besonders Down-Syndrom-Leute mag ich sehr gerne, weil sie so fröhlich und direkt sind.
Mitunter sind sie durchaus musikalisch. Einen solchen jungen Mann haben wir hier in unserer Gemeinde wohnen. Er übernimmt Ministrantendienste in der Kirchengemeinde und wird auch sonst gut in die Gemeinschaft integriert. Eine besondere Vorliebe hat er für Blasmusik entwickelt. Das Schützenbrauchtum wird hier ziemlich großgeschrieben und beim Vogelschießen und beim Schützenfest ist ein Platzkonzert mit verschiedenen Kapellen und Spielmannszügen obligatorisch. Bei dieser Gelegenheit pausiert der Dirigent schon mal und drückt dem jungen Mann den Taktstock in die Hand. Dieser dirigiert dann das Orchester durchaus souverän, rhythmisch sicher und mit klarer Zeichengebung - da staunt von den anwesenden Gästen so mancher, wie solide das Zusammenspiel funktioniert. Niemand hat gegen eine solche Einlage etwas einzuwenden und allen gefällt das.
Ich hab sogar von einem gehört, der es geschafft hat, zu studieren.
Es gab Zeiten, zu denen man davon überzeugt davon war, dass bei Vorliegen dieser Diagnose eine nennenswerte Lern- und Ausbildungsfähigkeit nicht zu erwarten sei. Inzwischen gibt es deutlich bessere Förderungsmöglichkeiten - wenn sie wahrgenommen werden, sind beachtliche Ergebnisse möglich. Dazu kommt, dass viele sehr motiviert sind, ihr Potenzial bestmöglich auszuschöpfen - mit Bedauern und Mitleid wollen sich diese keineswegs abspeisen lassen.
Dann bleibt nur noch zu wünschen, dass Menschen mit Behinderung endlich als gleichwertige Menschen wahrgenommen werden, und nicht in erster Linie als Behinderte, wie leider so oft.
Solche Einschätzungen beruhen in der Regel darauf, für sich eine Norm zu definieren, wie man zu sein hat. Entspricht das Gegenüber diesem Bild nicht, wird sofort Ungleichwertigkeit unterstellt - ich bin in Ordnung und der andere eben nicht. Nicht so recht klar ist es, inwieweit die Freud'sche Einschätzung in den Hinterköpfen verankert ist, wonach der Künstler eine Sonderform des Psychopathen sei. Ein typisches Unterscheidungsmerkmal bei der pathologischen/krankhaften Abweichung von der "Norm" ist defizitär geprägt - es fehlt etwas, das sonst üblich ist. Der Künstler hingegen hebt sich durch seine kreative Begabung vom Üblichen ab: Er ist produktiv, während andere nur reproduktiv agieren können. In diesem Falle zeigt sich, dass man die "Norm" auch anders auslegen könnte: Uneingeschränkt leistungsfähig ist nur der kreative Mensch, behindert sind alle diejenigen, die zu schöpferischen Leistungen nicht befähigt sind.
Was die ursprünglich für diesen Faden ausgewählten Beispiele so problematisch macht, wenn es um die Akzeptanz des Fremden/Befremdlichen geht, ist die Vereinigung produktiver und defizitärer Faktoren in einer Person, wenn die Abweichungen im Alltäglichen auffallen und man entsprechenden Lebenslagen kaum oder gar nicht ausweichen kann. Wenn die körperliche Fitness nicht zum täglichen Absolvieren eines Marathonlaufes ausreicht, wird das die Mobilität im Alltag nicht einschränken. Wer hingegen nicht einmal wenige Meter Wegstrecke aus eigener Körperkraft heraus bewältigen kann, bekommt diese gewaltige Einschränkung seiner Mobilität ständig im Alltag zu spüren. Im Falle des Eröffnungsbeitrags ist das Missverhältnis besonders ausprägt: Einerseits musikalisch-künstlerische Leistungen, wie man sie Profis zutrauen würde - andererseits die Alltagskompetenz eines Kleinkindes, die nicht einmal ausreicht, sich selbständig die Schnürsenkel zubinden zu können. Man darf es sich schon eingestehen, dass einem schwer fällt, solche ausgeprägten Gegensätze in einer Person zu begreifen.
Wer weiß schon genau, ob der Begriff der Inselbegabung nicht auch auf Personen wie Wolfgang Amadeus Mozart oder Franz Schubert anwendbar gewesen wäre? Nach zeitgenössischen Quellen spräche einiges dafür. Allerdings ist dieses Phänomen erst viel später benannt und zur gleichen Zeit auch wissenschaftlich reflektiert worden...!
LG von Rheinkultur