Hi PP,
ich glaube es interessiert doch niemand ausser uns.
Tja, mein Humor ist nicht jedermanns Sache.
Die Vorstellung, das Klavier wäre ein Schlaginstrument verursacht mir Unbehagen, Horowitz als Beleg dafür zu zitieren, verstärkt dieses Gefühl noch, daher habe ich mir ein kleines Wortspiel erlaubt: Horowitz - Horrorwitzchen.
Du wirst lachen. Irgendwann hatte ich das selber gemerkt, dass der Witz für dich der Horror an der Schlaginstrument Bezeichnung ist. Daran hatte ich zuerst nicht gedacht.
Jetzt finde ich ihn richtig gut.
Ich habe obenstehendes Zitat, welches Horowitz zugeschrieben wird, ebenfalls von einer "Zitatensammlung" aus dem Internet und wie es da so üblich ist, natürlich ohne Quellenangaben.
Tja, auch "mein" Zitat gibt es an mehreren Stellen, das sagt aber nichts über die Seriosität aus.
Aber vielleicht findet sich ja noch jemand mit einer Horowitz Biographie im Regal, der genaueres berichten kann.
Mit den Zitaten aus dem Internet ist das wirklich eine schwierige Sache. Ein Zitat aus einer Biographie wäre sicher am besten, wobei auch Biographien natürlich falsche Zitate enthalten können. Ich glaube, bei den Wissenschaftlern gilt ein Zitat erst dann als gesichert, wenn mindestens 2 völlig unabhängige Quellen das Zitat bestätigen.
Aber für unsere Zwecke halte ich das Horowitz Zitat für korrekt. Das wahrscheinlich englische Orginal kommt auch nicht aus einer Zitatensammlung.
Wie stehen Pianisten allgemein dazu, dass ihr Instrument mehr oder weniger degradiert wird?
Warum denn degradiert?
Ich glaube, das ist das Problem, das versteckt schlummert. Da ist doch nichts schlechtes daran, auf die Idee käme ich nie. Das Klavier ist nunmal kein Instrument auf dem man ein echtes Legato spielen kann, wie es zB bei der Gesangsstimme oder den Streichinstrumenten möglich ist.
Aber dafür hat es viele andere allein stehende herausragende Eigenschaften: Polyphonie, riesiger Dynamikbereich, riesiger Tonumfang, Pedal.
Ausserdem ist es
das Instrument der Komponisten.
Das Klavier ist ja auch nach meiner Lesart kein reines Schlaginstrument. Chiarina hat es gut erklärt, es ist ein Tasteninstrument bei dem klingende Saiten angeschlagen werden.
Das kantabile Spiel, das sicher zur höchsten Spielkunst am Klavier gehört, ist nicht die alleinig gewünschte höchste ästhetische Qualität am Klavier.
Ganz grob betrachtet gehört sie am meisten zur Romantik.
Hier ist eine ganz grobe Bachopin'sche Einteilung von ästhetischen Hauptqualitäten in bestimmten Stilepochen: Barock -> Polyphonie, Klassik -> Harmonie/Form, Romantik -> Kantabilität, Impressionismus -> Klang-Stimmung, klassische Moderne -> Rhythmik/erweiterte Harmonie
Ist nur ein stark vereinfachender Vorschlag, ich habe jetzt keine Doktorarbeit dazu gemacht.
Und für diese vielen anderen ästhetischen Qualitäten ist das Klavier auch wunderbar geeignet.
Jetzt nochmal zurück zur gewünschten Kantabilität. Ich bleibe dabei, das Klavier ist im Kern ein Schlaginstrument. Wer sagt, man muss zB die Saiten streicheln, der soll sich den Vorgang beim Erklingen einer Saite einmal genau anschauen. Es ist immer ein Schlag des Hammers auf die Saite. Etwas anderes lässt die Klaviermechanik gar nicht zu.
Wie schaffen es aber grosse Pianisten diesen kantabilen Eindruck trotzdem zu erwirken?
Nach meiner Beobachtung gibt es ganz grob 2 Erklärungsrichtungen:
1.) Es werden zusätzliche Eigenschaften und Mechanismen hinzugezogen, die mit dem physikalischem Wissensstand der Eigenschaften des Klaviers nicht erklärt oder vereinbart werden können.
2.) Es wird als hörpsychologisches Phänomen erklärt, das durch einen ganz spezifischen künstlerischen und individuellen Einsatz der vorhandenen musikalischen Parameter des Klaviers wie Artikulation, Dynamik, Pedal, Una Corda (fehlt noch was?) erzeugt wird.
Kannst es dir ja denken, ich gehöre zu 2.
Bei 2.) ist es mM auch ganz wichtig zu erkennen, dass der Klavierklang nicht nur ein physikalischer Klang ist. Der künstlerische Klang entsteht erst im Kopf/Bewusstsein (Psychologie) des Menschen. Nur dort gibt es künstlerische Qualitäten, davor ist es nur eine Schallwelle.
Natürlich gibt es auch Mischungen aus beiden Richtungen.
Gruß