dystonisch beeinträchtigtes Skalenspiel

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martinu16

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14. Juli 2016
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Hallo zusammen,

Ich bin neu in diesem Forum. Mein Beitrag ist eigentlich als ein verzweifelter Versuch zu werten, ein mich seit Jahren quälendes spieltechnisches Problem doch noch einer Lösung zuzuführen.

Meine Symptomatik ist derart speziell, dass hier unter Umständen nur ganz wenige weiterhelfen können. Aber sollte es irgendjemanden geben, dem diese pianistische Unzulänglichkeit - vielleicht sogar aus eigener Erfahrung - bekannt ist, wäre ich für Rückmeldungen sehr dankbar.

Wie im Thema schon angedeutet, geht es um das Skalenspiel der rechten Hand, das ab einem gewissen Tempo Unebenheiten im Bereich des Daumenuntersatzes offenbart.
Genau gesagt hält der 3. Finger während des Daumenuntersatzes seine Taste zu lange, weshalb er in weiterer Folge durch die Seitwärtsbewegung der Hand förmlich an der Nachbartaste hängen bleibt.
Jeder kann sich vorstellen, dass dies kein flüssiges Spiel erlaubt.

Nachdem bisher alle Überezepte versagt haben und offensichtlich komplette Therapieresistenz vorherrscht, gibt es pianistisch gesehen für mich eigentlich nicht mehr viele Möglichkeiten.
Zwei davon wären etwa:
a) sämtliche Stücke mit Tonleitern zu meiden - da gäbe es vor allem aus der Wiener Klassik nur mehr weniges zu spielen.
b) das Klavierspielen zur Gänze aufgeben
Dieser Schritt wäre für mich als Klavierlehrer schon aus beruflichen Gründen schwierig, abgesehen davon, dass ich es viel zu sehr vermissen würde.
Außerdem habe ich - das darf ich sagen - im Allgemeinen gute pianistische Anlagen, die ich schon pflegen möchte.

Ich habe noch vergessen zu erwähnen, das mir vor 3 Jahren Dr. Altenmüller in Hannover eine leichte Ausprägung einer tätigkeitsspezifischen fokalen Dystonie bescheinigt hat.
Allerdings erkenne ich mich in den meisten Beschreibungen dieser Krankheit kaum wieder, weil sich mein Krankheitsbild fast ausschließlich in der mangelhaften Ausführung des Tonleiterspiels Skalenspiel zeigt.
 
Hallo @martinu16,

nachdem Du bereits bei Dr. Altenmüller in Behandlung bist oder warst, weißt Du über "fokale Dystonie" sicher schon mehr als wir vermutlich je wissen wollen. Vor Allem über die möglichen neuronalen Ursachen derselben und deren spärliche Behandlungsmethoden.
Nachdem bisher alle Überezepte versagt haben und offensichtlich komplette Therapieresistenz vorherrscht
Wenn die Vermutung, dass es sich dabei um eine beginnende Überlappung neuronaler Regionen in der motorischen Steuerung handelt, richtig ist, dann wird "mehr Üben" das Problem nicht verbessern sondern eher verschlimmern. Jeder erfolgreiche Lernprozess in diesem Gebiet würde die Überlappung unter Umständen nur vergrößern.

Wollen wir also hoffen, dass Herr Altenmüller nicht Recht behält. Sonst wird es eher darum gehen, Dir zu helfen Dich mit der unangenehmen Situation zu arrangieren als um neue Möglichkeiten der Heilung.

Den Beruf als Klavierlehrer wirst Du deshalb nicht aufgeben müssen. Ich verlange von meiner Klavierlehrerin auch nicht, dass sie alles perfekt selbst spielen kann, nur dass sie mir zeigt wie ICH besser werden kann. Das ist auch in anderen "Sportarten" so. Um einen Athleten zu trainieren, muss man nicht selbst in allen Belangen besser sein als der Schüler.

Auch wenn Dir das bestimmt kein Trost ist, es haben schon Pianisten mit fehlenden Fingern und selbst Einhändige weiter erfolgreich am Instrument musiziert. Es ist eine Frage der Stück Wahl und wie man sich über die Problemstellen drüber spielt. Rachmaninow kann ja auch kaum wer so spielen wie Rachmaninow. Wer hat schon solche Pranken.

Welche Übung hat Dir Dr. Altenmüller verschrieben? Ich würde vermuten, dass es Bewegungsübungen abseits des Klaviers sind, um alternative Signalwege zu etablieren und das festgefahrene Bewegungsschema zu brechen. Es gibt bei Tonleitern ja auch kaum Variationsmöglichkeiten mit denen man die problematische Fingerbewegung durch eine andere Technik vermeiden könnte.

Ich bin nur interessierter Laie und kein Neurologe, wenn auch medizinisch vorbelastet. Ich bin auch am Klavier erst Anfänger. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass das Erlernen eines Zweitinstruments, etwa Gitarre, dem Gehirn in der Finger Koordination einen Restart verschaffen würde. Erst einmal weg aus der aktuellen Bewegungs Sackgasse.

Und vor Allem raus aus dem psychologischen Loch in dem Du vermutlich jetzt steckst.
 
Nachdem bisher alle Überezepte versagt haben und offensichtlich komplette Therapieresistenz vorherrscht
Wenn bereits alles ausprobiert wurde, bleiben wenig potenzielle Ratschläge übrig. ;-)

Als Klavierlehrer verfügst Du ja sowieso über die entsprechenden Skills, um
alternative Signalwege zu etablieren und das festgefahrene Bewegungsschema zu brechen
Es dürfte Dir alles bekannt sein, was man einem pianistischen LAIEN raten würde, z. B. die Kompensation spastischer Einschränkungen der Einzelfinger (oder Handhälfte) durch vermehrten Einsatz aus dem Arm/Handgelenk, raschere Verschiebung der kompletten Hand, um den auslösenden "Untersatz" so gering wie möglich zu halten, höheres (oder alternativ tieferes) Handgelenk über den entsprechenden Stellen, alternative Fingersätze u.dgl.m.

Die bei der fokalen Dystonie gern gegebene Botoxtherapie wurde Dir gewiss schon angeboten.

Ob´s zum Konzertieren auf professionellem Niveau reicht, weiß man erst hinterher, aber Klavierunterricht zu erteilen scheitert doch bestimmt nicht am schnellen Skalenspiel? .
 
Man darf relativ sicher sein, dass nicht alle Übemöglichkeiten ausgeschöpft wurden, um das Problem zu beheben.

Das Problem besteht ja darin, dass im Nervensystem eine Programmierung vorhanden ist, dass, wenn Situation X eintritt (die u.a. beinhaltet, dass Skala gespielt wird und dass schnell gespielt wird), der 3. Finger etwas Bestimmtes macht. Diese Programmierung ist hartnäckig.

Erforderlich zur Umprogrammierung ist, dass Du über mehrere Monate die auslösende Situation X strengstens vermeidest und - unter sehr guter fachlicher Anleitung - das Tonleiterspiel neu aufbaust. Zum Tonleiterspiel gibt es (da liegt bebob99 falsch) sooo viele Ansätze, manche zweckmäßig, manche unzweckmäßig - es ist also nicht unwahrscheinlich, dass Dein bisheriger sowieso nicht so super ist (Du beispielsweise sowieso zu viel "Untersatz" machst und zu wenig mit einer smoothen, gleichmäßigen Armbewegung arbeitest).

Du dürftest also über mehrere Monate super-konsequent keine Stücke normal spielen (jedenfalls keine, in denen Tonleitern vorkommen). Aber das sollte sich ja wohl - es geht ja um Deine Zukunft! - irgendwie mit dem Unterrichten vereinbaren lassen. Kannst ja stets sagen, dass Du das jetzt nicht vorspielen kannst (oder es mit der anderen Hand vorspielen).

Es dürfte Dir alles bekannt sein, was man einem pianistischen LAIEN raten würde, z. B. die Kompensation spastischer Einschränkungen der Einzelfinger (oder Handhälfte) durch vermehrten Einsatz aus dem Arm/Handgelenk, raschere Verschiebung der kompletten Hand, um den auslösenden "Untersatz" so gering wie möglich zu halten, höheres (oder alternativ tieferes) Handgelenk über den entsprechenden Stellen, alternative Fingersätze u.dgl.m.

Nach meiner Erfahrung sind im Bereich der "mittelguten" Pianisten (zu denen ist offenbar der Threadersteller zu rechnen) ganz erstaunliche Mängel in Spieltechnik, Können und Wissen zu finden; daher kann es gut sein, dass manche solcher Dinge Martinu eben nicht bekannt sind oder aber er sie nicht anwendet (oder denkt, er würde sie anwenden, in Wirklichkeit aber etwas anderes macht - hier bräuchte es einen ausgezeichneten Lehrer mit sehr guten Physiologie- und "Technik"-Kenntnissen).

Ich denke gerade: Martinu, was hieltest Du eigentlich davon, mal ein Video hochzuladen, auf dem man Dich eine Tonleiter spielen sieht, einmal langsamer (so dass der obige Bewegungsfehler nicht auftritt), einmal schneller, so dass man den Bewegungsfehler zu sehen kriegt?
Dann könnte man hier zumindest evtl. schon mal was zur Zweckmäßigkeit Deiner Tonleitertechnik sagen...

LG,
Hasenbein
 
Guten Morgen,

vielen Dank für die interessanten Rückmeldungen.
bebob99 fragt nach speziellen Übungen, die mir Prof. Altenmüller evtl. empfohlen hätte.
Das hat er nicht, aber er gab mir vor 3 Jahren die Adresse eines in Berlin lebenden Pianisten und Pädagogen mit viel Erfahrung im Bereich Retraining bei fokaler Dystonie..
Allerdings wäre es notwendig gewesen, über einen Zeitraum von ca. 2 Jahren alle 3 Wochen nach Berlin zu kommen, was für mich als Österreicher aufgrund der großen Entfernung nicht machbar war.

Hasenbein hat sicher recht, wenn er meint, die Therapie könnte nur unter fachlicher Anleitung gelingen. Allerdings wird es schwierig, wenn man nicht weiß, wen man kontaktieren soll und ob In der näheren Umgebung überhaupt wer in diesem speziellen Bereich qualifiziert helfen kann.

Die Idee mit dem Video hatte ich auch schon.
Es gibt eines in Zeitlupe und ein zweites in schnelleren Tempi.
Wie funktioniert hochladen? Zuerst auf den Button Datei hachladen und danach auf Antwort erstellen?
 
Hmmm... Österreich... der in Berlin ist vermutlich der gleiche, den ich Dir auch empfohlen hätte... schwierig...

Du kannst auch einfach das Video auf Youtube hochladen und hier verlinken... öffentlich ist es dann eh'...

LG,
Hasenbein
 
Hallo @martinu16 ,
der von @Barratt erwähnte Behandlungsansatz mit Botox - Injektionen wäre auch meiner Meinung nach einen Versuch wert. In letzter Zeit wurden zwei meiner Patienten auf diese Weise sehr effektiv bei Graphospasmus behandelt. Unter sonographischer Kontrolle wird in einen maßgeblichen Muskel alle paar Wochen eine Botoxdosis injiziert . Allerdings muß eine Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse vorliegen.
In wieweit sich unter dieser Therapie die Spiel-Feinmotorik handhaben läßt kann ich jedoch nicht sagen.
Einen Versuch wäre es aber meiner Meinung nach allemal wert.
Es sollte aber jemand machen, der sein Handwerk versteht.
Injektion an die falsche Stelle oder falsche Dosis bringt nichts.
LG Doc88
 
der von @Barratt erwähnte Behandlungsansatz mit Botox - Injektionen wäre auch meiner Meinung nach einen Versuch wert.
Ihr wisst aber schon, dass es sich bei der Botox Behandlug normalerweise um eine Therapie gegen einen schmerzhaften Krampf handelt, bei dem dem Patienten Erleichterung verschafft werden soll? Es ist möglichweweise nicht zielführend einen Muskel (teilweise) zu lähmen, um die Koordination der Feinmotorik bei höherer Geschwindigkeit zu verbessern.

Es würde aber ziemlich sicher verhindern, dass martinu16 in den nächsten Monaten die "gefährliche" Bewegung ausführt. Das erinnert mich ein wenig an die "Elektro Krampf Therapie", die in den letzten Jahren auch wieder auflebt.

Ich würde in jedem Fall Kontakt zur österreichischen Dystonie Gesellschaft suchen.
 
Ob man von der Muskeldetonisierung pianistisch profitiert, wäre eben auszuprobieren. Man kann ja auch niederschwelliger spritzen. Ohne praktischen Test wird man es nie wissen und es ist ja auch keine lebensgefährliche Operation.
 
Gelähmte Muskeln kann man wohl kaum zum Spielen nutzen. Sollen hingegen Muskeln gelähmt werden, die die eigentliche Bewegung behindern, ist es an der Zeit, mal vernünftig zu üben.
 
Gelähmte Muskeln kann man wohl kaum zum Spielen nutzen. Sollen hingegen Muskeln gelähmt werden, die die eigentliche Bewegung behindern, ist es an der Zeit, mal vernünftig zu üben.

Es gibt mehrere sehr berühmte Pianisten, die dieses Problem haben. Es liegt ganz sicher nicht daran, dass die nicht vernünftig üben können. Leon Fleisher ist einer davon, und er kann dank Botox wieder beidhändig spielen.
 

Es gibt mehrere sehr berühmte Pianisten, die dieses Problem haben. Es liegt ganz sicher nicht daran, dass die nicht vernünftig üben können.
Die interessante Frage hierbei ist doch: tritt dieses Problem signifikant häufiger bei "sehr berühmten Pianisten" auf als bei Tante Erna? Ich glaube, ja. Es scheint einfach ein zuviel zu geben und bei solchen Folgen ist das unvernünftig. Berühmt sein ist kein Ausweis für vernünftiges Üben. Lady Gaga ist auch berühmt und Menderes auch.

Und Peter Feuchtwanger hat m.W. behauptet, diese Fälle heilen zu können. Ob das stimmte, weiß ich nicht. Bekannt ist aber wohl, daß er jeder Form von Gewalt beim Üben den Kampf angesagt hatte.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Meine Symptomatik ist derart speziell, dass hier unter Umständen nur ganz wenige weiterhelfen können.
@martinu16 ...in der Tat... ich gestehe, dass ich dein zitierten Beitrag beim ersten lesen für eine Mischung aus Quatsch und Flunkerei gehalten habe (und neige nach wie vor dazu, dem Inhalt zu misstrauen...)
Um das nachvollziehbar zu machen, gebe ich den Inhalt mit meinen Worten wieder: ein Klavierlehrer mit allgemein guten pianistischen Anlagen wird wohl allerhand können müssen, denn sonst wären keine guten Anlagen da, aber exotischerweise geht in höherem Tempo aufwärts rechte Hand der "Daumenuntersatz" 1-2-3-1-2-3-4-1-2-3-1-2-3-4-1 nicht...
hm... Terzen, Sexten, Oktaven, Akkorde, Triller, Tremoli, mutmaßlich die zahlreichen der rechts tonleiterlosen Chopinetüden*) sowie rechts aufwärtstonleiterlose Sachen wie Chopins "Militärpolonaise" und die Scherzi b-Moll und cis-Moll nebst f-Moll Fantasie: derartige "Techniken" und Literatur sollte man ja bei einer Lehrkraft mit guten pianistischen Anlagen erwarten dürfen - und da geht rechts keine schnelle Skale aufwärts???

==> schon hier findet mein Misstrauen einen satten Nährboden - aber ok, das war ja nacherzählt und ausgeschmückt in meinen Worten... schauen wir deine an:
Wie im Thema schon angedeutet, geht es um das Skalenspiel der rechten Hand, das ab einem gewissen Tempo Unebenheiten im Bereich des Daumenuntersatzes offenbart.
Genau gesagt hält der 3. Finger während des Daumenuntersatzes seine Taste zu lange, weshalb er in weiterer Folge durch die Seitwärtsbewegung der Hand förmlich an der Nachbartaste hängen bleibt.
??
es ist in hohem Tempo vermutlich nicht leicht, so etwas zu bemerken und zu sehen - (im Fall von C-Dur) der 3.Finger hält das e, der 1.Finger spielt schon das f oder will das gleich tun: der lahme 3. Finger bleibt dann an der Seitenkante von f oder gar g hängen?? ...da muss man ja molto legatissimo in die Tasten quetschen, wenn man das nachzumachen versucht... (hab ich gerade probiert - im Fall des bei schnellen Passagen nötigen non legato kriegt man das mit dem hängen bleiben nicht hin!...)

....wie ist das eigentlich bei deinem spielen:
- bewegt sich der Arm nur bei den Untersätzen seitwärts?
- oder ist es eine permanente fließende "glissando"artige Seitwärtsbewegung?
- willst du schnelle Tonleitern partout legato spielen oder dass sie, wo erforderlich, legato klingen? **)

Deine Beschreibung legt nahe, dass dein spezielles 3.Finger-Problem ansonsten nicht auftaucht: d.h. die Fingerfolge 1-2-3-4-1 funktioniert, ohne dass der Ringfinger zu lange in seiner Taste bleibt - stimmt das?

Wenn du die leichteste und angenehmste aller Tonleitern rechts schnell aufwärts spielst, also H-Dur, macht dann bei dis-e der 3.Finger auch sein unwillkürliches/unmotiviertes (nicht nachvollziehbares) liegenbleiben?

Verantwortlich für das wahrlich exotische 3.Finger-Problem soll sein:
Ich habe noch vergessen zu erwähnen, das mir vor 3 Jahren Dr. Altenmüller in Hannover eine leichte Ausprägung einer tätigkeitsspezifischen fokalen Dystonie bescheinigt hat.
das ist dann aber schon ganz extrem tätigkeitsspezifisch, denn es ist ja nur ein Finger und der auch nur bei einer einzigen Bewegung (Sekundschritt***) aufwärts mit 3-1 - Sekundschritte aufwärts mit 3-4 und 4-1 funktionieren ja)
es dürfte also bei der Tonfolge c-d-e-e-f-g-g-a-h-h-c-d usw mit permanent 1-2-3 nicht vorkommen (weil Tonrepetition statt Sekundschritt)
es dürfte bei normalen Arpeggien wie c-e-g-c-e-g-c-e-g mit 1-2-3-1-2-3 ebenfalls ausbleiben

*********
genug gemisstraut :-D und noch bissel was konstruktives (für den Fall, dass das extrem spezifische Problem tatsächlich vorhanden ist ;-))
- alle schnellen Passagen bewußt staccato üben
- links Des-Dur abwärts vom f aus non legato spielen (müsste problemlos schnell gehen) - dann simultan rechts H-Dur aufwärts mit spielen, aber nur auf die like Hand achten --- kann sein, dass die rechte dann alles richtig mitmacht
- wer sich im Skalenspiel wirklich auskennt, der weiss, dass es nicht nur einen Fingersatz (1-2-3-1-2-3-4) gibt, sondern mehrere - und insbesondere für sehr schnelle Skalen sind oft bis meist andere Fingersätze als der "Schulfingersatz" besser; und wer sich da auskennt, der weiss auch, wo er die Muster für diese anderen Fingersätze findet! Und wer sich nicht auskennt, der darf bei Liszt und Busoni herumsuchen (und finden) ;-)
Wenn also der Sekundschritt aufwärts mit 3-1 partout nicht will, dann kann man diesen unschwer durch andere Fingersätze ersetzen - ein paar Beispiele a la Busoni:
C-Dur
komplett 12345-12345-12345 usw (!!)
1234-234-1234-234 usw
a-Moll melodisch aufwärts, d-Moll harmonisch aufwärts
12345-23-12345-23 usw (auch 24 statt 23)
H-Dur
134-1234-134-1234 usw
1234-234-1234-234 usw
Gründelt man verständig bei Liszt, Brahms, Busoni wird man noch viel mehr finden, und egal ob spezielle 3-1Dystonie oder nicht: wenn alles andere geht, dann kann man problemlos 3-1 ersetzen.



___________________
*) nur sehr wenige der insgesamt 27 Etüden von Chopin haben in der rechten Hand schnelle Tonleitern aufwärts :-)
**) wer tatsächlich über gute spieltechnische Fähigkeiten verfügt, der weiss:
- in hohem Tempo klingt non legato wie legato
- selbst bei legatissimo ist in jedem Anschlag eine loslass-Tendenz (man muss Tasten nicht permanent in den Tastenboden pressen, um Klänge zu halten und zu binden)
- nur in eher seltenen exotischen Spielfiguren ist längerer Druck durchs Armgewicht in Stützfingern nötig, z.B. Chopin Prelude d-Moll, Beethoven Sturmsonate Finale
***) ein bisschen Spaß muss sein:
his-cisis-disis-e-f-g mit 1-2-3-1-2-3 bleibt der 3. hängen
ces-des-es-e-f-g bleibt er nicht hängen
 
Es gibt mehrere sehr berühmte Pianisten, die dieses Problem haben. Es liegt ganz sicher nicht daran, dass die nicht vernünftig üben können. Leon Fleisher ist einer davon, und er kann dank Botox wieder beidhändig spielen.

Da gibt es auch noch Gary Graffman, den viele hier wahrscheinlich als Lehrer von Lang Lang und Yuja Wang kennen dürften. Ich habe mal gelesen, dass auch seine Verletzung auf eine Dystonie zurück zu führen sein könnte. Weiss hier jemand etwas genaueres? Ich habe Graffman dann vor Jahren einmal in Dortmund mit einem Programm rein für die linke Hand gesehen
 
Leider weder Quatsch noch Flunkerei - trotzdem vielen Dank, Rolf, für das ausführliche und qualifizierte Feedback.

Prof. Altenmüller selber fertigte in seiner Praxis eine Videoaufnahme meines Skalenspiels an.
In der Zeitlupeneinstellung sieht man deutlich das ungewöhnliche Verhalten des 3. Fingers.

Wie oben erwähnt wurde mir vom Professor - neben einer medikamentösen Behandlung - die Konsultation eines auf diesem Gebiet erfahrenen Pädagogen in Berlin empfohlen.
Dieser vermutete nach Ansicht meiner Videoaufnahme eine Dysbalance im Bereich der Außenhand.
Das überlange Halten des 3. Fingers sei ein Kompensationsmuster.
Er war zuversichtlich, mir helfen zu können.

Es war mir jedoch aus zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Gründen nicht möglich, regelmäßig die weite Reise nach Berlin auf mich zu nehmen, um unter seiner Anleitung ein Retraining zu versuchen.

Zum Thema ein Klavierlehrer mit guten pianistischen Anlagen wird wohl allerhand können müssen:
Tatsächlich spielte ich zu meinem Diplom ein durchaus virtuoses Prüfungsprogramm, das ich auch wirklich gut bewältigte.
Ob Zufall oder nicht - es fanden sich keine Stücke mit schnellen Tonleitern darin.

Seit jeher sind mir Tonleitern rechts aufwärts nie wirklich leicht von der Hand gegangen.
Ursprünglich war eher die Tendenz des zu spät anschlagenden 2. Fingers nach erfolgtem Untersatz zu beobachten.
Aber erst nach meiner Ausbildung bekam ich den Ehrgeiz, diesen Makel in meinem Spiel zu beheben.

Die Beschäftiging mit diesem Problem bekam bald zwanghafte Züge - ich verbrachte die meiste Zeit am Instrument nur noch tonleiternspielend.
Das Ergebnis ist bekannt - fokale Dystonie mit wenig Aussicht, je eine schnelle Skala mit den gängigen Fingersätzen spielen zu können.

Wie rolf bemerkt hat, gibt es tatsächlich kreative Fingersatzlösungen, und so bin ich gerade dabei, das 1-2-3-1-2-3-4-1... Muster zu ersetzen durch 1-2-3-4-1-3-4-1.........

Guten Abend!
 
Leider weder Quatsch noch Flunkerei - trotzdem vielen Dank, Rolf, für das ausführliche und qualifizierte Feedback.
nichts zu danken - und viel Erfolg beim umlernen!!!

Das überlange Halten des 3. Fingers sei ein Kompensationsmuster.
Er war zuversichtlich, mir helfen zu können.
hier macht mich das stutzig, denn es gibt in schnellen Passagen fast nie einen Grund, irgendeine Taste im Tastenboden zu halten -- abgesehen von der beschriebenen medizinischen Diagnose scheint mir, dass sich da ein grundsätzlicher spieltechnischer Mangel eingeschlichen hat; deshalb meine Frage: kannst du links problemlos sehr schnelle abwärts-Skalen spielen?

Die Beschäftiging mit diesem Problem bekam bald zwanghafte Züge - ich verbrachte die meiste Zeit am Instrument nur noch tonleiternspielend.
Das Ergebnis ist bekannt - fokale Dystonie mit wenig Aussicht, je eine schnelle Skala mit den gängigen Fingersätzen spielen zu können.
...zwanghaft ist natürlich immer ungünstig - hierbei umso mehr, wenn dabei kein perlendes non legato anvisiert wird.

Wie rolf bemerkt hat, gibt es tatsächlich kreative Fingersatzlösungen, und so bin ich gerade dabei, das 1-2-3-1-2-3-4-1... Muster zu ersetzen durch 1-2-3-4-1-3-4-1.........
Busoni Übungen I Tonleitern empfehle ich dir wärmstens!!!
Zudem kann nicht schaden, mit beiden Händen parallel Triller mit 1-3 bzw. 3-1 zu spielen (kann man in Chopins A-Dur Polonaise auch praktizieren)
 
Die Beschäftiging mit diesem Problem bekam bald zwanghafte Züge - ich verbrachte die meiste Zeit am Instrument nur noch tonleiternspielend.
Entspricht doch ganz meiner Vermutung: nämlich, daß solche Probleme keine Krankheit sind, sondern Ergebnis unvernünftigen Übens.

Ich habe Graffman dann vor Jahren einmal in Dortmund mit einem Programm rein für die linke Hand gesehen
was doch zu einer weiteren interssanten Frage führt: tritt dieses Problem bei Pianisten signifikant häufiger rechts auf?
 
Zu Rolfs Fragen noch folgende Anmerkungen:

meine linke Hand kann virtuose, perlende Tonleitern in beiden Richtungen spielen - obwohl ich das gar nicht trainiere.
die rechte Hand eben nur abwärts.

In den schnell ausgeführten b-Tonarten äußert sich die Trägheit des 3. Fingers zuweilen im Abrutschen auf das benachbarte "e",
wodurch dieses kurzfristig mitklingt :-(
Am besten funktionieren noch Kreuztonarten.

Den Fingersatz 1-2-3-4-1-3-4-1 habe ich übrigens schon vor 3 Jahren durch Herumprobieren entdeckt.

Darauf angesprochen meinte damals der Pianist aus Berlin, man könne ihn einstweilen verwenden, an Stabilität würde die Hand dadurch beim Skalenspiel aber kaum gewinnen.
Aus heutiger Sicht sehe ich schon eine deutliche Verbesserung, allerdings bin ich mit dem klanglichen Ergebnis noch nicht zufrieden.
 
Kann es sein, @martinu16 , dasz Du die Tonleitern rechts aufwaerts in Deiner Obsession hauptsaechlich schnell geuebt hast, da ja das Problem bei langsamem Tempo nicht auftrat?
Ich bin zwar ueberhaupt kein Spezialist der fokalen Dystonie, aber ich koennte mir vorstellen, dasz ein staendig schnelles Ueben mit Fixierung auf die Unzulaenglichkeit diese befoerdert anstatt zu beheben (selbt, wenn es "Stationsuebungen" sind usw.). Anders ausgedrueckt, Du muesztest eventuell zuerst Deine Hoererwartung "umprogrammieren", die schon das Haengenbleiben antizipiert, wenn ich das richtig verstehe. Ich weisz jetzt nicht einmal, ob es dabei gut ist, eine Tonleiter zu spielen, die ohne Zusammenhang relativ wenig musikalischen "Gehalt" hat. Vielleicht ist es besser ein Stueck zu nehmen, die Tonleitern darin vielleicht sogar mit voellig verrueckten Fingersaetzen wie 5-4-3-4-3-2-1 durch Gleiten zu ersetzen und in entsprechend langsamem Tempo aber mit vollem Ausdruck zu spielen ohne zu sehr an "die Technik" zu denken. Wenn man Freude an der langsamen Version gewinnt, kann man den Fingersatz wieder auf einen normalen umstellen. Trotzdem sollte man vielleicht ueberhaupt nicht an eine Temposteigerung denken? Wahrscheinlich musz man das monatelang machen, dann hat vielleicht das Hirn die falsche Programmierung vergessen, koennte man hoffen?
Auch bei einer Temposteigerung halte ich es fuer fatal, wenn man wieder das Auftreten des Problems erwartet, anstatt nur an die Musik zu denken. Damit meine ich besonders, sich den Flusz genau vorzustellen.
Noch eine Frage: Du schreibst, dasz es immer bei schnellen Tonleitern rechts aufwaerts passiert. Ist das eigentlich auch so, wenn Du andere Artikulationen benuetzt, z.B. staccato, bzw. ploetzlich pianissimo spielst und dann wieder ff?
Das einzige, was ich bei mir beobachte, ist, dasz ich Tonleitern zwar mit allen moeglichen technischen Finessen uebe, aber oft mit wenig Phantasie fuer Variation im Ausdruck, der Artikulation (sozusagen noch "schnell" 10 Minuten Tonleitern hinauf und hinunterrattern, "Stationsuebungen", Untersatzuebungen, Koordinationsuebung mit beiden Haenden). Es waere nur interessant, ob das Hirn das Problem ploetzlich vergiszt, wenn man z.B. aufwaerts die erste Oktave ff und die zweite pp spielte?
Viele Gruesze
Jannis
 

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