13 ways of looking at a blackbird (Lukas Foss)

Stilblüte

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Gestern wurde von unserer Sopranistin "13 ways of looking at a blackbird" von Lukas Foss bei YouTube hochgeladen. Das Stück habe ich in New York aufgeführt - es ist für Sopran, Flöte, Schlagwerk und Klavier - und etwas gewöhnungsbedürftig.

Dies ist die Art von Neuer Musik, die ich wirklich gern gespielt habe! Beim bloßen Hören bekommt man nur einen schmalen Eindruck davon, wie dieses Stück wirklich ist, und welchen Spaß es macht, sie zu spielen. Die Hauptarbeit liegt darin, den Sinn in der Musik zu zeigen und zu erforschen und (zumindest im Klavier) nicht, hochvirtuose Figuren zu üben. Wir konnten ganz viele verschiedene Momente, Ausdrücke und Atmosphären entdecken und das Stück hatte wirklich sein ganz besonderes Eigenleben.

Ich habe nur teilweise auf den Tasten gespielt und auch viel im Instrument - ein Teil des "Lärms" kommt also von mir und nicht nur vom Schlagwerk. Manche Tasten bzw. Seiten waren präpariert. Bei ca. 7:30 ist ein besonders hübscher Moment :005:

Viel Spaß!


View: https://www.youtube.com/watch?v=ih_e9UVV4HI&feature=youtu.be
 
Hoffentlich trauen auch andere Neuemusikignoranten, sich zu äußern. Ich mach' schon 'mal den Anfang:

Es klingt über weite Strecken so, als ginge etwas kaputt, speziell das Klavier. "Gewöhnungsbedürftig" ist das Stück sicherlich. Nur, warum sollte man sich denn überhaupt daran gewöhnen? Das Ganze fällt bei mir unter "geordnete akustische Events ohne Genuss" - sehr verzichtbar.

Den Sinn in der Musik zu zeigen ist ein löbliches Unterfangen der Interpreten. Gelungen ist das leider nicht - ich rätsele immer noch.

Überrascht stelle ich fest, dass in Neuer Musik am Klavier nicht immer jemand hantieren muss, der das 'mal gelernt hat. Der beherzte Angriff auf die Saiten mit einem Schlüsselbund ist auch von Laien zu leisten.

CW
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Blüte,

Bitte nicht böse sein.
nach meinem Geschmacksempfinden muss ich cwtoons zustimmen.

PS
Ich als Neuemusikignorant:
Bei Hape Kerkelings "Der Hurz" kommt zumindest noch ein Lamm und ein Wolf vor. ;-)
 
Man müsste es sehen. Wahrscheinlich macht es nur das Selbermachen Spaß.
 
Also dann oute ich mich mal als jemand, dem das Stück gefällt. Gewöhnungsbedürftig finde ich wenn überhaupt die Gesangspartie, wenngleich die wohl eigentlich das konventionellste an dem Stück ist...
 
Das Stück wurde vor über 40 Jahren komponiert. Erstaunlich, dass es noch heute auf so viel Unverständnis stößt. :konfus:

Ich finde - ohne dir, @Stilblüte allzu nahe treten zu wollen - die Aufnahme nicht so besonders. Das betrifft Gott sei Dank nicht den Klavierpart, aber die Sopranistin und die Flöte sind ganz offensichtlich ein wenig mit dem Stück überfordert. Vielleicht sind sie noch in unteren Semestern?

Ich habe das Stück einmal live gehört - ich weiß gar nicht mehr, wer gesungen hat (es war jedenfalls gut), aber die Flöte hat damals der fantastische Philippe Boucly gespielt (Soloflötist des BR-Symphonieorchesters). Der Vergleich ist nicht fair, aber diese Aufführung hat das Publikum wirklich begeistert - und da waren nicht nur Neue-Musik-Fans im Zuschauerraum.
 
@mick Ich denke, du liegst mit deiner Einschätzung ganz richtig (v.a. bei der Flöte). Der Percussionist war finde ich recht gut (habe ihn später zufällig mit "Drumming" gehört, war sehr beeindruckend).
warum sollte man sich denn überhaupt daran gewöhnen?
Tja, gute Frage. Warum gewöhnt man sich an Schimmelkäse, schwarzen Kaffee und Austern? Warum ziehen Leute an den Polarkreis oder spritzen sich freiwillig Schlangengift? Rätsel über Rätsel...:016:
 
Ich kenne das Stück nicht, jedoch erinnert mich das stark an Stockhausen. Seit ich den damals live erlebt habe, bin grosser Liebhaber von solchen Art Musik.
 

In der Tat, vor die Wahl zwischen Schlangengift und der musikalischen Beobachtung von Amseln gestellt, entschiede ich mich doch sofort geschmackssicher für die Amseln. Dazu brauche ich noch nicht einmal etwas von neuer Musik zu verstehen. Das brauche ich sowieso nicht, um zu beurteilen, ob sie mir gefällt oder nicht.

CW
 
Dazu brauche ich noch nicht einmal etwas von neuer Musik zu verstehen. Das brauche ich sowieso nicht, um zu beurteilen, ob sie mir gefällt oder nicht.
Es ist schon interessant zu sehen, wie vehement und beinahe aggressiv manche Menschen sich dagegen wehren :005: Natürlich kannst du vom Fleck weg zu sämtlichen Sinneseindrücken, die du erfährst, eine Beurteilung abgeben. Es könnte aber zu Situationen kommen die der gleichen, einem Fünfjährigen eine Olive in den Mund zu stecken :007:

Die grundsätzliche Frage ist, was man überhaupt von akustischer Kunst erwartet (damit meine ich keine Anspruchshaltung, sondern eine Vorausahnung). Wie weit ist der Horizont an Regungen, die sie auslösen kann (und: darf)? Und wie wertfrei kann man diese Regungen zunächst wahrnehmen und einordnen und dann entscheiden, ob sie einen in irgendeinem Sinn weiterbringen? Eine Möglichkeit, dem Ganzen einen Sinn zu entnehmen kann sein, dass man Genuss erfahren hat. Es gibt noch andere. Das ist ähnlich wie bei der Literatur (schonmal die Todesfuge gelesen?).
 
In eine Diskussion über Neue Musik würde ich mich nie begeben. Dazu verstehe ich davon zu wenig. Geschmacklich beurteilen kann ich sie aber sehr gut und feststellen, dass sie zu satirischen Kommentaren reizt - warum wohl? - kann ich auch.

Die Karriere von "Hurz" kommt ja nicht von ungefähr.

CW
 
Dass du das kannst, glaubst du nur. So wie man(cher) glaubt, er könne auch Bilder malen wie Rothko oder Pollock. Natürlich kann man irgendein Chaos produzieren, mit etwas Glück kommt etwas dabei heraus, was irgendeinem Freak gefällt. Aber nichts, was man mit Sinn und Verstand erfassen kann, was einen roten Faden hat, eine Dramaturgie, Dynamik und eine gewisse Energie, also Leben ausstrahlt.
Dieses Stück speziell ist komplexer, als du vielleicht meinst, spielen kannst du es vermutlich nicht, und auch nichts annähernd ähnliches produzieren.

Ja, manches reizt zu satirischen Kommentaren. Ich verstehe auch nicht auf Anhieb, warum man eine tote Kuh mit dem Helikopter über eine Wiese hebt und fallen lässt, und das als Kunst bezeichnet. Im MOMA wurden gesammelte Fingernägel, Haare und Bauchnabelflusen einer Künstlerin ausgestellt - wenn sie stirbt, kommt noch die Asche dazu. "Schön" ist das natürlich nicht. Aber es ist auf eine Weise bewegend und anrührend, und dahinter steckt eine Botschaft.
Wenn ich ein Straßenschild ansehe oder einen Joghurtbecher, passiert nichts Besonderes. Wenn ich dies aber sehe und die kurze Erläuterung lese, dann passiert in mir etwas. Und das ist es, was Kunst will. "Schön sein" will sie nicht ausschließlich - das vermuten nur die Frauen im Pelzmantel und die Männer mit teuren Autoschlüsseln in der Tasche, die an Neujahr in die Oper gehen.

Wie gesagt - das Schönsein ist ein Aspekt der Kunst. Es gibt noch deutlich mehr. Ob man dafür bereit ist, ist eine andere Frage, denn wenn man sich von den reinen Kunstgenüssen den anderen Dingen zuwendet, kann es schnell an die Substanz gehen, und das finden die meisten Menschen unangenehm.
 
Ich finde die Diskussion führt zu nichts. Es ist doch schon toll, wenn auf "Nischenkunst" (ich nenne das mal einfach so) überhaupt reagiert wird, wenn auch nur mit "Hurz"-Argumenten. Man hat sich zumindest mal damit beschäftigt, ist also mehr oder weniger offen.

Ich höre ja durch Clavio auch immer mal neue Musik, bin aber vom Verständnis her genau so weit wie vor 50 Jahren. Alles Hurz für mich und @Stilblüte schrieb ja selber, dass es das Hören alleine nicht bringt. Das ist aber ok und niemand braucht hier missioniert werden. Genau so ok ist es, wenn man Menschen damit berührt.

Wenn ich ein Straßenschild ansehe ..., passiert nichts Besonderes.
Siehste, bei mir passiert da manchmal jede Menge, und zwar seit dem ich mich beruflich ein wenig mit Bäumen beschäftigt habe. Faszinierend! Würde nie versuchen, das jemandem näher zu bringen. :-)
 
Ich missionieren niemanden. Ich erkläre nur, weil ich vermute, dass es Leute gibt, die's interessiert. Zu irgendwas führen muss das gar nicht.
 
Möchte nicht jemand von den Wissenden und Verstehenden den Versuch einer Erklärung unternehmen?

Es gibt noch deutlich mehr. Ob man dafür bereit ist, ist eine andere Frage

Ich erkläre hiermit meine Bereitschaft und bitte um Unterstützung beim Nachvollzug. :-)




Vorab: Ich bin niemand, der die Erwartung hegt, "Kunst" müsse "schön" sein. Ich hege nur die Erwartung, dass sie bei mir mehr anregt als ein tolerantes Schulterzucken. Aut delectare aut prodesse.
 
Nur, warum sollte man sich denn überhaupt daran gewöhnen?

Wer seinen Gesichtskreis erweitern will, muss auch mal die Kompfortzone verlassen. Ich habe mir meine erste Free Jazz-Platte ein wenig 'erkämpft'. Wie ich immer gerne sage: Wer nix neues probiert, isst sein Leben lang Milupa. :-)

Ich muss allerdings gestehen, dass ich schon immer einen Hang auch zu 'Neuer Musik' (haha, 'neu', Schönbergs Orchestersuite Op.16 ist schon über 100 Jahre alt!) hatte. Beeindruckende Erlebnisse im Musikunterricht in der Schule u.a. mit Schönberg ("Ein Überlebender aus Warschau berichtet") und Penderecki.

Aber 'müssen' tut keiner. Ich höre lieber 2h "Neue Musik" als 2h Mozart.

Und hier mal wieder mein Lieblingsvideo:



Liebe Grüße
Häretiker
 

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