Honeggers "Cantate de Noel"

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G

Gomez de Riquet

Guest
Guten Abend!

Meinen Weihnachtsgruß an alle verknüpfe ich mit dem Hinweis
auf Arthur Honeggers "Cantate de Noel", eines seiner letzten Werke,
kurz vor seinem Tode entstanden und uraufgeführt.

Das Werk ist aus mehreren Gründen sehr anrührend - als eines der wenigen geistlichen Werke,
das die in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts noch gepflegte erweiterte Tonalität benutzt,
ohne damit in den üblichen Weihnachtskitsch abzudriften.
Und es beginnt mit keinem Freudenhymnus, sondern dessen Gegenteil -
nimmt den Johannesprolog ernst und beginnt mit der Dunkelheit,
dem lateinischen "De profundis clamavi", aus dem sich der Hilfeschrei nach Erlösung formt.

Es ist dreisprachig: lateinisch, französisch, deutsch. Das war ein Politikum ersten Ranges.
Anfang der fünfziger Jahre war in Frankreich die Erinnerung an die deutsche Besatzungszeit
noch omnipräsent, die deutsche Sprache verpönt. Im Mittelteil seiner Kantate -
einem Quodlibet - kontrapunktiert Honegger deutsch- und französischsprachige
Weihnachtslieder miteinander - der Versuch einer auskomponierten Völkerverständigung.

Das Werk endet nicht mit dem unvermeidlichen Schlußjubel, sondern schließt diminuendo.
Es zieht sich wie eine Schnecke in ihr Haus zurück - oder um einen anderen Tiervergleich zu bemühen:
Die einleitenden Orgelharmonien werden am Ende rückläufig gespielt - krebsgängig.
Das verweist auf den Johannesprolog zurück: Das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat's nicht ergriffen.

Die im Netz auffindbare Gesamteinspielung hat ihre Meriten, obwohl es natürlich bessere gibt.

Hier sind die drei Teile:

http://www.google.de/url?url=http:/...sg=AFQjCNG7S7ZBoqI5EIx1c_Xhp-9aEHyDvA&cad=rja

http://www.google.de/url?url=http:/...sg=AFQjCNFvKpPYNREcGrSqLbtbguVcrwzE-Q&cad=rja

http://www.google.de/url?url=http:/...sg=AFQjCNFNgw2dSN4saT0uiiUr76Nxa6vWpw&cad=rja


Weihnachtsgrüße von

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Was für ein Wahnsinnsstück!!!!!!!! Hört es euch alle an! Es lohnt sich!!!

Guten Tag!

An Chiarinas Begeisterungsrufe knüpfe ich noch einmal an, um für Honeggers
wenig bekannte und zu selten aufgeführte "Weihnachtskantate" zu werben.

Nicht nur der Beginn und das Ende dieser Kantate sind für Weihnachtsmusiken
atypisch. Auch in der Schilderung der Geburt Christi vollzieht sich bei Honegger
musikalisch etwas, das der Theologie des Evangelisten Lukas entspricht: Die Musik
verzichtet auf allen Pomp. Ein schlichtes Baritonsolo zu einer musique depouillée
erzählt von dem Ereignis.

Was über dem Trubel der Advents- und Weihnachtszeit oft in Vergessenheit gerät:
Bei Lukas beginnt direkt mit Christi Geburt die Passionsgeschichte. Der Stall zu Bethlehem
und die Krippe sind im Lauf der Jahrhunderte romantisiert und verkitscht worden.
Bei Lukas sind sie im wahrsten Wortsinne ein Armutszeugnis. Die Potentaten
dieser Welt werden in Palästen geboren; aber der Messias kommt zwischen Tieren
zur Welt, in einem Stall. Die Unterbringung in der Futterkrippe ist ein Notbehelf.

Auch die anderen Evangelisten konterkarieren die Pracht irdischer Herrscher
mit Christi Armut: Die Herrscher dieser Welt ziehen mit einem Streitwagen ein,
der Messias dagegen kommt auf einem Arbeitstier herangeritten, einem Esel -
geradezu die Karikatur eines herrschaftlichen Auftritts. Die Herrscher dieser Welt
sitzen auf ihren Thronen; Christi Thron ist das Kreuz, an dem er hingerichtet wird.

"Jesu, Dein Reich auf der Welt
ist ja lauter Leiden;
so ist es von Dir bestellt
bis zum letzten Scheiden"

heißt es in einem alten Kirchenlied.

Nicht nur für Griechen und Römer war diese selbstgewählte Niedrigkeit Gottes
ein Skandalon; auch innerkirchlich ist das Bewußtsein dafür immer wieder vergessen,
durch Menschen wie Franziskus von Assisi oder Charles de Foucauld aber auch wieder
der Vergessenheit entrissen worden.

Lukas legt theologisch darauf größten Wert, und Honeggers ausgesparter Setzweise
zum Bericht dieser Christgeburt ist anzuhören, daß der Komponist den Theologen
verstanden hat.

HG, Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Lieber Gommi!
Vielen Dank für dieses wundervolle Werk! Ich liebe Honegger! Du wirst es nicht glauben, aber ich habe
wirklich schon einmal ein Werk von ihm im Konzert gespielt.
Liebe Leute, vergeudet eure Zeit nicht mit Yann Tiersen, Ludovico Einaudi, Yiruma, ect., sondern hört
euch DAS an!!! Es lohnt sich ungemein!
 

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