100 Jahre altes Zimmermann Klavier kaufen?

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MisterP

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16. Feb. 2012
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Hallo zusammen,

ich könnte von einer Bekannten meiner Klavierlehrerin ein ca. 100 Jahre altes Zimmermann Klavier kaufen. Bilder sind hier:

https://picasaweb.google.com/112658875835698169762/Klavier?authuser=0&authkey=Gv1sRgCKfemOinq7iVXw&feat=directlink

Was haltet Ihr davon. Kann man das grundsätzlich kaufen oder lieber nicht? Ich hätte gerne eine grobe Empfehlung. Wenn es wirklich ernst wird, würde ich einen Klavierstimmer zur Begutachtung mitnehmen. Aber da der das auch nicht umsonst macht, hätte ich gerne vorher eine Ahnung, ob das überhaupt Sinn macht. Und wieviel so ein Klavier ungefähr kosten darf...

Vielen Dank schonmal im Voraus.

Viele Grüße, Markus
 
...
Ich hätte gerne eine grobe Empfehlung.
...

Eine grobe Empfehlung habe ich nicht für Dich aber eine einfache: Die Fachleute hier im Forum, zu denen ich nicht gehöre, fragen meistens nach Fotos vom Innenleben des Instrumentes. Wenn Du die Möglichkeit weitere Aufnahmen zu machen, am besten bei offenem Klavier, dann würden diese zu einer brauchbaren Einschätzung viel beitragen können.

Gruß cm
 
Hallo Markus,

Mach doch mal Bilder die das Innenleben zeigen. Hammerköpfe / Tasten / Stimmwirbelfeld / Saiten / Resonanzboden . Je mehr umso besser! Erst dann kann man erahnen wie dieses Klavier klingt und spielt und auf einen möglichen Wert schließen.

LG
Michael
 
Hallo Markus,

Ich habe ein fast 100 Jahre altes Zimmermann. Ich habe mir sagen lassen (und am eigenen Klavier bestätigt), dass die Stimmstöcke von Zimmermann normalerweise sehr langlebig sind. Hast du schon auf dem Klavier gespielt? Wie hören sich die einzelnen Töne an - schweben sie stark, oder sind sie relativ rein? Wenn die Töne noch relativ rein klingen, und das Instrument in sich relativ gut stimmt, sollte die Stimmbarkeit gegeben sein. (Ohne Stimmbarkeit kannst du den Kauf eigentlich gleich an den Nagel hängen.) Sind die Stimmwirbel schon hineingeschlagen worden (die Saitenschlingen liegen dann sehr dicht am Gussrahmen)? Ist an den Saiten Rost zu sehen?

Wenn die Stimmbarkeit erstmal noch gegeben erscheint, dann kommt es m.E. als nächstes auf zweierlei an: den Verschleiß der Mechanik und die akustische Anlage.

Zur Mechanik:
... Hammerköpfe: tiefe Saitenabdrücke? Schon oft abgezogen? Also, bitte Fotos vom Anschlagspunkt, von oben und von der Seite gesehen.
... Filze, z.B. an den Fängern; stark abgenutzt? (siehe Beispielfotos unten)
... Leder, z.B. an den Gegenfängern: stark abgenutzt, oder gar komplett durchgewetzt? (Beispiel unten)
... Zu lockere oder feste Achsen: z.B. wenn man das linke (oder beide) Pedale tritt, und dann das linke Pedal schlagartig loslässt, kommen alle Hämmer zügig in die Ruheposition zurück?
... Bändchen: sind die Bändchen und Leder-Enden noch heile, und relativ geschmeidig?

Dann auch die akustische Anlage:
... sind Risse in den Stegen? Feine Risse sind in diesem Alter vertretbar, aber wenn Risse von einem Stegstift bis zum nächsten gehen, muss repariert werden.
... sind Risse im Resonanzboden, und/oder hat er sich von den Rippen gelöst? Scheppert oder rasselt etwas? (Beispielfoto unten)
... hat sich ein Steg etwa von seiner Auflage gelöst? (Beispielfoto unten)

Und nicht zuletzt die klangliche Beurteilung (gleichmäßige Klangfarbe und Ausklingen aller Töne), vor allem im Bereich des Übergangs zwischen Basssteg und Hauptsteg (dort wo der nach links geschränkte Saitenbezug auf den nach rechts geschränkten übergeht), als auch im Bereich der Diskantspreize (die Stütze in der Gussplatte, ungefähr im Bereich eine bis anderthalb Oktaven über dem Mittel-C).

Hier ein paar Beispiele einer verschlissenen Mechanik, aus meinem Zimmermann:

Durchgewetzte Fängerleder und abgenutzte Gegenfängerfilze:
F%25C3%25A4nger2.jpg

Detailansicht eines abgenutzten Fängers/Gegenfängers hier.

Nach und vor der Erneuerung (ich weiß, ich habe kein sehr feines Leder zur Reparatur verwendet - das war bei dem alten Klavier auch Absicht):
CatcherLeather1.jpg


Linkes Ende vom Hauptsteg hatte sich von seiner Auflage gelöst (hier nach dem Entfernen der Saiten gezeigt, als ich die Reparatur machte). Diese paar Töne klangen ziemlich dumpf, irgendwie nasal:
TenorGap3.jpg


Riss im Resonanzboden, direkt am bzw. unter dem Hauptsteg, an der Diskantspreize (Ergebnis: perkussiver, metallischer Ton, kein Ausklingen):
TrebleCrack1.jpg

Weitere Ansichten des Risses hier und hier.

Die Bilder zeige ich nicht, um irgendjemanden zur Bastelei zu ermutigen, sondern nur, um anzudeuten, wonach ich heutzutage Ausschau halte, und warum ich das Klavier mit meinem heutigen Wissen gar nicht erst gekauft (bzw. zum Tausch angenommen) hätte.

Viel Erfolg!

Gruß,
Mark
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Vielen Dank erstmal für Eure Antworten - zumindest für die hilfreichen... :-)

Dann schau ich jetzt mal was meine Klavierlehrerin sagt, nachdem sie das Klavier gesehen hat und wenn es dann noch in Frage kommt schau ich es mir selbst mal genau an - danke für Deine Hinweise Klimperer. Sollte es keine großen offensichtlichen Mängel haben, werde ich das Geld für die Besichtigung durch den Klavierstimmer investieren, auch auf die Gefahr hin dass es dann doch nicht zum Kauf kommt. Ich denke das ist ein guter Plan.

Bleibt immer noch das Problem, dass weder die Verkäuferin noch ich eine Ahnung haben was das gute Stück kosten soll. Kann mir keiner sagen, in welchen preislichen Rahmen das Klavier liegen darf (mieser Zustand x EUR bis top Zustand x EUR).

Danke.
 
Vielen Dank erstmal für Eure Antworten - zumindest für die hilfreichen... :-)

Vielen Dank auch für die Fragen...zumindest für die hilfreichen!

Nee, Du knallst hier einfach mal ein "Möbel" rein, und erwartest von uns fachliche Einschätzungen...vom Innenleben und noch weniger vom Klang erfährt hier keiner was, aber Du möchtest jetzt ohne genauere Auskünfte eine Ferndiagnose haben - Bestell Dir bittschön einen Klavierbauer welcher das Instrument in Augenschein nimmt: hier kann Dir niemand (aufgrund mangelnder Informationen) etwas Genaueres übes das Klavier sagen.

Viele Grüße

Styx
 
Ist doch auch egal so lange die Wirbel fest sitzen.
 
Ähm, mal eine für Euch wahrscheinlich blöde Verständnisfrage, aber das Klavier, das Joeach auf der letzten Seite als Beispiel von Ebay erwähnt hat, ist das jetzt ein positives oder negatives Beispiel?

Sorry, bin blond :-) und völlig unbewandert, was Klavierexpertisen angeht.
Helpless
 

@Styx: Gut dass Du Dich angesprochen fühlst...

Aber im Ernst: ich habe mit den wenigen mir zur Verfügung stehenden Informationen versucht eine grobe Einschätzung zu bekommen, ob es überhaupt Sinn macht den Klavierstimmer zu bemühen (hatte ich auch eingangs so geschrieben).

Und das hat ja auch super funktioniert: Mit den wertvollen Hinweisen, die ich hier bekommen habe, kann ich das Klavier jetzt selbst beurteilen und wenn es dann noch in Frage kommt, den Klavierstimmer mit einer fachmännischen Beurteilung beauftragen.
 
...noch eine Frage: stimmt es, dass die Fußbodenheizung ein Klavier schädigt?
 
Aber im Ernst: ich habe mit den wenigen mir zur Verfügung stehenden Informationen versucht eine grobe Einschätzung zu bekommen, ob es überhaupt Sinn macht den Klavierstimmer zu bemühen (hatte ich auch eingangs so geschrieben).

Es mag schon sein, und doch können selbst die Fachkollegen hier nur mutmaßen - es weiß ja keiner wie hat es gestanden, wie war es über die Jahre klimatisiert, ist es mal runtergefallen, hat es Hochwasser - Sturm - oder Bombenschäden....? Man sieht einem Klavier gerade auf dem Photo nicht unbedingt an, was es alles durchmachen mußte. Ich habe auch schon ein wunderschönes Jugendstil Zimmermann Klavier in Augenschein genommen, welches einen finalen Plattenbruch hatte - das Instrument war schlichtweg "im Eimer".

Gut, gehen wir da von aus daß sich "Dein Instrument" im gutem Originalzustand befindet, gerichtet werden muß so odert so einiges daran - die Filze und Garnierungen so wie die Achsen werden ihre Zeit hinter sich haben, eben so die Hammerkopffilze. Auch die Saiten werden nimmer so schön klingen wie einst, sie sind halt auch verzeitet.
Jedoch lohnt sich ein solcher Aufwand, sofern das Instrument sich im gutem Originalzustand befindet, also keine nennenswerteren Schäden hat.......aber wie schon angedeutet, das muß dann wirklich ein Klavierbauer, besser ein Klavierbaumeister vor Ort einschätzen.

Viele Grüße

Styx
 
Danke für die Aufklärung, Styx.
 
Ähm, mal eine für Euch wahrscheinlich blöde Verständnisfrage, aber das Klavier, das Joeach auf der letzten Seite als Beispiel von Ebay erwähnt hat, ist das jetzt ein positives oder negatives Beispiel?

Sorry, bin blond :-) und völlig unbewandert, was Klavierexpertisen angeht.
Helpless

Ziemlich negativ! Wenn man oben rein guckt und da sieht man nicht die Hämmer, sondern die Dämpfung oberhalb der Hammerköpfe wie in dem Beispiel, handelt es sich um einen Oberdämpfer. Nicht dass dieses Klavier vielleicht schlecht klingt, aber es hat halt so seine Nachteile. ;-)

LG
Michael
 
Ziemlich negativ! Wenn man oben rein guckt und da sieht man nicht die Hämmer, sondern die Dämpfung oberhalb der Hammerköpfe wie in dem Beispiel, handelt es sich um einen Oberdämpfer. Nicht dass dieses Klavier vielleicht schlecht klingt, aber es hat halt so seine Nachteile. ;-)

Naja, die Mechanik ist die eine Sache, ich für mkeinen Teil bin ja noch so ein Fossil welches der OD Mechanik ned so grundlegend ablehnend gegenübersteht - was mich mehr schrecken würde ist die akustische Anlage....ein Münchner Pianohaus hat kürzlich ein Bechstein Klavier ! weggeschmissen weil es ned an den "Mann zu bringen war" - war n alter Geradsaiter, klanglich eher etwas für Historienfreunde......ich denke über die stimmbarkeit und stimmhaltung von so manch Geradsaitern muß hier gar nicht mehr groß debattiert werden ;)

Viele Grüße

Styx
 

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