Besondere Abhandlungen

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Bernhard Hiller

Bernhard Hiller

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28. Aug. 2013
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Vorwort:
Hier möchte ich hin und wieder auf ein paar besondere wissenschaftliche Artikel verweisen, die manchmal mit Musik und ihrer Wahrnehmung zu tun haben, oder sonstwie interessant erscheinen.

Früher hatte ich so etwas unter "kürzlich gelesen" verbreitet, allerdings mutierte der Thread zu Gezänk.

Während Kommentare, Plaudereien und auch Lästereien willkommen sind, mögen die politischen Zankgeister ihre Trollerei bittschön auf die bereits massenhaft vorliegenden Zank-Threads beschränken.

Und natürlich seid ihr aufgerufen, Interessantes einzubinden.
 
Wie unsere Ernährung zur Veränderung der Sprache führte

In einem Forschungsartikel in Science ("Human sound systems are shaped by post-Neolithic changes in bite configuration", teilweise ohne Bezahlschranke zugänglich; und ein Editorial "How farming reshaped our smiles and our speech") wird die These untersucht, daß labiodentale Laute ("f" und "w") für Jäger- und Sammler zu schwer zu sprechen waren:

Durch ihre Nahrung hatten sie starken Abrieb an den Zähnen, so daß sie schließlich die Schneidezähne aufeinander stehend hatten. Erst mit weicherer Nahrung, die mit Ackerbau und Bearbeitung von Lebensmitteln einherging, konnte der kindliche Überbiß (d.h. die oberen Schneidezähne stehen über die unteren über) auch im Erwachsenenalter erhalten bleiben. Dazu zeigen sie alte Schädel.

Mit Modellen zeigen die Autoren, daß sich f und w mit einem Jäger- und Sammler-Gebiß nur schwer aussprechen lassen, jedoch mit einem heutigen problemlos.

Dann führen sie Statistiken über heutige Sprachen an: nur wenige Sprachen von noch vorhandenen Jäger-und Sammerlkulturen besitzen f/w, und dann typischerweisde in Fremdwörtern. Außerdem zeigen sie, wie sich diese beiden Laute in indo-germanischen Sprachen verbreitet haben.
 
Sprachlich sicher spannend, @Bernhard Hiller , die Betrachtungen.

Doch entscheidend wäre - zumindest in meiner ( etwas simpel gestrickten ) Weltanschau, ob solche oder andersartige Einschränkungen ( Asiaten können kein "r" usw. ) , nachteilhaft sich auswirken würden.

Nehmen wir die alten Mexikaner unter die Lupe, und wenn man mal was nicht versteht, Nachtrag : UND NICHT GLEICHARTIG parlieren kann -weil's Zahn und Zunge und Lippe nicht hergeben, ;-) - dann könnte eine verständige Dolmetscherin oder ein Dolmetscher in jedem - oder vielen - Falle / Fällen hilfreich sein, wie etwa:

Malinche.

https://de.wikipedia.org/wiki/Malinche

Okay, ob die dann alles genau nach Wunsch oder Sachgehalt wiedergeben, das wäre spannend, zuweilen hängt ja das nackte Leben davon ab.

Aber ansonsten:

Besondere Nachteile können bzw. konnten bestimmt umgangen werden: => Aufeinandertreffen der Kulturen und Austausch von Wissen, Begriffen, usw.!

In der GRUNDSCHULE waren wir alle in Klasse 3 oder 4 von einer Ärztin untersucht worden, und sie untersuchte auch unsere Zähne: Sie sagte sinngemäß ( ist etwas her ) :

"Am besten ist es, wenn ZAHREIHE AUF ZAHNREIHE steht..."

Ich selbst find das anstrengend, habe früher oft am Daumen genuckelt, so dass sogar heute noch meine Oberzähne zwar an den unteren Vorderzähnen vorbei gehen, aber sich an diesen schleifen, so bleiben sie wie bei Kaninchen schön scharf, und ich kann auch zähe Sehnen, Fleisch, usw. gut zerbeißen, das mir schmeckt! ( wenn die Beilagen auch stimmen !!! )

:super::super::super:

Gut, war etwas "humoristisch" der letzte Absatz, aber: Habe keine Schwierigkeiten, auch nicht mit englischem "TH" oder anderen komischen Sachen. Das klappt zur Zufriedenheit.

Eskimos oder Brasilianische Ureinwohner oder auch Afrikaner werden erwähnt:

Manche AFrikaner verwenden Klicklaute ( wie hieß der Hauptdarsteller in "Die Götter müssen verrückt sein " nochmal ??

Sie haben so Sachen wie "!Xiau" oder so, was ist, wenn man keine solchen Klicklaute kann ???

= =>Dolmetscher(IN) und üben, denk ich.

:super:

LG, !XOlli!
 
Wie unsere Ernährung zur Veränderung der Sprache führte

In einem Forschungsartikel in Science ("Human sound systems are shaped by post-Neolithic changes in bite configuration", teilweise ohne Bezahlschranke zugänglich; und ein Editorial "How farming reshaped our smiles and our speech") wird die These untersucht, daß labiodentale Laute ("f" und "w") für Jäger- und Sammler zu schwer zu sprechen waren:

Durch ihre Nahrung hatten sie starken Abrieb an den Zähnen, so daß sie schließlich die Schneidezähne aufeinander stehend hatten. Erst mit weicherer Nahrung, die mit Ackerbau und Bearbeitung von Lebensmitteln einherging, konnte der kindliche Überbiß (d.h. die oberen Schneidezähne stehen über die unteren über) auch im Erwachsenenalter erhalten bleiben. Dazu zeigen sie alte Schädel.

Mit Modellen zeigen die Autoren, daß sich f und w mit einem Jäger- und Sammler-Gebiß nur schwer aussprechen lassen, jedoch mit einem heutigen problemlos.

Dann führen sie Statistiken über heutige Sprachen an: nur wenige Sprachen von noch vorhandenen Jäger-und Sammerlkulturen besitzen f/w, und dann typischerweisde in Fremdwörtern. Außerdem zeigen sie, wie sich diese beiden Laute in indo-germanischen Sprachen verbreitet haben.
wenn man diesen Studien glauben mag, dann hätten eigentlich Kinder besser sprechen können müssen als Erwachsene, denn ein Abrasionsgebiss (in diesem Fall: Demastikation) wird ja nicht angeboren, sondern im Lauf des Lebens durch abrasive Nahrungsmittel erworben. Nach dem Zahndurchbruch sind die Zähne voll und korrekt ausgeformt, inklusive der Höcker-Fossa-Beziehung und der Front-Eckzahn-Führung bei der Seitwärtsbewegung. Erst später in der Gebrauchsperiode werden die Höcker der Seitenzähne und die Spitzen bzw. Kanten der Eck- und Frontzähne eingeebnet und es resultiert eine Gruppenführung bei der Seitwärtzsbewegung.

Was mich ebenfalls interessieren würde: die Kommunikationsform Sprache wurde erst durch die Entwicklung und Ausreifung der Gehirnfunktion ermöglicht. Verlief diese Entwicklung parallel, dann könnte man auch erwarten oder mutmaßen, dass die Lautbildung der Labiodentals erst mit einer weiteren Entwicklung des Gehirns ermöglicht wurde. Auch in diese Richtung wäre es ein wünschenswerter Erkenntnisgewinn, wenn man die Studien dahingehend ausweiten würde.

Jedenfalls ein sehr interessanter Beitrag! Danke fürs Einstellen, @Bernhard Hiller
 
die Kommunikationsform Sprache wurde erst durch die Entwicklung und Ausreifung der Gehirnfunktion ermöglicht. Verlief diese Entwicklung parallel, dann könnte man auch erwarten oder mutmaßen, dass die Lautbildung der Labiodentals erst mit einer weiteren Entwicklung des Gehirns ermöglicht wurde.

Es ist davon auszugehen, dass die Humanisation (Ausbildung verbaler Sprache und andere "höhere" Hirnfunktionen) ein reziproker Prozess ist/war. Also nicht: Plötzlich war mehr Hirnmasse da und man überlegte sich, was man damit anfangen könnte und "erfand" verbale Sprache. Sondern Gebrauch und Fähigkeit entwickeln sich in enger Interdependenz.

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Hinsichtlich der labiodentalen Frikativen fällt die jedenfalls die "Verschwisterung" mit den bilabialen Plosiven auf, vgl. Aussprache "Barcelona".
 

ein Abrasionsgebiss ... im Lauf des Lebens durch abrasive Nahrungsmittel erworben
Das ist ein wesentlicher Punkt der These: als die Lebensmittel weicher wurden, kam es nicht mehr zum Abrasionsgebiß, und von nun an ließen sich f und w auch im Erwachsenenalter ordentlich aussprechen. Und mit der typischen Jäger-und Sammler-Nahrung ging die Abrasion wohl recht flott vonstatten,
Zur Zeit als die ersten Ackerbau-Kulturen entstanden, war das Gehirn schon längst für die Sprache geeignet, es mußte also sich nicht erst für diese Laute weiterentwickeln.
Die Sprache der brasilianischen Urwaldindianer zum Beispiel? Oder die Sprache der Eskimo?
Hauptsächlich australische Ureinwohner, gefolgt von Khoi-San (südliches Afrika), und auch Eskimos.
ob solche oder andersartige Einschränkungen ... nachteilhaft sich auswirken würden
Solange noch genug Buchstaben übrig bleiben... Es gibt wohl eine Sprache bei den Papuas, die unter den Vokalen nur eine Art "a" kennt - funktioniert trotzdem. Und die Vielzahl gräßlicher Konsonanten des Arabischen müssen offensichtlich auch nicht sein (Khoi-San sollen - selbst über die Klicklaute hinaus - noch mehr Konsonaten besitzen als Arabisch).
 
was definitiv überliefert ist:
Die alten Ägypter litten sehr unter ihrer Nahrung. Das Getreide, das ihnen zur Verfügung stand, bestand aus sehr hartem Korn. Um es zu mahlen mussten sie relativ viel Sand beimischen. Dieser Sand blieb dann natürlich auch im Mehl und entsprechend in der Nahrung. Beim Kauen resultierte dann ein solcher Substanzverlust, dass es sogar zur pulpa aperta kam, heißt: das Nervorgan lag offen und ungeschützt da, was natürlich erhebliche Schmerzen bereitete und zu oftmals ausgeprägten Entzündungen führte.
Erst die Griechen, die dann Ägypten besiedelten, brachten weicheres Getreide und damit war das Problem gelöst.
 
Gauf,

unser Meerschweinchen litt auch unter einem abgebrochenen Zahn im Oberkiefer. Die Sprache hat sich dadurch nicht verändert. Der Zahn ist nachgewachsen, oder so.
Jetzt könnt ihr mich gerne zur Ordnung aufrufen.
Gauf! :017:
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke, herzlichst!
Aber warum der Angst-"Lächler",

ich finde Ilse Storb großartig!

Il-se, Il-se, Il-se:011::011::026:


Ilse-Storb.jpg

"Ilse Storb, die „Jazzmutter der Nation“ aus Essen. Die dynamische Jubilarin ist ein Paradiesvogel im Musikbetrieb und Europas einzige Professorin für Jazzforschung, aber auch Bundesverdienstkreuzträgerin und Weltmusik-Expertin."
https://www.waz.de/staedte/essen/weltverbesserin-mit-lauter-trommel-id9485401.html


www.labor-fuer-weltmusik.de/ueber-ilse-storb/
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Danke, herzlichst!
Aber warum der Angst-"Lächler",

Ich hatte leider das Pech, bei 2 Konzerten (Michel Petrucciani und Dave Brubeck) in unmittelbarer Nähe von ihr in der Düsseldorfer Tonhalle zu sitzen. Ich habe nichts gegen extrovertierte Menschen, aber aufgrund ihres Verhaltens (u.a. permanentes Rufen wie "We love you, Michel", "Fantastic, Dave" zu den unmöglichsten Zeitpunkten) erreichte der Begriff der Fremdscham eine vollkommen neue Dimension. Sie hat nicht nur mir damit sehr viel vom Konzerterlebnis genommen, wie man in der Pause von vielen Besuchern hören konnte. Und die Blicke von Petrucciani in ihre Richtung sprachen Bände:021:. Daher mein:angst:. Ich hätte noch :028::028::028::028: dazu fügen müssen.
 
Ich habe nichts gegen extrovertierte Menschen, aber aufgrund ihres Verhaltens (u.a. permanentes Rufen wie "We love you, Michel", "Fantastic, Dave (Brubeck)" zu den unmöglichsten Zeitpunkten) erreichte der Begriff der Fremdscham eine vollkommen neue Dimension.
Ich meinte schon , Ich sei recht extrovertiert:021::lol::drink:

Frau Prof. Dr. habil!! Storb, Ilse hat über jenen Brubeck, Dave ihre Habilitationsschrift verfasst, das waren ausagierte flashbacks:-D:026:
 
Ilse Storb ist nichts weiter als eine crazy alte Frau. (Und früher war sie eine crazy mittelalte Frau.)

Wurde früher von einigen ernst genommen, weil ja damals die anderen noch weniger Ahnung hatten.
 

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