Wie würde es denn beispielsweise bei GL 520 Liebster Jesu wir sind hier ausshehen?
Auch bei diesem Lied, wie bei jedem anderen, würde ich erst mal unterscheiden, ob der cantus firmus auf separatem Manual oder zusammen mit der Alt- und Tenorstimme gespielt wird. Wenn auf getrenntem Manual, versuche ich, ganz dicht am legato zu bleiben, aber trotzdem nicht völlig legato. Wenn auf einem Manual, versuche ich, deutlicher zu artikulieren.
Völlig legato zu spielen heißt für mich nicht unbedingt, sehr sanglich zu spielen, eher umgedreht.
Das Lied "Liebster Jesu" ist insofern ein schönes Beispiel, weil die Melodie auch bei den Evangelens mehrfach vorkommt:
EG161: "Liebster Jesu, wir sind hier, dich und dein Wort anzuhören"
EG200: "Liebster Jesu, wir sind hier, deinem Worte nachzuleben" und
EG596: "Kind, du bist uns anvertraut" (Regionalteil Westfalen)
Selbst bei den wunderschönen Choralvorspielen zu diesem Lied von Bach, BWV730 und BWV731, versuche ich, den cantus firmus non-legato zu spielen; bei BWV730 etwas stärker, da es auf einem Manual gespielt wird (manche Leute spielen den umspielten cantus firmus der Takte 11 und 12 auf separatem Manual, siehe z.B. aus der Koopman-CD-Einspielung der Gesamtausgabe Bachs). Die beiden Stücke, BWV730 und BWV731 spiele ich gerne zum Abendmahl direkt hintereinander, quasi als 2 Strophen zum gleichen Choral, da es gut "skalierbar" ist je nach Länge des Abendmahls.
Ich würde aus dem Legato - oder Non-legato auch kein Dogma machen, finde aber, das gerade der cantus firmus eines Liedes, insbesondere, wenn nicht auf separatem Manual gespielt, durch non-legato deutlicher herauskommt und damit besser zum mitsingen animieren kann - und letzlich auch sanglicher ist als Dauerlegato.