BWV 936 Tipps zur Analyse?

Orchid

Orchid

Dabei seit
10. Okt. 2017
Beiträge
284
Reaktionen
1.075
Vielleicht hat jemand ein paar Tipps für mich:
Ich übe gerade Bach BWV 936 (aus "kleine Präludien und Fughetten"). Der KL meinte, zur Phrasierung könnte es hilfreich sein, die Harmonien zu kennen (Juhu, genau da will ich hin!), weil z.B. Töne, die von der Tonika zur Dominante springen (und umgekehrt) abgesetzt gespielt werden sollten. Töne, die die Tonleiter rauf-oder runterwandern, könne man legato spielen. Schon klar, dass das Interpretationssache ist. Das ist gerade auch gar nicht das Problem.

Jedenfalls sei es da schon hilfreich, zu wissen, in welcher Tonart man sich gerade befindet, welcher Ton also gerade Tonika oder Dominante ist. Das, zumal in Takt 7-9 von der Grundtonart D-Dur nach A-Dur moduliert wird und zurück.

Mein Problem ist: Ich kann die Harmonien nicht bestimmen. Und kann daher natürlich auch nicht erkennen, wo in eine andere Tonart moduliert wird (ja, ich weiß, i.d.R. wohl über die Dominantseptime der Zieltonart, aber dieses Wissen bringt mich hier nicht weiter). Bis zur nächsten Unterrichtsstunde dauert es noch eine ganze Woche. Ich zweifele auch etwas daran, dass mir das der KL so nahebringen wird.

Ich kenne natürlich Tonarten und Akkorde. Ich kann sie im Stück aber nicht identifizieren. Der KL hat mir ein paar markante Stellen im Stück harmonisch benannt. Aber ich möchte die Harmonien schon gerne selbst erkennen können. Und am liebsten für das komplette Stück. Ich stelle mir das so vor, dass ich z.B. rechts die Melodie spiele und links nur die Harmonie als einzelne Bassnote oder als Akkord.

Meine Frage:
Ist es erstens für interessierte Otto-Normal-Musiktheoretiker ohne Musikhochschulstudium überhaupt möglich, alle Harmonien des Stücks zu bestimmen? (Ich hoffe schon)

Ist es zweitens sinnvoll? (Ich hoffe ja)

Und falls dem so ist, hat drittens jemand Tipps, wie ich da herangehen kann?
z.B.
a) Schauen, zu welchem Akkord die vorkommenden Töne passen? Das fällt bei den vielen Durchgangstönen schwer. Bekomme ich so nicht hin.
b) Rechts normal spielen und links passende einzelne Bassnoten dazu finden (die dann meiner Hoffnung nach gleich die entsprechende Harmonie wären?) ? Finde ich gut, gelingt mir aber leider nicht.
c) Ganz anders herangehen? Aber wie?

Habe ich Chancen, das lernen zu können?

Falls jemand Tipps für mich hat, vielen Dank. Und liebe Grüße.

Dies ist übrigens das Stück:
IMG_20180405_203756.jpg
 
Ist es erstens für interessierte Otto-Normal-Musiktheoretiker ohne Musikhochschulstudium überhaupt möglich, alle Harmonien des Stücks zu bestimmen?
Ich konnte das lange, bevor ich an die Hochschule kam. Also lautet die Antwort: Ja.

Ja. Aber nicht, um daraus die Artikulation nach Schema F festzulegen. Die ergibt sich in polyphoner Musik hauptsächlich aus dem horizontalen Verlauf der Stimmen und weniger aus dem harmonischen Verlauf. Wobei das natürlich nicht ganz zu trennen ist.

Und falls dem so ist, hat drittens jemand Tipps, wie ich da herangehen kann?
Wenn du musiktheoretischer Anfänger bist - vergiss es! Um in einem überwiegend zweistimmigen Satz die immanenten Harmonien und Progressionen herauszulesen, muss man erst einmal den vierstimmigen Satz beherrschen und zudem Kenntnisse im Kontrapunkt erwerben, um beispielsweise Vorhalte von Durchgängen oder Wechselnoten unterscheiden zu können. Dein Lehrer muss das Praeludium Note für Note mit dir durchgehen, sonst wirst du den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen.
 
Hm. Danke @mick . Das macht mir nicht wirklich Mut.

um daraus die Artikulation nach Schema F festzulegen
Das ist gar nicht Sinn und Zweck meiner Harmonisierungs-Versuche, eher der Anlass dazu. Meine Intention ist eher tatsächlich das harmonische Verständnis. Wenn das (wie der KL gesagt hat) bei korrekter Artikulation helfen kann - umso besser.

Vierstimmigen Satz beherrsche ich nicht. Habe mich dazu mal an einem Harmonielehre-Werk versucht, fand es aber zu kompliziert, um alles zu verstehen. Habe das Buch (Jürgen Ulrich: Harmonielehre für die Praxis) daher so etwa beim Thema "Satz" zunächst beiseite gestellt. Nun gut, dann lese ich es jetzt zu Ende und versuche, alles zu verstehen.
Absoluter Theorie-Anfänger bin ich ja gar nicht, ich lese viel dazu. Ich weiß zumindest, was Vorhalte, Durchgangsnoten oder Wechselnoten sind. Ob ich sie auch in einem schwierigeren Notentext erkennen würde, weiß ich nicht sicher. In diesem Stück offenbar jedenfalls nicht.
Das Thema "Kontrapunkt" habe ich mir bisher auch noch nicht vorgenommen. Aber ich hatte es schon im Auge als eines der nächsten "Literatur-Projekte".

Dein Lehrer muss das Praeludium Note für Note mit dir durchgehen
Ich glaube leider, das wird er nicht tun.

Deinem Beitrag entnehme ich, dass mir wohl nichts anderes übrig bleibt, als geduldig zu bleiben und weiterhin Theoriebücher zu wälzen in der Hoffnung, dass dann mit der Zeit das Harmonieverständnis irgendwann schon kommen.
Vergessen will ich' s jedenfalls nicht. Aufgeben kommt gar nicht in Frage.

Danke für Deine Antwort.
 
Deinem Beitrag entnehme ich, dass mir wohl nichts anderes übrig bleibt, als geduldig zu bleiben und weiterhin Theoriebücher zu wälzen in der Hoffnung, dass dann mit der Zeit das Harmonieverständnis irgendwann schon kommen.

Nein, durch Lesen kommt das nicht. Nur durch Schreiben: Man muss Melodien harmonisieren, Generalbass aussetzen, Imitationen schreiben, Fugenexpositionen etc. Musiktheorie ist ein praktisches Fach.
 
Okay, das ist ja noch viel schlimmer :cry:. Also doch nichts für den ambitionierten Amateur. Dann wird Musik vielleicht ja doch ein großes Geheimnis für mich bleiben. Etwas, was man nachspielt ohne es zu verstehen. So wie der Papagei nachplappert, auch ohne zu verstehen. Denn das
Melodien harmonisieren, Generalbass aussetzen, Imitationen schreiben, Fugenexpositionen
liegt wohl noch außerhalb meiner derzeitigen Möglichkeiten.

Aber ich glaube, ich will trotzdem nicht aufgeben. Ich suche nur noch den richtigen Weg.
 
Also doch nichts für den ambitionierten Amateur.

Wieso nicht? Es besteht überhaupt keine Veranlassung zu glauben, dass man Profi sein müsse, um Musiktheorie zu lernen, zu verstehen und zu praktizieren (um mal bei dem Bild der praktischen Anwendung zu bleiben). Vielleicht klingt die Liste von Mick in ihrer Gesamtheit kompliziert, aber es sagt doch niemand, dass Du alles gleichzeitig und sofort können musst.

Nein, durch Lesen kommt das nicht. Nur durch Schreiben: Man muss Melodien harmonisieren

Damit könntest Du z.B. anfangen. Nimm Dir ein traditionelles Volkslied und fang an. Nicht nur im Kopf und am Schreibtisch, sondern auch am Instrument.
 
Es besteht überhaupt keine Veranlassung zu glauben, dass man Profi sein müsse, um Musiktheorie zu lernen, zu verstehen und zu praktizieren
Danke, @Dorforganistin, das hatte ich gehofft. Ich bleibe auch irgendwie dran. Ich habe gestern meinen KL gefragt, und er ist Teil 1 des Stücks dann doch sehr detailliert mit mir durchgegangen (ja, manchmal muss man die Dinge nur einfordern). Soo schwierig finde ich es eigentlich gar nicht, wenn mir jemand erklärt, wie ich da heran gehen muss. Jedenfalls konnte ich die Harmonien nachvollziehen. Ob ich selbst darauf kommen könnte, wird sich zeigen, denn den zweiten Teil versuche ich selbst harmonisch zu bestimmen. Mal schauen, wie weit ich komme.

Zu harmonisieren ist wohl ein guter Ansatz, das werde ich versuchen. Ich wünschte mir, ich würde das (und auch das Analysieren) gelegentlich als Hausaufgabe im Unterricht aufbekommen. Bisher habe ich neben der Arbeit am aktuellen Stück nicht genug Eigeninitiative dafür aufbringen können. Es gibt da ja noch so unendlich viel Anderes zu lernen, und der Tag ist irgendwie einfach zu kurz. Ich werde aber auch den KL bitten, mich insoweit zu fordern (oder fördern). Bisher war das noch kaum Teil des Unterrichts.
 

Zurück
Top Bottom