A Complete Idiot´s Guide to ...

Kontrapunkt ist deshalb so wichtig, weil die Harmonielehre zwar die vertikale Struktur der Musik leidlich erklären kann, aber nicht die horizontalen Abläufe zwischen den Stimmen. Wie geht man mit Dissonanzen um, welche Stimmführung ist sanglich und somit "logisch", welche Auswirkungen hat das auf harmonische Progressionen etc. - diese Fragestellungen lassen sich nur anhand des Kontrapunktes schlüssig erklären. Natürlich nicht isoliert - Harmonik und Kontrapunkt sind ja keine klar voneinander abgegrenzten Wissenschaften. Aber wer die Regeln des 1:1-Kontrapunktes nicht verstanden hat, wird weder die Oktavregel verstehen (bestenfalls plump auswendig lernen) noch viele Prinzipien des vierstimmigen Satzes. Und er wird vielleicht nur schwer erklären können, warum die dritte Note links in KV 333 g' ist und nicht das auf den ersten Blick näher liegende f'. ;-)
 
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Hey, ein gut gemeinter Tipp;

Nicht Stunden mit dem Lesen verbringen.

Wenn du an der Grundlagen der Musik Theorie bist , leg mal das Buch zur Seite und schreib dir mal ein paar Tonleitern.
Wenn du etwas über Akkord Aufbau liest, mach es mit Block und Stift und setz dich zusätzlich ans Klavier.
Du liest gerade den Abschnitt über Harmonische Zusammenhänge?
Fein! Jetzt geh an dein Stück, schau welche Akkorde da entstehen und versuch diese Zusammenhänge zu verstehen.
Keine Sorge, du kannst eigentlich nicht falsch liegen:super:

Mach aber aus Theorie kein trockenes Wissen das du praktisch nicht benutzt.
Ich hab den Fehler gemacht und wurde ein ziemlich guter "theoretischer Musiker" mit dem Ergebnis das ich jetzt wieder daran sitze um aus der Theorie ein praktisch anzuwendenes Wissen mache.

Es nützt nichts, theoretisch aus ein paar tönen auf dem Notenblatt einen Akkord zu machen, wenn du das nicht am Instrument kannst (und dabei noch gratis dein gehör schulst).

Oh und geh das Thema "Formlehre" mit an. Mittlerweile würde ich das als fast schon hilfreicher bezeichnen als Harmonielehre.
Das vermeintlich doofe an Harmonien ist halt das sie Stück für Stück wechseln und manchmal schwer nachvollziehbar sind.
Ein Rondo ist aber immer ein Rondo und wenn du dessen Bauplan kennst, kannst du die Harmonien beliebig tauschen:-D
 
Das sah ich 50 Jahre lang genauso, bis ich jetzt gegen die Schallmauer geknallt bin. Ich hatte es nicht so mit den Wiener Klassikern, mit Bach auch nicht und habe das gespielt, was mich musikalisch fasziniert hat. Jetzt bin ich doch noch bei Mozart angekommen. Mit der bisherigen Einstellung spiele ich manches intuitiv schön, manches weniger gut, manches langweilig. Warum? Weil es so ist, als würde ich eine Sprache hören, lautmalerisch nachahmen, nach Gutdünken umformen ohne mich um die Grammatik zu kümmern. Also gucken meine Gesprächspartner manchmal interessiert , manchmal amüsiert und manchmal verständnislos.
Hast du keinen Klavier-Lehrer? Weil genau das sehe ich als Aufgabe eines KLs.
Wie kann da eine Wand sein? Egal welchen Künstler gar Stilrichtung ich spiele, mein Kl hat immer Rat zur musikalischen Gestaltung. Umsetzen muss ich es schon selber. Noch dazu gibt es genug Hörproben heutzutage.

Theorie finde ich wichtig, allerdings wird ein Hobbyspieler schwer an das Wissen eines studierten Klavierpädagogen herankommen. Das soll jetzt keine Argumentation dagegen sein, aber alles geht schwer.

Eine praktische Unterstützung halte ich für wichtig, dafür bezahlen wir den KL auch.

VLV
 
Ok, auch weitgehend (noch) ohne Kontrapunkt-Hintergrund lässt sich das g‘ erklären: Hätten wir dort ein f‘, so würde an der Stelle eine geschlechtslose leere Quinte über b erklingen (Quarte komplementär gedacht). Logischer im Sinne der Dreiklangsharmonik wäre ein g. Somit lässt sich an der Stelle das b als Terz über g deuten. Es wird also kurz die Tp gestreift. Unabhängig davon ist der Terzklang g-b geschmeidiger fürs Ohr als die herbe Quarte f-b.

@mick Aber ich weiß, was du meinst. Das Zusammenspiel melodischer Linien. Melodik war etwas, das in meinem Studium erstaunlicherweise so gut wie keine Rolle gespielt hat. Daher denke ich Musiktheorie bisher noch rein harmonisch. Und Melodik ist vollkommen der Intuition überlassen. Das wird sich aber ändern.
 
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@mick und @chiarina
Ich finde Struktur und Form so unfassbar wichtig, das ist mir erst relativ spät klar geworden. Und zwar auf jeder Ebene. Beispiel Sonate:

- Satz 1, 2, 3 (4)
- Exposition - DF - RP
- 1. Thema, 2. Thema
...
- Satztechnik
...
- Artikulation

Vom Großen ins Kleine. Die Harmonik hängt an der Form wie Früchte an einem Baum. Die Stimmen sind die Äste...
Wenn ich gute Augen habe, sehe ich den Baum als Ganzes und seine kleinen Zweige zur selben Zeit.

Habt ihr Empfehlungen für Literatur (auf Profiniveau oder auch zu Lehrzwecken), in denen es um Formenlehre, Satzlehre, Struktur etc. geht? Ich weiß zwar etwas, aber Musiktheorie habe ich nun nicht studiert.
 
Ich würde die harmonischen Strukturen so gerne besser verstehen, ich befürchte langsam, ich bin nicht intelligent genug dafür!
In meinem Klavierunterricht hat Harmonielehre nie eine Rolle gespielt. Tonleitern klar im Unterricht, im Klavierunterricht auch was Musikhistorisches oder zum Aufbau. Was eine Tonika ist hab ich mir mit 17 selbst beigebracht. Aber eben theoretisch, abseits vom Klavier. Ich hab auch was von der sixte ajoutee oder dem Neapolitaner gehört, verstehe aber nicht wie man sie einsetzt, erkenne sie ohne weiteres noch nicht einmal. Mein jetziger KL setzt irgendwie voraus, dass ich das alles erkenne... Schon frustrierend!
Die Harmonielehre/Kontrapunkt sollte von daher unbedingt Teil des Klavierunterrichts sein.
 

Vor längerer Zeit habe ich mich mit Fotografie beschäftigt. Ich machte gute Bilder und schlechte. Irgendwann sah ich eine Buchreihe von Kodak über das Fotografieren. Da lernte ich, wie man Fotos nach bestimmten Kriterien analysiert und gestaltet. Meine Fotos sind besser geworden.
Das ist genau der Punkt, an dem ich als Amateur angekommen bin. Ich spielte bisher gut, ich spielte schlecht - abgesehen von der Technik - oft aus dem Grund, weil ich kein Strukturverständnis hatte.
Nun sind wir - meine Klavierlehrerin (ist die @Stilblüte übrigens - verzeih meine Ironie oben, @Viva La Vida ) und ich dabei, in diesem Sinne eine Mozartsonate zu analysieren.
Ich möchte die wertvolle Unterrichtszeit nicht mit Erlernen von Basiswissen verschwenden. Deswegen meine Frage nach Literatur oder Internetadressen für das Selbststudium. Und keine Angst, das läuft schon richtig.
 
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Habt ihr Empfehlungen für Literatur (auf Profiniveau oder auch zu Lehrzwecken), in denen es um Formenlehre, Satzlehre, Struktur etc. geht? Ich weiß zwar etwas, aber Musiktheorie habe ich nun nicht studiert.

Eines der besten Einsteiger-Bücher über musikalische Analyse ist meiner Meinung nach "A Guide to Musical Analysis" von Nicholas Cook. Natürlich kann das nicht allzu tiefschürfend sein, weil es auf knapp 400 Seiten alle Aspekte einer Analyse behandelt - aber es schafft einen sehr guten Überblick über den Gegenstand und enthält auch eine Menge weiterer (vorwiegend englischsprachiger) Literaturempfehlungen. Vielleicht sollte sich @Debösi das Buch kaufen und du leihst es dir dann mal aus...
 
Ok, auch weitgehend (noch) ohne Kontrapunkt-Hintergrund lässt sich das g‘ erklären: Hätten wir dort ein f‘, so würde an der Stelle eine geschlechtslose leere Quinte über b erklingen (Quarte komplementär gedacht). Logischer im Sinne der Dreiklangsharmonik wäre ein g. Somit lässt sich an der Stelle das b als Terz über g deuten. Es wird also kurz die Tp gestreift. Unabhängig davon ist der Terzklang g-b geschmeidiger fürs Ohr als die herbe Quarte f-b.

Harmonisch finde ich das g' kaum begründbar. Warum sollte Mozart im ersten Takt des Satzes, in dem die Tonika noch kaum etabliert ist, einen Harmoniewechsel anbringen, noch dazu auf einer unbetonten Zeit?
 
Dann müsste man die Stelle als Polyphonie betrachten?

Man kann sie als zweistimmigen Kontrapunkt betrachten - dann ist das g' eine sehr logische Lösung. Die Quarte gilt im zweistimmigen Satz als dissonant. Dissonanzen werden im Laufe der Musikgeschichte zwar zunehmend freier gehandhabt, aber das Erreichen und Verlassen einer Dissonanz per Sprung ist in jedem Kontext schlecht.
 

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