: Trois Gymnopédies

Schumann: Etliches aus dem "Album für die Jugend" (z.b. "Armes Waisenkind")

Entspricht im Schwierigkeitsgrad den Tiersen-Stücken oder ist sogar einfacher -
mit dem einen entscheidenden Unterschied: Bei aller Schlichtheit
ist diese Musik kunstvoll gearbeitet und dadurch ausgesprochen schön,
womit sie auch klassikferne Menschen sehr anzurühren pflegt.
Sie zwingt die Spielenden und Mithörenden zum Denken,
hält sie geistig wach - genau das, was Musik tun sollte -,
weil sich das Material subtil oder weniger subtil ändert,
weil ein musikalischer Entwicklungsprozeß verfolgt werden kann.

Das genaue Gegenteil zu Tiersen, bei dem man sich auf Patterns oder Ostinati
einstellen kann, im sicheren Wissen, daß keine Modulation, keine Interruption,
keine störende Weiterentwicklung die einmal gefundene Klavierspiel-Pose
gefährdet.

Ich muß dabei immer an Andersens schönes Märchen denken:
Der Unterschied zwischen den oben genannten Stücken und Tiersens Musik
entspricht dem vom originaler und mechanischer Nachtigall.


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Die Menschen verstehen nichts. Darum fürchten sich die Ideen vor den Menschen.

Jake Cohn
 

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