Knopf im Ohr - Lässt Dauerberieselung (musikalisch) abstumpfen?

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Kati

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Hallo,

als regelmäßige Bus- und Bahnfahrerin, aber auch auf der Straße, erlebe ich täglich, wie sich immer mehr Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene scheinbar mittels ihres IPods dauerberieseln lassen; oft so laut, dass das halbe Abteil mithören kann (muss :-x).

Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass gerade Jugendliche immer lauter reden, ja fast schon schreien, anstatt sich in normaler Lautstärke zu unterhalten (manche rappen schon eher als dass sie reden! ;)). Auch wenn es nur Show und Aufmerksamkeitsheischen sein sollte: Ich kann mir gut vorstellen, dass viele schon erhebliche Hörschäden davongetragen haben.
Ich frage mich auch, ob dieses ständige Zuballern mit Musik, bei der, wie ich ja leider mithören kann, es sich i. d. R. um gängige Rock- und Popmusik handelt, nicht das Gehör und auch das Musikempfinden abstumpft? Vielleicht sollte man den verantwortungsvollen Umgang mit IPod und Co. für sich selbst und seine Mitmenschen auch unter das Schulthema (?) "Medienkompetenz" fassen...

Vielleicht ist die Frage auch müßig, denn früher gab es ja auch schon Walkmans und entsprechende Verhaltensweisen, aber es würde mich einfach mal interessieren.
 
Ja, mir geht es ähnlich: Manchmal, besonders wenn ich eine Zeit lang besonders viel Musik gehört habe oder viel Lärm und Geräuschen ausgesetzt war, mache ich bewußt alles 'still' um mich herum. Dann stecke ich mir sogar Ohrstöpsel ins Ohr, um die Straßengeräusche und den Fernseher u. ä. der Obermieter nicht zu hören. Musik im Hintergrund als Dauerberieselung hat mich schon immer gestört und eher unkonzentriert gemacht als entspannt.

Und gerade meine Lieblingsstücke höre ich am seltensten! Sie sollen sich nicht 'ausleiern', und ich keinen Ohrwurm kriegen, was leider sehr schnell geht ;)
 
...wie sich immer mehr Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene scheinbar mittels ihres IPods dauerberieseln lassen; oft so laut, dass das halbe Abteil mithören kann (muss ).

Ergänzend an ubiks Abstumpfungstheorem: Ich denke, dass sich Menschen mit der Musik, die sie hören, identifizieren. na no na ned...... Weiters: Laute, schnelle Musik, kombiniert mit aggressiven Lyrics wirkt m.E. nach "stressfördernd", besonders, wenn man die Musik "nicht versteht" (ausgenommen eventuell Drummer...), was wiederum ein erhöhtes, unterbewusstes Aggressionspotential bewirkt.

Berieselung schaltet aktives Denken aus.
 
Daß die heutigen Jugendlichen öfters schwerhörig sein sollen als frühere, kann ich mir kaum vorstellen. Es gibt schon so viele Reglements über Maximallautstärke, selbst die IPod Kopfhörer wurden in der Leistung reduziert - und es ist tatsächlich keine Schande mehr, als Musiker mit Gehörschutz aufzutreten. Wenn ich dagegen überlege, mit welchem Ohrensausen ich früher oft aus dem Übungsraum, aus Discos und so weiter gekommen bin, muß ich glücklich sein, daß mein Gehör noch einwandfrei funktioniert.

"Berieselung schaltet aktives Denken aus." (ChrisSilver)

... deswegen machen es wohl so viele. Und angesichts der zunehmenen Fremdbeschallung greift man halt lieber zu den eigenen Mitteln. Mir stellt sich eher die Frage, warum so viele Leute sich ablenken wollen anstatt sich dem zu stellen, was für sie gerade wichtig sein sollte. Die Antwort würde mir gelegentlich auch weiterhelfen :D

Aber ich bitte dringend darum, davon abzusehen, sich hier um mögliche Reglementierungen Gedanken zu machen. Mutter Staat tut schon genug, um uns alle einzuschränken!
 
Ich denke, dass generell Dauerberieslung, egal ob Pop- oder Klassikmusik einen abstumpfen lässt. Das liegt daran, dass die Musik nur zum Hintergrund läuft und man sich nicht darauf konzentriert, sodass Musik zur Gewohnheit wird. Außerdem verliert man den Sinn, Musik zu schätzen. Aber damit haben die meisten, die schon länger Musik hören oder sogar ein Instrument spielen, zu kämpfen. Denn diese Momente, wo man Gänsehaut kriegt, bzw. wo man sich emotional betroffen fühlt, stumpfen am, je mehr sie betätigt wurden. Ich höre deswegen meistens ein paar Tage keine Musik, damit es nicht zur Alltäglichkeit wird.

Diese "Dauerberieselung", wie du sie nennst hat aber auch einen anderen Zweck: Der Ablenkung. Natürliche verspüre ich nicht das gefühl, wie wenn ich in einem Live.Konzert sitze, jedoch vor bestimmten Klausuren, kann ein Scarlatti ganz hilfreich sein. Ich glaube man wird auch nie konstatieren können, dass man abstumpft, denn die Qualität dieser Audiodateien, in Verbindung mit den kleinen Kopfhörern, die ständig rausfallen, ist mager, deshalb wird man sich das wohl nicht zur Gewohnheit machen.
 
Es gibt schon so viele Reglements über Maximallautstärke, selbst die IPod Kopfhörer wurden in der Leistung reduziert
Interessant, das wusste ich nicht!

Und angesichts der zunehmenen Fremdbeschallung greift man halt lieber zu den eigenen Mitteln.
Abschottung gegenüber Fremdbeschallung (durch Ipods, Handys, Dauergespräche usw.): Das ist allerdings verständlich. Ich persönlich nehme mir zu diesem Zweck etwas richtig Spannendes zum Lesen mit, das mich alles um mich herum vergessen lässt. Wenn es partout nicht geht, setze ich mich auch mal demonstrativ um.

Aber ich bitte dringend darum, davon abzusehen, sich hier um mögliche Reglementierungen Gedanken zu machen. Mutter Staat tut schon genug, um uns alle einzuschränken!
Keine Sorge, das war nicht meine Absicht!;) Vielmehr würde ich mir ein bisschen mehr Zivilcourage (auch von mir selbst) wünschen, besonders in öffentlichen Verkehrsmitteln, und andererseits etwas mehr Sensibilität gegenüber seinen Mitmenschen (Ipod nicht zu laut stellen usw., was ja viele auch lobenswerterweise machen).
 
Um die Ohren der Jugendlich mach ich mir eher weniger Sorgen. Aber ubiks Abstumpfungstheorie muss ich zustimmen. Ich verstehe das nicht und will es auch gar nicht verstehen. Ich höre nicht mal Musik, wenn ich spaßeshalber im Internet surfe.

Ich denke, dass diese Dauerberieselung auch noch einen Profilierungsdrang befriedigt. Ich vermute, dass es in der eigenen sozialen Gruppe als erstrebenswert gilt, möglichst oft und möglichst offensiv mit den Gruppenmerkmalen umzugehen. Musik als Statussymbol. Aber das ist nichts Ungewöhnliches und findet allerorten statt, auch in "gebildeten" Schichten und "reiferen" Altersklassen. Ich kann das aktuell grad sehr schön beobachten, da hier in Regensburg gerade die Thurn und Taxis Schlossfestspiele stattfinden. Da geht es einfach darum, seinen sozialen Status über Musik zu definieren. Das erfüllt für mich denselben Zweck wie dauernde, öffentlich wahrnehmbare Dauerberieselung, äußert sich nur anders.

Ich konnte auch beobachten, dass viele dieser Dauerkonsumenten tatsächlich glauben, dass ihnen Musik etwas bedeute. Leider geht es dabei nur um Musikkonsum, nicht um Musikmachen, ums aktive Verstehen. Das ist nur eine Jagd nach dem richtigen Image, nicht nach der richtigen Musik. Aber sie empfinden es so, als sei Musik wichtig für sie. Ein ähnliches Phänomen wie der Hardcore-Fußballfan, der seine Ehe für Bayern/Schalke/FC Hintergrub oder sonstwas riskiert (übertrieben ausgedrückt), aber seit dem Sportunterricht in der Schule auf keinem Fußballfeld mehr gestanden ist.

Aus meiner Perspektive noch schlimmer: Radiohören über den Handylautsprecher. Greift leider immer mehr um sich. Neulich hab ich mich gewundert, welche Kneipe denn am Nachmittag schon so laut aufdreht, dabei kamen 30 Sekunden später zwei Teenie-Mädchen ums Eck, die die Fußgängerzone mit dem neusten Rhianna-Hit beglücken mussten. Auch sehr "nett" war die mit Sicherheit über 30-jährige Dame, die im Freibad ihren Liegestuhl unglücklicherweise direkt neben meinem hatte und mich an ihrem fragwürdigen Musikgeschmack teilhaben ließ. :rolleyes:
 
[satire an]
Appreggio: Was ist denn bitteschön "fragwürdiger Musikgeschmack"? Da muß ich automatisch an politisch extreme Musik denken, aber das hast du vermutlich nicht gemeint und das hat ja auch nichts mit Musikgeschmack zu tun sondern mit der politischen Einstellung. Als nächstes fällt mir nur noch "entartete Kunst" ein, das wolltest du doch nicht sagen, oder? Oder meintest du mit "fragwürdig" das Gegenteil von "fragunwürdig" - also daß es sich lohne, sich mit der Musik dieser Geschmacksrichtung mal näher zu beschäftigen?

Freiwillige Dauerberieselung ist für mich ein Zeichen, daß die Person sich davor drücken will, sich über etwas Gedanken zu machen. Im Extremfall ist das Sucht und der Mensch braucht Hilfe. Aber was ich schlimmer finde ist die permanente Berieselung, der man mehr oder weniger hilflos ausgeliefert ist. Also Bildschirme in den U-Bahn Stationen, Fernseh- und Videoprogramm im Flugzeug und der Gruppenzwang am Arbeitsplatz, über die neuesten Folgen von "Desperate Housewives" bescheid wissen zu müssen (immerhin werden die alten Folgen wiederholt, damit man die Chance hat, wieder Anschluß zu finden). Das grenzt doch schon an Manipulation, wobei ich offen lasse, ob die nun beabsichtigt ist oder nur in Kauf genommen wird. Jedenfalls muß man sich entscheiden, ob man die Frendberieselung annimmt und alles andere um sich herum vergißt oder ob man sich dagegen abschottet (z.B. weil sie nervt) und seine Sinne dann auf andere Weise drosselt. Auf jeden Fall führt es dazu, daß man sich auf die eine oder andere Weise dem Zustand der Sinnlosigkeit nähern muß, und das ist ja nichs anderes als abzustumpfen.....
[/satire aus]
 
Guendola, ich schreib meine Meinung aus meiner persönlichen Perspektive, die ist nicht unumstößlich und allgemeingültig, aber ich muss nicht jede Äußerung gleich im Anschluss relativieren, damit sich niemand auf den Zeh getreten fühlt. Wie man da jetzt auf entartete Kunst kommt, erschließt sich mir nicht ganz, das halte ich für maßlos überinterpretiert. Ich find den Musikgeschmack dieser Liegestuhlnachbarin nun mal fragwürdig im wortwörtlichen Sinne, weil ich mich frage, was man an diesem dumpfen R'n'B-Gehopse denn gut finden kann und warum man damit andere Leute ungefragt behelligen muss. Mein Unverständnis über diesen Musikgeschmackt löst bei mir Fragen aus, deswegen fragwürdig aus meiner Perspektive. ;)

Für mich hat das wie gesagt nichts von Weltflucht, sondern ist ein nach außen transportiertes, soziales Merkmal, wie Band-T-Shirts, bedeutungsschwangere Kettenanhänger, Aufkleber etc., wodurch man hofft, Anerkennung von Gleichgesinnten ergattern zu können und sich vom Rest abgrenzen zu können. Dass es zu mangelnder Wahrnehmung der Umwelt führt, ist für meine Folgeerscheinung, nicht die Absicht, oder das Desinteresse war schon vorher da.
 

Arpeggio: Du qualifizierst also den Geschmack eines anderen als "fragwürdig" ab, weil du ihn nicht verstehst?
 
Ich impliziere damit mein Unverständnis und dass ich diese Musik schlecht finde. Vorsorglich weise ich darauf hin, dass ich von meinen Mitmenschen nicht verlange, meine Meinung zu teilen.
 

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