Hallo,
wie kann man selbst feststellen ob beim 'Spielen der Tasten' das Armgewicht eingesetzt wurde? Vielleicht eine triviale Frage aber ich bin mir nie sicher, ob beim Anschlag einer Note rsp. beim Spielen eines Stückes das Armgewicht mit dabei ist oder nicht.
Lieber Ferdinand,
wofür ist das denn wichtig? Du hörst doch wie es klingt. Gefällt dir der Klang so oder nicht?
Ich benutze das Wort "Armgewicht" im Unterricht so gut wie nicht. Das Wort "Arm" hingegen sehr oft!
Die Priorität liegt zunächst beim Klang bzw. der Klangvorstellung. Will ich einen tragenden, vollen und singenden Ton wie bei einer cantablen Melodie? Oder will ich einen begleitenden, zarten Klangteppich zaubern, bei dem jeder Ton sehr leise klingt? Klingt das, was ich spiele, so, wie ich es mir vorstelle?
Den Fokus auf das Armgewicht zu legen und wie viel in welchen Anteilen vorhanden ist, ist falsch. Der Fokus sollte auf dem Klang liegen!
Zur Herstellung des Klangs bzw. zur Umsetzung unserer Klangvorstellung auf das Instrument (Technik) haben wir zwei Einflussgrößen, die auf die Taste einwirken: die Geschwindigkeit und die Masse.
Die Umsetzung erfolgt dabei über Impulse und Schwünge. Die Impulsübertragung erfolgt vom Körperzentrum über Oberkörper, Ober- und Unterarm, Handgelenk, Finger, Fingerkuppen auf die Taste. Dabei sind alle Gelenke gelöst, frei und beweglich, so dass nichts den Energiestrom stört.
Dazu nötig sind fließende Bewegungen und Schwünge. Wenn ich z.B. einen tragenden Melodieton spielen möchte, kann ich den Arm wie bei der Kuppelstange einer Dampflok nach vorn bewegen. Da die Fingerkuppen an Ort und Stelle der Taste bleiben, also nicht rutschen, bewegt sich durch diese Bewegung automatisch das Handgelenk nach oben.
Ich kann nun sowohl die Geschwindigkeit wie auch die Masse der Bewegung verändern, je nachdem, was ich für einen Klang haben will.
Wenn ich wie oben gesagt einen vollen Ton erzeugen möchte, werde ich diese Vorwärtsbewegung des Arms eher langsam machen, aber mehr Masse einsetzen. Wenn ich mit dieser Bewegung einen sehr leisen staccato-Ton erzeugen möchte, werde ich sie schnell und mit sehr wenig Masse umsetzen.
Es lohnt sich, mit Geschwindigkeit und Masse zu experimentieren. Welche Bewegungen erzeugen welchen Klang? Die Unterschiede in der Masse steuere ich, indem ich den Arm mehr oder weniger vom Rücken halte. Wenn ich fast loslasse - vergleichbar mit dem Fallen lassen des Arms -, habe ich viel Masse zur Verfügung. Wenn ich den Arm fast vollständig vom Rücken halte - man hebe mal den Arm hoch in Schulterhöhe - stelle ich nur wenig Masse zur Verfügung.
In einem Stück werden solche Bewegungen vom Arm zusammenfasst, oft in Ellipsen, Drehungen, Kreisen etc.. Die Armführung ist existenziell wichtig. Dabei denkt man nicht mehr darüber nach, wo bei welchem Ton wieviel Armgewicht eingesetzt wird, sondern man hört auf den Klang. Die eingesetzen Impulse verselbständigen sich wie eine Bowlingkugel, die nach dem Wurf von allein weiter rollt. So wird Klavierspielen anstrengungslos und von Leichtigkeit bestimmt.
Dazu gehört unbedingt auch, dass nach dem Anschlag Hand und Arm leicht gemacht werden und auf gar keinen Fall "rumgedrückt" wird. Der Ton ist gespielt, im Gegensatz zu Streichern, Bläsern etc. können wir ihn nicht weiter gestalten, also machen wir Hand und Arm nach dem Anschlag so leicht wie möglich.
Wenn man dann noch die Taste als eine Art "Trampolin" begreift, weil sie ja von allein wieder hoch geht, als Partner, der einem im wahrsten Sinne des Wortes entgegenkommt, hat man gewonnen!
Viel Erfolg und Spaß beim Ausprobieren!
chiarina