Kommt ganz auf die Geste an. Kann passen, kann nicht passen. Ich finde nicht, dass das ein no-go ist, es kommt auf die Situation und Stimmung an. Wenn es gehässig gemeint war, gehts nicht. War es eher humorvoll und locker, dann schon.
Sehe ich genauso, man müsste dabei gewesen sein, um das beurteilen zu können. Aus der Studienzeit erinnere ich mich an die Bezeichnung „Übungsabend“: Vorspielsituation ja, Konzertsituation nein. Ein Publikum ist also anwesend, es weiß aber, dass die eine oder andere Darbietung möglicherweise noch nicht konzertreif ausfallen kann - die Grenzen zwischen öffentlichem Unterricht und Konzert verlaufen durchaus fließend.
Und man müsste aus anderen Lebenslagen wissen, wie man in dieser Klasse sonst mit Fehlern und Mängeln umgeht. Akzeptiert man, dass das Fehlermachen zum Gutwerden dazugehört und stellt diese sachlich und fachkundig ab? Oder sind Fehler etwas wie eine scharfe Munition, die man auf sein Gegenüber abfeuert, um ihn als inkompetent und leistungsschwach vorzuführen? Übrigens empfindet man nach einer unbefriedigenden Darbietung manche Blicke, Gesten und Äußerungen anderer anwesender Personen schnell mal als unangenehmer als von diesen eigentlich beabsichtigt.
Zu viel Nachgrübeln hilft nicht weiter. Sinnvoller ist es, mit der Lehrerin Strategien zu mehr Podiumssicherheit zu entwickeln. Ein solcher Stolperstein gehört dazu.
Aus meiner Studienzeit kenne ich folgende Episode: Vortragsabend einer Hochschulklasse aus der Holzbläserabteilung, deren leitender Professor nicht nur in führender Orchesterposition tätig war, sondern auch ein abgeschlossenes Kapellmeisterstudium vorweisen konnte und selbst sehr gut Klavier spielte. Ein angehender Dirigent hatte einen der Studierenden bei einem frühromantischen Konzert aus dem Klavierauszug zu begleiten und tat dies leider nicht zur Zufriedenheit des Professors, der ihn bei der Verständigungsprobe schließlich gereizt fragte, ob es nicht mit ein paar falschen Tönen weniger ginge. Beim anschließenden Konzert erhob sich der Professor nach dem ersten Satz, ging auf den Pianisten zu und bat ihn im Flüsterton, bitte seinen Sitzplatz freizugeben. Daraufhin übernahm er selbst die Begleitung der noch fehlenden beiden Sätze. Diese Situation ist durchaus peinlicher als das eingangs geschilderte Szenario. Allerdings muss man ergänzen, dass zum einen da angehende Berufsmusiker am Werk waren und zum anderen der bisweilen etwas überheblich daherkommende Kommilitone die Aufgabe doch etwas unterschätzt hatte. So gesehen kam da noch ein erzieherischer Aspekt dazu, wenn da einer geglaubt haben sollte, man brauche sich so einen dämlichen Klavierauszug vorher doch nicht anzuschauen...!
LG von Rheinkultur