Ein Cembalo stimmen

D

devasya

Dabei seit
20. Apr. 2013
Beiträge
487
Reaktionen
415
Vielleicht tummeln sich hier im Forum noch ein paar Cembaloliebhaber :-), also dachte ich mir (und auf Nachfrage von @Musicanne ) man könnte vielleicht einen Thread zum Thema "wie stimme ich mein Cembalo" erstellen. Dort soll alles seinen Platz haben... Tipps und Tricks, Fragen zu den unterschiedlichen Stimmungen, usw.

Ich pack' deshalb meine Frage (aus einem anderen Thread genommen) auch gleich hier hinein:

Mein Lehrer hat mir kurz vor der Sommerpause "nach Gehör" mein Cembalo gestimmt. Ich glaub', es war Kellner. Mein Cembalo hatte im Anschluss einen sehr schönen und warmen Klang. Glücklicherweise hat die Stimmung auch relativ lange gehalten.

Danach hab' ich's wieder gestimmt, aber ich kann's halt nur ganz obligatorisch mit Stimmgerät (die '-gestrichene Oktave) und im zweiten Schritt dann nach Oktaven und Primen von unten nach oben. Klappt soweit auch immer besser und zügiger, nur fehlt seitdem der warme Grundcharakter.

Deshalb möchte ich einen ersten Versuch starten, mein Cembalo auch nach Gehör (Kellner) zu stimmen. Den Vorgang hab' ich soweit auch mehr oder weniger verstanden, nur erschließen sich mir zwei Dinge nicht.

1) Ich hab' mit "dem Anfang" Probleme, will heißen: bei Kellner starte ich ja von einem c aus.. und mache die Terz (e) weiter, also leicht überschwebend. Aber auf welche Weise lege ich die eigentliche Tonhöhe fest?

2) Wenn ich die Terz leicht erhöhe und die Quint im Folgeschritt "enger mache"... muss ich hierfür dann exakt diesselbe Strecke zurücklegen, oder? Will heißen: wenn ich die Terz um sagen wir mal 0,3 mm weiter mache, dann sollte die Quint auch um genau denselben Weg enger werden... sowie auch alle weiteren Quinten, die enger zu gestalten sind. Oder? ;-)

Liebe Grüße,
Deva
 
Nach Gehör stimmen zu lernen ist auf jeden Fall ein längerer Prozess. Du bräuchtest jemanden, der es dir am Instrument zeigt und erklärt.

Eine Abkürzung wäre, die Temperatur mit einem elektronischen Stimmgerät zu legen. Dazu müsstest du nur für die jeweiligen Töne die Abweichung in cent zur gleichstufigen Temperatur einstellen. Siehe z.B. hier:
http://www.orgelbau-rohlf.de/themen/pdf/Stimmung_Bach-Kellner.pdf

Wenn du nach Gehör diese Stimmung sauber in Oktaven nach oben und unten erweitern kannst, dann ist das schon ein guter Anfang und man könnte damit ein gut gestimmtes Instrument bekommen.

Zum eigentlichen Stimmen nach Gehör: Die genaue Festlegung von Intervallabständen macht man über Schwebungen (eine Art Vibrieren oder Pulsieren bei zwei gleichzeitig angeschlagenen Tönen). Für den Anfang muss man dabei bewusst auf bestimmte Geschwindigkeiten der Schwebungen achten, später hört man eine bestimmte "Qualität" sofort und erkennt das als richtig. Bei rein eingestimmten Intervallen verschwindet diese Schwebung. Geht man über "rein" hinaus, ist das Intervall etwas größer, oft auch überschwebend genannt, geht man unter "rein", ist das Intervall enger, unterschwebend genannt. Je weiter man sich vom "reinen" Zustand entfernt, desto schneller werden die Schwebungen.

Ich habe auf die Schnelle mal dieses Video gefunden, wo einige der beschriebenen Prozesse gezeigt werden:

View: https://www.youtube.com/watch?v=E9IqD_04G0s


Schön ist, dass er hier die Schwebungen mit der Hand anzeigt. Z.B. bei 1.36 macht er einen "glatten Strich", für schwebungsfrei, bei 1.44 zeigt er die Geschwindigkeit der temperierten Terz an. Kurz noch zur Terminologie: im Video bezeichnet "Wobble" oder "slight Twang" Schwebung bzw. leichte Schwebung. Narrow ist eng (unterschwebend) und Wide ist weit, überschwebend.

Das gute am Cembalo (im Gegensatz zum Klavier) ist, dass man immer erstmal nur eine Saite zu stimmen hat und wenn man am Ende mit der Temperatur nicht auskommt, fängt man einfach nochmal von vorn an.

Mit "mm" kommst du beim Stimmen nicht weit. Orientiere dich an Schwebungen (gemessen in Anzahl Schwebungen pro Sekunde) oder Abweichungen zur gleichstufigen Temperatur in cent. 100cent entsprechen in der gleichstufigen Temperatur dem Abstand eines Halbtons. Die Oktave hat 1200 cent.

Falls dein Cembalo mehrere Register hat, stimmst du erst eins und wenn das fertig ist, das zweite zum ersten. Meistens klingt das Cembalo besser, wenn man es in zwei Durchgängen stimmt, besonders wenn die letzte Stimmung schon eine Weile zurück liegt und es etwas abgesackt ist.
 
@jensen1

Vielen Dank für den tollen Beitrag :-)

Nach Gehör stimmen zu lernen ist auf jeden Fall ein längerer Prozess. Du bräuchtest jemanden, der es dir am Instrument zeigt und erklärt.

Ich hab' meinem Lehrer damals beim Stimmen sehr genau zugeschaut und zugehört, aber ich hätte mir deutlich mehr Notizen machen sollen, da ich vieles von dem, was er getan hat, leider wieder vergessen habe. Ich denke auch, dass man so etwas sehr oft üben muss, um Routine zu bekommen, grade was das Hören der Schwebungen (und das exakte Stimmen derselben) anbelangt.

Eine Abkürzung wäre, die Temperatur mit einem elektronischen Stimmgerät zu legen. Dazu müsstest du nur für die jeweiligen Töne die Abweichung in cent zur gleichstufigen Temperatur einstellen. Siehe z.B. hier:
http://www.orgelbau-rohlf.de/themen/pdf/Stimmung_Bach-Kellner.pdf

Danke für den Tipp! Ich hab's so versucht: hab' zuerst das a' mit Stimmgerät gestimmt... ich glaube, ich hatte das a' damals bei 440 angesetzt, bin mir aber nicht mehr ganz sicher. Hab' dann die Oktav runter zum kleinen a rein gestimmt, bin dann hoch zum c' und hab daraus eine kleine Terz gemacht. Von da an wäre ich dann losgestartet, nach Kellner. Aber ich merke grade, dass das nicht wirklich Sinn ergibt.

Zum eigentlichen Stimmen nach Gehör: Die genaue Festlegung von Intervallabständen macht man über Schwebungen (eine Art Vibrieren oder Pulsieren bei zwei gleichzeitig angeschlagenen Tönen). Für den Anfang muss man dabei bewusst auf bestimmte Geschwindigkeiten der Schwebungen achten, später hört man eine bestimmte "Qualität" sofort und erkennt das als richtig. Bei rein eingestimmten Intervallen verschwindet diese Schwebung. Geht man über "rein" hinaus, ist das Intervall etwas größer, oft auch überschwebend genannt, geht man unter "rein", ist das Intervall enger, unterschwebend genannt. Je weiter man sich vom "reinen" Zustand entfernt, desto schneller werden die Schwebungen.

Vielen Dank für die gute Erklärung! Eben, ich hab' leider die schlechte Angewohnheit entwickelt, mir die Töne falsch "einzuprägen". Wenn ich mir zB. das a' meines Cembalos akustisch merke und sagen wir mal vier Wochen darauf nicht mehr spiele und es dann erneut anschlagen würde, dann höre ich den Unterschied, also den Fall nach unten, kann mir diesen aber akustisch nicht merken, sondern stelle mir "die Tonverschiebung" bildlich als Strecke vor und kann sie dann benennen. Ein Halbton wären bei mir 0,5 mm :-D

Muss mir das abgewöhnen, weil beim Stimmen von Intervallen hilft mir das nicht wirklich weiter. Reine Intervalle klappen eh' immer besser, weil man den "gemeinsamen Punkt" der beiden Töne besser hört, also die Verschmelzung derselben (kanns leider nicht besser beschreiben).

Werd' mich morgen Abend ans Cembalo setzen und versuchen, mir diese unterschiedlichen, akustischen Formen einzuprägen.

Das heißt also: wenn ich eine Quint enger mache, dann schwebt (also dieses "oin oin oin"-Gefühl) das g akustisch langsamer als vorher? Wenn ich es überschwebend gestalten würde, würde die Schwebung schneller werden.
 
Ich habe an dem Cembalo daheim mal mit diesen Anleitungen herumprobiert. Es hat aber eine ganze Weile gedauert, bis eine halbwegs brauchbare Stimmung herausgekommen ist. Wenn man das unter Zeitdruck hinbekommen muss (z.B. in der Pause eines Konzertes), braucht man wohl eine Menge Übung.
 
ich verwende seit kurzem für mein Spinett ein Stimmgerät, das auch eine optische Anzeige für die Präzision des richtigen Tones anzeigt. Habe einige Male nur die optische Anzeige verwendet und war nicht sehr begeistert davon.
Deshalb bin ich wieder zurück zur akustischen Anzeige zurückgekehrt d.h. ich stimme eine Oktave von a1 bis a² nach dem Gerät. Dann wird das Teil weggelegt und alles andere wird makellos in Oktaven rein gestimmt. Jetzt ist die Stimmung ok. und ich stelle mit Freude fest, daß mein gutes Gehör nach wie vor absolut zuverlässig ist.
Es gibt sicher Geräte mit historischen Stimmungen, die man dann "fertig" anwenden kann.
Da mein Spinett nach der Renovierung eine Transponiervorrichtung hat ( 415Hz ) hat, bin ich damit für gemeinsames Musizieren gerüstet.
Der Preis für dieses Teil ist mit nicht ganz 10 € inkl. zwei Batterien absolut staunenswert.
Kann ich sehr empfehlen.

burton
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht tummeln sich hier im Forum noch ein paar Cembaloliebhaber :-), also dachte ich mir (und auf Nachfrage von @Musicanne ) man könnte vielleicht einen Thread zum Thema "wie stimme ich mein Cembalo" erstellen. Dort soll alles seinen Platz haben... Tipps und Tricks, Fragen zu den unterschiedlichen Stimmungen, usw.

Ich pack' deshalb meine Frage (aus einem anderen Thread genommen) auch gleich hier hinein:

Mein Lehrer hat mir kurz vor der Sommerpause "nach Gehör" mein Cembalo gestimmt. Ich glaub', es war Kellner. Mein Cembalo hatte im Anschluss einen sehr schönen und warmen Klang. Glücklicherweise hat die Stimmung auch relativ lange gehalten.

Danach hab' ich's wieder gestimmt, aber ich kann's halt nur ganz obligatorisch mit Stimmgerät (die '-gestrichene Oktave) und im zweiten Schritt dann nach Oktaven und Primen von unten nach oben. Klappt soweit auch immer besser und zügiger, nur fehlt seitdem der warme Grundcharakter.

Deshalb möchte ich einen ersten Versuch starten, mein Cembalo auch nach Gehör (Kellner) zu stimmen. Den Vorgang hab' ich soweit auch mehr oder weniger verstanden, nur erschließen sich mir zwei Dinge nicht.

1) Ich hab' mit "dem Anfang" Probleme, will heißen: bei Kellner starte ich ja von einem c aus.. und mache die Terz (e) weiter, also leicht überschwebend. Aber auf welche Weise lege ich die eigentliche Tonhöhe fest?

2) Wenn ich die Terz leicht erhöhe und die Quint im Folgeschritt "enger mache"... muss ich hierfür dann exakt diesselbe Strecke zurücklegen, oder? Will heißen: wenn ich die Terz um sagen wir mal 0,3 mm weiter mache, dann sollte die Quint auch um genau denselben Weg enger werden... sowie auch alle weiteren Quinten, die enger zu gestalten sind. Oder? ;-)

Liebe Grüße,
Deva

Ich würde Dir die Anschaffung eines Stimmgerätes CT5 empfehlen.

Zwar kost des einiges, jedoch braucht ein Cembalo des öfteren eine Stimmung.

Hier hast Du 27 Stimmungen drauf - historische Stimmungen nach dem Gehör - das kann ja nicht einmal ich.

Ein Klavierbauer kann Dir ein solches Stimmgerät bestellen.

Wenn Du Interesse hast, gern per PN.
 
Ihr habt aber schon gesehen, dass die Frage von @devasya fünfeinhalb Jahre alt ist? Ich bin sicher, sie hätte sich gemeldet, wenn sie noch mehr Infos gebraucht hätte.
 
Oh je...ja, darauf hab ich ned geachtet :konfus:
 
ich auch nicht - macht nichts - danke !
 

Aber nützliche Info für Mitleser ;-)
 

Zurück
Top Bottom