Elementare Musiktheorie Mythen

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Hallo, ganz bewusst bei den Anfängerfragen und nicht bei Theorie, ... möchte ich Mal fragen, warum der Musiktheorie ein solch unglaublich schlechtes und grundfalsches Bild anhängt.
Leute, die Informatik studiert haben und Programme schreiben, die andere anspruchsvolle Fächer studiert haben bekennen hier offen ihre Ehrfurcht (oft mehr Furcht als Ehre) vor der elementaren (und wahrhaftig einfachen) Musiktheorie!
Das geht mir nicht ein!!
Gibt's dafür Gründe?
 
Musik als Spaßfaktor, da ist kein Platz für Hirnarbeit...
 
Leute, die Informatik studiert haben und Programme schreiben, die andere anspruchsvolle Fächer studiert haben bekennen hier offen ihre Ehrfurcht (oft mehr Furcht als Ehre) vor der elementaren (und wahrhaftig einfachen) Musiktheorie!
Grundlagenwissen in der Informatik und im Bereich der Programmierung kann man sich durch logisches Denken bei ausreichend vorhandenem technischem Verständnis erschließen. Man braucht dazu weder gut hören können, noch feinmotorische Fähigkeiten entwickeln. Dicke Wälzer gibt es genügend und bei Problemen lassen sich Lösungsansätze in nicht minder dicken Foren finden.
In diesen Foren und da wird bereits ein Unterschied deutlich, würde kaum einer auf die Idee kommen, einen Hobby-Programmierer zu sagen, er möchte sich erst einmal einen Lehrer suchen. Dafür aber möglicherweise Hinweise, sich erst einmal dieses oder jenes Buch für den Einstieg zu besorgen, um sich alleine erforderliche Grundlagen anzueignen.

Nun Musiktheorie, ohne das eigene Gehör etwas zu schulen, läuft da ja schon einmal rein gar nichts. Für Späteinsteiger wird es mit jedem Lebensjahrzehnt schwieriger. Allein über technisches Verständnis erschließt diese sich nicht und ich würde meinen, da liegt ein wesentlicher Unterschied.
 
Musiktheorie, ohne das eigene Gehör etwas zu schulen, läuft da ja schon einmal rein gar nichts. Für

Das ist die typische Henne-Ei Problematik!
Es gibt sehr unterschiedliche Lerntypen: der erste lernt durch Hören und Spielen und eignet sich die Bezeichnungen und Beziehungen später oder nie an, der andere lernt intellektuell die Dingen (Intervalle, Akkorde, Tonleitern, Quintenzirkel, Kadenzen, ...) um dann später oder viel später damit spielen zu können. Gerade bei Erwachsenen funktioniert der erste Ansatz (Hören-Spielen- Benennen), so sehr er aus musikpädogogischer Sicht auch zu bevorzugen ist, zuweilen eher schleppend. Dafür können alle Arten von Hemmungen, aber auch manuelle Schwierigkeiten verantwortlich sein.
Ich bin aber durchaus der Meinung, dass Klavierunterricht auch Musikunterricht in einem sehr umfassenden Sinne sein sollte!
 
Es ist dasselbe Problem wie bei Mathe. Das ist ein rotes Tuch, eine black box. Wenn man anfängt, sich dem Thema behutsam und gut erklärt zu nähern, ist es nicht so kompliziert, wie es scheint. Ich lasse immer wieder mal, mehr oder weniger "absichtlich" etwas im Unterricht fallen und finde so heraus, wie genau jemand informiert ist und wie leicht ihm etwas fällt; auch, wie groß das Interesse ist und wie groß ich den "Nutzfaktor" aktuell einschätze. Danach richtet sich dann, wie viel ich weiterhin darauf eingehe. Es kann nicht immer alles Priorität im Unterricht haben.
 
Ich bin aber durchaus der Meinung, dass Klavierunterricht auch Musikunterricht in einem sehr umfassenden Sinne sein sollte!
Ja, das ist doch auch richtig. Und gerade da wird doch ein Unterschied deutlich. Wenn ich meine Kenntnisse in Geschichte vertiefen möchte, um fachlich versierter zu werden oder einfach nur um Wissenslücken zu schließen, brauche ich keinen Lehrer, sondern eher Literaturempfehlungen. Wenn ich meine Kenntnisse in der Programmierung vertiefen möchte, dann ebenso, plus Streitgespräche mit Entwicklern, die mich auf Spaghetticode und Sicherheitslücken hinweisen. Einige Grundlagen oder Teilgebiete von Informatik saugt man nebenher mit auf.

Beim Klavier spielen lernen ist hingegen die häufige Empfehlung, sich eine/n möglichst gute/n Klavierlehrer/in zu suchen, durchaus berechtigt. Zumindest für die, die eines Tages professioneller Klavier spielen möchten, als der eine oder andere Hobbypianist oder Rentner nur zu Weihnachten. Darüber wurde bereits viel diskutiert und dagegen gibt es nichts zu sagen oder einzuwenden.
Und das Klavierspielen lernen sollte sich schon mit dem Schulen des Gehörs und mit etwas Theorie dazu ergänzen. Nur man kann den theoretischen Teil nicht einfach mal so für sich und unabhängig betrachten und lernen, wie es auf oder in einigen anderen Gebieten möglich ist. Sonst bleibt dieser Teil schwer bis unverständlich.
 
...die Theorie ist eine graue Betonmauer, welche von missmutigen Mauerblümchen um die klingende Gefühlskunst herum gemauert wurde - der wahre Gefühlsmensch aber beachtet diese schnöde Mauer nicht. Denn man sieht nur mit dem Herzen gut. Dann hat man das Gefühl für schöne Lieder. Und so.
:lol::lol::lol:
 

Umgekehrt ist es bei auf dem Gebiet des Rechts: da erhebt sich jeder Laie am Stammtisch zum Fachjuristen. ;-)

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, weshalb es bei Musiktheorie Berührungsängste gibt. Ich hatte Musiktheorie in der Schule und der Musiklehrer sagte bereits, dass Musik eine Schwester der Mathematik ist. So wie manche Schwierigkeiten in Mathe hatten, haben sie vielleicht auch das Notensystem und einfachste Prinzipien der Funktionstheorie nicht verstanden, wo dann so seltsame Begriffe wie "Subdominante" gelernt werden mussten. Aber obwohl das zumindest in meiner Schulzeit zum Lehrstoff gehörte scheint es recht viele Menschen zu geben, die keine Noten lesen können, denn ich höre/lese ja sogar bei denen, die ein Instrument lernen wollen, dass sie keine Noten lesen können, es nicht lernen wollen, wie Noten funktionieren, bzw. sie wollen ohne Noten spielen.

Der Wunsch, Musik zu machen, scheint emotionalen Impulsen zu folgen: man hört schöne Stücke oder schöne Klänge und denkt sich das will ich auch. Nicht jeder ist aber dabei geneigt, der Theorie nachgehen zu wollen, wie Musik funktioniert, wie ein Instrument funktioniert, etc. Die Menschen sind halt unterschiedlich gestrickt.

Und zu einem Pop-Lied mitträllern können die meisten ohne jegliche Kenntnisse, da liegt vielleicht die Erwartung nahe, beim Klavier seie das Wissen um Theorie unnötiger Ballast. Aber ich kann die Erwartung sogar insoweit bestätigen, dass fast alle, mit denen ich früher Rock-Musik machte, sich um Musiktheorie gar nicht gekümmert haben. Ein befreundeter Bassist kennt nicht mal den Unterschied zwischen Dur und Moll. Und es hat trotzdem funktioniert. :denken:
 
Na ja, Notenlesen hatten wir auch in der Schule und das war dann doch recht schnell wieder da. Irgendwie kam mir dann auch noch der Quintenzirkel bekannt vor, doch ob wir noch sehr viel mehr in der Schule hatten, keine Ahnung, da setzt meine Erinnerung aus. Falls ja, so wurde es mit den Jahrzehnten verschüttet.

Nur mit einem Buch über Notenlesen hat sich aber für mich die Musiktheorie nicht erledigt. Als nächstes folgte ein Buch über Harmonielehre und ich könnte nun nicht behaupten, dass ich mit einmal lesen da wirklich viel kapiert hätte. Ab und an ging dann beim Durchblättern des nächsten Buches "ABC Musik - Allgemeine Musiklehre" ein Lichtlein an, nun arbeite ich ein weiteres Buch durch. Könnte jetzt nicht behaupten, dass ich dadurch besser oder schneller Klavierspielen lernen würde, deshalb lerne ich den theoretischen Teil nicht. Nur etwas mehr möchte ich halt auch von der Theorie verstehen.

Doch eben die Musiktheorie erscheint mir nicht einfacher, als wie andere theoretische Bereiche, lässt sich jedoch nicht eigenständig ohne Schulung des Gehörs lernen. Da habe ich bislang mehr Probleme.
Dem steht gegenüber, nur Hören und Fühlen genügt halt vielen bereits, die sich nicht unbedingt mit der theoretischen Seite noch befassen möchten. Und ein Künstler auf seinem Gebiet, der braucht nun einmal nicht unbedingt ein guter Theoretiker oder Mathematiker zu sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Könnte jetzt nicht behaupten, dass ich dadurch besser oder schneller Klavierspielen lernen würde, deshalb lerne ich den theoretischen Teil nicht.

In bestimmten Bereichen des Klavierspiels war die Theorie für mich unerlässlich: Improvisation, Arrangieren oder auch nur transponieren z. B., also insbesondere dann, wenn Kreativität gefragt ist oder etwas anderes gefragt ist als fertig notierte Literatur zu Gehör zu bringen.

Sie ist aber auch die Basis dafür, die Musik zu verstehen: wie Rhythmen funktionieren, warum welche Töne welche Wirkung erzielen in einer Melodie und wie Harmonien untereinander funktionieren, wie Instrumente gestimmt werden können, etc.

Im Klavierunterricht gehörte Theorie - insbesondere Harmonielehre, aber z. B. auch Gehörbildung - bei mir von Anfang an dazu.
 
Ja, so in etwa deckt sich das mit meinen Beweggründen. Nur findet man nicht immer gerade das, wonach man sucht. Als Beispiel eine einfach und verständlich geschriebene Arbeit, davon gibt es zu wenige, würde ich meinen. Ist zwar nicht für Piano, mir hat diese aber dennoch geholfen und ausprobieren tue ich es dann halt am Computer.

http://www.tullamorestew.de/downloads/diplomfolk.pdf
 
...die Theorie ist eine graue Betonmauer, welche von missmutigen Mauerblümchen um die klingende Gefühlskunst herum gemauert wurde - der wahre Gefühlsmensch aber beachtet diese schnöde Mauer nicht. Denn man sieht nur mit dem Herzen gut. Dann hat man das Gefühl für schöne Lieder. Und so.
:lol::lol::lol:

Eine wahre Geschichte, ungelogen:
Es war kurz vor dem Abi. Mein bester Freund und ich wurden von Einigen im Musik-Leistungskurs um Nachhilfe gebeten, was wir auch bereitwillig taten. Ungefähr eine Woche vor dem Abi wurde ich dann von einer Kommilitonin zu Beginn der Stunde mit den Worten begrüßt "Gell Kirsten, Moll ist, wenn vorne bs stehen!?" Wir hatten uns dann auf Husten- (einmal: dur, zweimal: moll) und Räusperzeichen (einmal: Barock, zweimal: Klassik....) verständigt. Sie war nicht die einzige, die trotz Leistungskurs mit aller Theorie auf Kriegsfuß stand...

Ich befürchte, dass ich leider den Nutzen der Musiktheorie für mein Spiel (ausgenommen Improvisation) noch nicht erkannt habe. Dieses automatische "jetzt also die Subdominatparallele" ist bei mir nicht verlinkt. Und wenn ich es weiß, spiele ich eigentlich nicht anders. Hm.
 
bekennen hier offen ihre Ehrfurcht (oft mehr Furcht als Ehre) vor der elementaren (und wahrhaftig einfachen) Musiktheorie

Was meinst Du mit "elementarer Musiktheorie"? Dur, Moll, Tonika, Subdominante, Dominante?
Um die kommt doch niemand herum, wenn er nicht völlig planlos durch jedes beliebige Stück irren will.

Also meinst Du vermutlich etwas Anderes. :konfus:

Die Befassung mit Musiklehre (das gefällt mir besser als "Theorie", weil die Lehre eigentlich nicht "theoretisch" ist sondern extrem praktisch) im Unterricht nimmt immer Zeit in Anspruch. Ich kann mir gut vorstellen, dass im Unterricht dieses Feld in der Regel aus Zeitmangel nicht soooo intensiv beackert wird. Die Lehrkraft setzt stillschweigend eigene Recherchen voraus. "Bücherlesen" hat gravierende Nachteile für Anfänger, wenn die Beispiele aus Stücken gezogen werden, die man gar nicht kennt und noch viel weniger spielen kann.

Ich finde es gut, wenn die Musiklehre von Anfang an (ab dem Beginn des Klavierunterrichts) entlang der sukzessiv komplexer werdenden Stücke mitgelernt wird. Dann gehört die Befassung mit der "Theorie" einfach dazu, wird weniger als Theorie denn als Unterstützung für die Praxis begriffen und baut organisch aufeinander auf, so dass nie große Wissenslücken entstehen.
 
Was meinst Du mit "elementarer Musiktheorie"? Dur, Moll, Tonika, Subdominante, Dominante?
Um die kommt doch niemand herum, wenn er nicht völlig planlos durch jedes beliebige Stück irren will.

Schön wär's!

Ich befürchte, dass ich leider den Nutzen der Musiktheorie für mein Spiel (ausgenommen Improvisation) noch nicht erkannt habe. Dieses automatische "jetzt also die Subdominatparallele" ist bei mir nicht verlinkt. Und wenn ich es weiß, spiele ich eigentlich nicht anders. Hm.

Stell Dir vor, Du willst Beethoven op. 13 langsamen Satz lernen!
Du kannst natürlich einen Ton nach dem anderen buchstabieren, aber es geht auch anders:
Wir sind in As-Dur, der Tonvorrat ist damit geklärt, dann:
Erstes Viertel As-Dur (Tonika, Terzlage), dann Sekundakkord der Dominante, usw.
Mal abgesehen, davon, dass die Spannungsverhältnisse zwischen den Harmonien (der wichtige Bass Des auf der zweiten Harmonie) klar werden, kannst Du so die ersten beiden Zeilen des Stück ein für allemal in weniger als 5 Minuten sicher auswendig lernen.
Und so ist das ganze Stück leicht und schnell zu lernen. Eventuell ohne ein Klavier anzufassen!
 

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