Evolution und Revolution in der Musik

  • Ersteller des Themas St. Francois de Paola
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Schönberg hat ein völlig neues System geschaffen

Meinst du? Ich hätte gesagt, was da Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts passiert ist, ist eigentlich auch eher schnelle Evolution als Revolution. Die Zwölftonsachen sind doch auch nur eine Weiterentwicklung von z.B. Op. 11, Op. 11 ist eigentlich auch nur eine Art (schnelle) Weiterentwicklung von z.B. Op 4. und hat auch in gewisser Weise wahrscheinlich Inspiration von Liszts Spätwerk, von Wagner...
 
Ja, das das sehe ich auch so. Die Atonalität kam nicht aus dem luftleeren Raum, sondern war die konsequente Weiterführung des Vorangegangenen. Dennoch war es, wie du ja auch geschrieben hast, eine schnelle Evolution. Wo liegt die Grenze zwischen schneller Evolution und Revolution? Interessanter Begriff übrigens: Bartok gilt in der Musikwissenschaft als Vertreter einer musikalischen Evolution, während die Vertreter der Dodekaphonie als revolutionär gelten.

Wie auch immer: Worauf @hasenbein vermutlich hinauswollte, ist das innere Hören gänzlich neuer Klänge und ihrer Systeme. Ich wage die Behauptung aufzustellen, dass der Schritt von Mozart zu Beethoven kleiner war als der Schritt von Liszt oder Wagner zu Schönbergs Dodekaphonie.
 
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Ich wage die Behauptung aufzustellen, dass der Schritt von Mozart zu Beethoven kleiner war als der Schritt von Liszt oder Wagner zu Schönbergs Dodekanophonie.
Kleiner ja, beschleunigt hat sich die Musikgeschichte zweifelsohne, aber sind die Unterschiede soooo viel größer geworden oder wurde nur irgendwann eine Schwelle überschritten, die es so aussehen lässt?



gut 40 Jahre später:



vgl.



gut 55 Jahre später:



Sehr unterschiedlich sind jedenfalls alle vier, aber auch offtopic.
 
Demian, bist Du nicht Musiklehrer?

Und dann weißt Du nicht mal, dass es Dodekaphonie heißt?

Oder wolltest Du durch das zwischengeschaltete "no" signalisieren, dass es Deiner Meinung nach eben nicht "klingt", was dabei rauskommt?
 
Schönberg war ein genialer Komponist (der tatsächlich seine komplizierten Sachen alle innerlich hören konnte!), der nur lausig Klavier spielen konnte.
Er war von Hause aus Geiger. Freilich hatte er exzellente Pianisten unter seinen Kooperationspartnern wie Eduard Steuermann oder Artur Schnabel, mit denen er pianistische Probleme erörtern und sich austauschen konnte.

Wagner war auch kein guter Pianist. Generell sehe ich keinen Zusammenhang zwischen der (virtuosen) Beherrschung eines Instruments und der kompositorischen Qualität. Sicherlich nützen Fertigkeiten am Instrument, aber sie sind keine zwingende Voraussetzung.
Kenntnisdefizite kann man auf unterschiedliche Weise kompensieren: die einen befassen sich mit Kammermusik und erfahren von Ensemblekollegen, wie man bei der Abfassung des Notentextes und dessen Umsetzung zweckmäßig vorgehen könnte. Andere befassen sich im Bedarfsfalle mit renommierten Spezialisten, was man einem Solisten zumuten darf und was lieber nicht. Wie viele der großen Violinkonzerte sind beispielsweise in Abstimmung mit namhaften Solisten entstanden, ohne dass der Komponist selbst Geiger war? Partiturenstudium, Instrumentationslehre, Instrumentenkunde - vielfältig sind auch Quellen bereits ohne praktische Mitwirkung von Interpreten.

Und dann weißt Du nicht mal, dass es Dodekaphonie heißt?

Oder wolltest Du durch das zwischengeschaltete "no" signalisieren, dass es Deiner Meinung nach eben nicht "klingt", was dabei rauskommt?
Im letztgenannten Falle hätte er eine andere Silbe eingeschoben: Dodekakophonie!
In diesem Falle kommt schon was hinten raus - es klingt eben nur kacke und ist daher für'n Arsch!

LG von Rheinkultur
 
Was meiner Meinung nach die Dodekaphonie revolutionär macht, ist der Umstand, dass Schönberg sich von sehr velen Konventionen verabschiedet hat.
Natürlich ist das eine nur konsequente weiterführung der Atonalität, bzw. dessen, was sich in der Atonalität bereits ankündigt. Ich glaube allerdings nicht, dass Schönberg die Atonalität einfach weiterentwickelt hat.

Er hat die Dodekaphonie auf ein relativ überschaubares Regelwerk gestellt, dessen zentrales Anliegen eigentlich die Gleichberechtigung oder -behandlung aller zwölf Stammtöne war. Spätere haben das auch auf andere Aspekte der Musik übertragen ... und auch beim Rhythmus, der Dynamik oder bei der Instrumentation mit "Reihen" zu arbeiten versucht.

Meiner Meinung nach hat Schönberg vor allem Prinzipien aus der abstrakten Malerei auf die Musik übertragen.
Damit will ich seine Leistung nicht kleinreden ... der Impact der Dodekaphonie war beachtlich, aber ich betrachte sie noch immer als eine "Komponiermethode", ein Werkzeugkasten mit strengen Regeln und dementsprechend auch stark eingeschränkter gestalterischer Reichweite. Mit der 12-Ton-Methode auch für Laien "schöne" Musik zu schreiben ist alles andere als leicht. Denn eigentlich kann man all das, wodurch Musik normalerweise schön klingt (Tonalität, Wiederholung) in der Dodekaphonie eben nicht einsetzen.
Und genau DAS ist die "Revolution" ... man verzichtet darauf, die Hörgewohnheiten zu bedienen.
Mit Schönbergs Dodekaphonie hat die Musik das bekommen, was die Kunst schon länger hatte ... Kunst um der Kunst willen (auch das hat sich in der Atonalität bereits angekündigt).
In der Malerei gibt es das "schwarze Quadrat" (als Komposition aller bisher gemalten Bilder in einem) ... aber leider hält niemand weißes Rauschen für "Musik" (das wäre wohl die musikalische Entsprechung).

Als logische Weiterentwicklung der Musikgeschichte erscheint das auch deswegen, weil bereits vorher Stücke geschrieben wurden, bei denen eine Tonalität mehr durch das entsteht, was NICHT dabei ist (Wagners "Tristan-Akkord" mal als Beispiel).

Natürlich wäre es auch einem Schönberg schwer gefallen, die Musik komplett neu zu erfinden ... also hat er sich auf das konzentriert, was unser auf 12 Stammtöne reduziertes System eben hergibt. Dass sich eine Spannung nicht unbedingt in eine Harmonie (im Sinne Bachs oder Mozarts) aufllösen muss, war schon lange vorher klar.

Das die Ablösung von Jahrhunderten der Musikpraxis eine Zäsur bedeutet, ist klar, und dadurch, dass sich vieles, was in der Dodekaphonie dann zum Prinzip erhoben wird, bereits vorher in Atonalität und Spätromantik ankündigt (oder bereits vorhanden ist) kann man trefflich streiten, ob das nun eine Revolution war, oder eine nur logische Weiterentwicklung (Evolution).
Auch Schönberg hat sich an älteren Komponisten orientiert ... und er hat von seinen Schülern auch tonales verlangt - Anton Weberns "Passacaglia op1" ist mehr oder weniger sein "Prüfungsstück" gewesen ... das ist noch recht tonal gehalten (wie er selbst schrieb) und stellt sozusagen eine Art "Abschied" von der tonalen Welt dar.
Was der Typ zwischen Passacaglia und seinen ersten dodekaphonischen Stücken geschrieben hat, ist für mich der Inbegriff atonaler Musik ... und mit wenigen Ausnahmen (Synfonie op.21 z.B.) erreicht er diese Wirkung (zumindest bei mir) mit der 12-Ton-Methode nicht.
Durch diese Methode wurde nicht nur viel gewonnen ... mMn ging auch ein bisschen was verloren, weil man nach dem 2.Weltkrieg eben kaum noch atonal komponieren wollte. Da hat man sich entweder dem Neoklassizismus angeschlossen, der Dodekaphonie ... oder man hat eben mit elektronischer Klangerzeugung (Stockhausen u.v.m.) und den Möglichkeiten der Aufnahmetechnik (music concrete) herumexperimentiert.
Was gabs daneben noch ... naja Populärmusik und Jazz eben ... also nichts "Weltbewegendes" :lol:
 

Zitat A. Schönberg: "Ich war nie Revolutionär. Der einzige Revolutionär in unserer Zeit war Strauss!"
 
Auch Schönberg hat sich an älteren Komponisten orientiert ... und er hat von seinen Schülern auch tonales verlangt - Anton Weberns "Passacaglia op1" ist mehr oder weniger sein "Prüfungsstück" gewesen ... das ist noch recht tonal gehalten (wie er selbst schrieb)
Wie sollte Schönberg 1908 auch etwas anderes von seinem Schüler verlangt haben - bis dahin hat er selbst ausschließlich tonal gebundene Musik komponiert. Erst 1909 - in den drei Klavierstücken op. 11 - hat Schönberg die Grenzen der Tonalität erstmals klar überschritten.

... mMn ging auch ein bisschen was verloren, weil man nach dem 2.Weltkrieg eben kaum noch atonal komponieren wollte. Da hat man sich entweder dem Neoklassizismus angeschlossen, der Dodekaphonie ...
Der überwiegende Teil der nach dem 2. Weltkrieg entstandenen Kunstmusik ist atonal. Auch die Dodekaphonie ist per definitionem atonal, ebenso wie die daraus abgeleitete Serialität.

Und die Blütezeit des Neoklassizismus waren die 1920er-Jahre. Nach meinem Kenntnisstand war der 2. Weltkrieg etwas später dran...
 
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Erst 1909 - in den drei Klavierstücken op. 11 - hat Schönberg die Grenzen der Tonalität erstmals klar überschritten.
Und war damit mMn eher ein "Spätzünder".

Bei "Atonalität" beziehe ich mich meist auf die "freie Atonalität" ... "frei" z.B. von Schönbergs Regelwerk.
Damit meine ich die Art Musik, die sich von den klassischen Prinzipien/Dogmen lösen wollte, ohne sie durch "moderne" Prinzipien/Dogmen zu ersetzen.
Genau diese Entwicklung wurde mMn durch den unglaublichen Erfolg der Schönberg-Komponier-Methode abgewürgt.
Mir wurde die Dodekaphonie in der Ausbildung quasi als "billiger" Weg zu atonaler Musik ans Herz gelegt ... ich bin lieber Weberns Frühwerk gefolgt, weil ich diese Musik trotz all ihrer Spannungen und der ausbleibenden Auflösungen noch immer einfach schöner und interessanter finde.

Damit will ich die Dodekaphonie auch nicht angreifen oder herabwürdigen ... ich halte freie Atonalität ohne dodekaphonischen Regelkanon lediglich für fruchtbarer.
 
Und war damit mMn eher ein "Spätzünder".
Aha. Was wurde denn vor 1908 so alles an atonaler Musik komponiert?

Bei "Atonalität" beziehe ich mich meist auf die "freie Atonalität" ... "frei" z.B. von Schönbergs Regelwerk.
Damit meine ich die Art Musik, die sich von den klassischen Prinzipien/Dogmen lösen wollte, ohne sie durch "moderne" Prinzipien/Dogmen zu ersetzen.
Solche Privatdefinitionen sind einem sachlichen Diskurs wenig zuträglich. Davon abgesehen funktioniert auch die freie Atonalität nicht ohne Regeln und Prinzipien.

Genau diese Entwicklung wurde mMn durch den unglaublichen Erfolg der Schönberg-Komponier-Methode abgewürgt.
Das ist, mit Verlaub, Unsinn. Der ganz überwiegende Teil der sogenannten Neuen Musik ist weder dodekaphonisch noch seriell komponiert.

Mir wurde die Dodekaphonie in der Ausbildung quasi als "billiger" Weg zu atonaler Musik ans Herz gelegt ...
Was für eine "Ausbildung" soll das denn gewesen sein? Woher dein gediegenes Halbwissen stammt, weiß ich nicht - aber aus einer professionellen Ausbildung ganz sicher nicht.
 
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Was gabs daneben noch ... naja Populärmusik und Jazz eben ... also nichts "Weltbewegendes" :lol:
Dem muss ich widersprechen, weil dein Urteil im Hinblick auf Popmusik sehr pauschal ist - und bezüglich Jazzmusik zudem unfair.

Populärmusik, also „Popmusik“ ist tatsächlich eine Musik, die sich größtenteils an den Strömungen des Zeigeistes orientiert. Bei Popmusik zählt sehr oft (aber zum Glück nicht immer!) der Marktwert der Musik. Popmusik passt sich häufig bestimmten Trends an, um Kaufkraft zu nutzen. In dieser Hinsicht ist deine Aussage teilweise stimmig. Aber Ausnahmen, bei denen ein künstlerischer Wert erkennbar wird (die jedoch finanziell dennoch sehr erfolgreich sind?, gibt es jedoch auch, immer wieder, z.B. Pink Floyd, Sting, Alicia Keys oder auch Billie Eilish.

Jazz war für lange Zeit, ungefähr zwischen 1900 und 1930, in erster Linie Unterhaltungsmusik. Mit dem Bebop jedoch (1940er-Jahre) wurde aus der harmlosen unterhaltenden Musik ein (manche nennen es elitärer) Kunstmusikstil, der bewusst eine kunstvolle Gestaltung einsetzte, um sich eben gerade von Massenkompatibilität abzugrenzen. Der Jazz als genuin „schwarze“ Musik spielte dabei natürlich auch eine enorm wichtige Rolle, denn nachdem der ursprüngliche, „schwarze“ New-Orleans-Jazz von Weißen kommerziell vereinnahmt und kommerziell ausgeschlachtet worden war (bis hin zu kitschigen Film-Arrangements), bestand das Bedürfnis nach einer endlich wieder authentischen - und zu zudem kunstvollen Ausdrucksform.

Popmusik, und erst recht Jazzmusik, als belanglos abzustempeln, wird der Sache überhaupt nicht gerecht.
 
Dem muss ich widersprechen, weil dein Urteil im Hinblick auf Popmusik sehr pauschal ist - und bezüglich Jazzmusik zudem unfair.
Also wenn man das Smilie schon mit zitiert sollte man es nicht ignorieren. ;-)

Um mit dir sinnvoll zu diskutieren, fehlt mir einfach die hinreichende Fachidiotie.
Da bist Du doch mit Mick einer Meinung. :-)
 
@Peter
Danke für den Hinweis! Den Smiley habe ich tatsächlich übersehen.

Allerdings gibt es einige Leute, die solche Sätze ernsthaft äußern, deshalb war mein Vortrag vielleicht nicht vergebens.
 
Popmusik, und erst recht Jazzmusik, als belanglos abzustempeln, wird der Sache überhaupt nicht gerecht.
Natürlich wird das der Sache nicht gerecht ... das haben kurze Aussagen über komnplexe Themenfelder leider so an sich.

Ich kann nur manchmal nicht anders, als jene zu foppen, die sich dem elitären hingeben (Jazz also für die Königsdisziplin halten ... ganz egal, ob sie nur Realbooks rauf und runter dudeln oder eher im free Jazz beheimatet sind).
Die zweite Zielgruppe des Jazz-Bashing ist bei mir der "woke"-Wahnsinnige, der schon aus Prinzip nichts genuin "schwarzes" schlecht finden kann.

Beim Pop-Bashing geht es vor allem um einen Menschen, der als Vermieter in meinem Leben zumindest 10 Jahre eine bedeutende Rolle spielt.
Zu Ava Max meint der nur eins ... "der Erfolg gibt ihr Recht" und gleiches gilt für modern Talking, Helene Fischer und sehr viele andere.
Dass es mir nicht um Erfolg geht, versteht der gute nicht im Ansatz.

Natürlich finde auch ich im Pop und Jazzbereich immer wieder Stücke, die mir sehr gut gefallen ... aber die Laienpraxis des Realbookdudelns (wo dann jeder dringend sein 16taktiges Solo haben muss) finde ich nur langweilig.
Zum drölftausendsten mal eine Harmoniefolge aus Tonika, Tonikaparallele, Subdominante und Dominante (in allen Permutationen) zu hören, haut mich irgendwie auch nicht mehr so vom Hocker.
Den Song "Video killed the Radio Star" halte ich für prophetisch ... heute kommt es mehr drauf an, nett anzusehen zu sein ... die Musik ist gerade im Pop doch eher Nebensache. Bei vielen bleibt wohl auch eher die Tanzchoreografie oder Passagen aus dem Video hängen als die Musik.

Aber der Erfolg gibt ihnen leider trotzdem Recht und wenn man nur dran interessiert ist, mit möglichst wenig Anstrengung Geld zu kassieren, dann ist Pop eben einfach "the weapon of choice".

Wahrscheinlich ist mein Blick da aber auch zu sehr der eines nie wirklich am "Mainstream" interessierten Menschen.
 

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