Autodidaktisches Erarbeiten von Stücken - sinnvoll?

Ich glaube, dass ein guter KL seine Schüler geradezu motivieren sollte, in Eigenregie geeignete Stücke zu üben. Ein kleines Problem könnte da nur sein, dass man sich bei der Auswahl dezent überschätzt und zu Noten greift, die einen dann nötigen, fragwürdige Kompromisse zu machen. Mir geht das auch gerade mit der berühmtesten aller Mozart-Sonaten so.... huijuijui! Da dreht er sich Grabe um! Und das ist dann halt schade und frustran. Man tät so gern und kann es nicht.
Aber:Mein KL hat mir von Anfang an in den vergangenen 1,5 Jahren nicht ein einziges Mal das jeweilige aktuelle Übestück vorgespielt (egal wie schwierig oder einfach). Seine Aussage zu Beginn meines Klavierunterrichts bei ihm war: ich solle schnellstmöglich lernen, selbständig ein Stück zu erarbeiten! Das sieht dann so aus, dass er mir die Noten präsentiert, z.Zt. viel Bach, und ich soll dann gleich ran. Aus dem, was da so an Musik durchschimmert, oft kann ichs nur erahnen, soll ich zuhause etwas erarbeiten. Zur nächsten Stunde spiel ichs vor. Also eben das, was ich für richtig halte. Mir macht das Spaß! Ich bin ja sozusagen "gezwungen" die (musikalische) Interpretation selbst zu finden, weil ich dank der Weigerung meines KL mir vorzuspielen keine Ahnung habe, wie es "eigentlich" klingen soll (aber das ist ja eh Geschmacksache). Wenn üble Fehler in meiner Aufführung sind, dann besprechen wir das natürlich, aber grundsätzlich überlässt der KL die Arbeit mir, d.h. er beantwortet nur Fragen, die ich ihm stelle. Also muss ich mir die Mühe machen und über das Stück nachdenken, damit ich überhaupt etwas fragen kann.
Am meisten habe ich bislang von dieser Methode profitiert, wo es um das Finden der Melodiebögen und die Akzentuierung des Rhythmus geht. Wenn ich nämlich sonst einmal das Stück passiv gehört habe, da reicht wirklich ein einziges Mal, dann spiele ich den Rhythmus einfach blind nach. Ich guck da dann nimmer so genau in die Noten. Und oft ist aber beim Erarbeiten eines neuen Stückes der Rhythmus ein unterschätztes Problem.
Jedenfall hat mich das mehr oder weniger selbständige Erarbeiten der Stücke in 1,5 Jahren als Erwachsener am Klavier weiter gebracht als 6 Jahre Klavierunterricht im Kindesalter. Und damals wars eben so, dass meine KL die Stücke, die ich spielen sollte immer vorgespielt hat.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Zuerst noch mal Danke für all eure Beiträge:p
Ich hab grad nur nicht viel Zeit, deswegen antworte ich erst jetzt.

Zitat von .marcus.
Du siehst sie nicht als fertig an, hast aber aufgehört sie zu üben. Ich nehme an, weil du selbst nicht weißt, was du noch verbessern sollst?

Komisch finde ich, dass dir gleichzeitig bewusst ist, dass das "Potential" der Stücke noch nicht richtig ausgeschöpft ist. Du musst versuchen ein Gefühl dafür zu entwickeln, wo noch verbesserungswürdige Stellen sind (und was genau noch zu verbessern ist).
Vor allem bei lyrischen Stücken wie dem Regentropfenprélude liegt das Problem im Musikalischen.
Natürlich bekomme ich das beim Regentropfenprélude soweit hin, dass es dynamisch einigermaßen schön ausgearbeitet ist.
Was ich aber noch nicht kann, vor allem, weil ich mich damit noch nicht wirklich auseinandergesetzt habe, ist, gesanglich zu spielen, was ja aber total wichtig ist.

Wenn ich das Prélude spiele, höre ich ganz deutlich, dass ich keinen schönen gesanglichen Legatobogen spiele.
Gleichzeitig weiß ich aber auch nicht, wie ich dies verbessern kann.
An der Stelle komme ich autodidaktisch nicht weiter, und das, was ich dann wirklich an diesem Stück lernen würde, könnte ich nur mit Lehrer erarbeiten.

Zitat von Madita:
Ich erziele damit Erfolgserlebnisse, auf die ich stolz bin, die mir das Gefühl geben, dass ich etwas beherrsche.
Bei mir tritt da eben das genaue Gegenteil ein.
Ich denke mir da: Boh, jetzt hab ich ein bis 2 Wochen gearbeitet um die Noten zu lernen und das Stück so weit wie möglich schön zu gestalten.
Dann frage ich mich aber auch: Hätte ich diese Zeit nicht nutzen können, um etwas vorzubereiten, was man im Unterricht zu voller Reife hätte ausgestalten können?

@Walter: Deine Beiträge und deine Blog-Einträge lese ich mir immer liebend gern durch:p Es gibt einem immer neue Anregungen!

Dabei habe ich aber eine Frage an dich: Sicherlich hast du über die Jahre unglaublich viele tolle Stücke selbst erarbeitet, was ich sehr bewundere, würdest du denn aber auch sagen, dass du dich währenddessen auch musikalisch und technisch immer mehr weiterentwickelt hast? Oder hättest du dazu doch lieber einen Lehrer gehabt?
 
Wenn ich das Prélude spiele, höre ich ganz deutlich, dass ich keinen schönen gesanglichen Legatobogen spiele.
Gleichzeitig weiß ich aber auch nicht, wie ich dies verbessern kann.
An der Stelle komme ich autodidaktisch nicht weiter, und das, was ich dann wirklich an diesem Stück lernen würde, könnte ich nur mit Lehrer erarbeiten.

Boh, jetzt hab ich ein bis 2 Wochen gearbeitet um die Noten zu lernen und das Stück so weit wie möglich schön zu gestalten.
Dann frage ich mich aber auch: Hätte ich diese Zeit nicht nutzen können, um etwas vorzubereiten, was man im Unterricht zu voller Reife hätte ausgestalten können?

Hallo Hacon,
du schreibst, dass die Zeit im Unterricht nicht reicht, um zusätzliche Fragen, die beim selbstständigen Erarbeiten von Stücken auftauchen, zu behandeln.
Einerseits verstehe ich das.

Andererseits: Es muss doch eine Möglichkeit geben, auch auf solche Aspekte einzugehen! Könnt ihr nicht mal eine "Zwischenbesprechung" einlegen, dafür eventuell an den sonstigen Stücken kürzen? Oder vielleicht ein paar zusätzliche Minuten an die Klavierstunde anhängen?
Es lässt sich doch sicher einen Weg finden.

An halb bearbeiteten, unfertigen Stücken hätte ich auch weniger Spaß!

Grüßle, Madita
 
Hallo Hacon!

Gut das du das Thema ansprichst. Dein Anliegen ist es, wenn ich's richtig begriffen habe, möglichst viele Stücke der Klavierliteratur abzuhaken und damit die Zeit des Klavierunterrichts erwas "aufzuwiegen" oder? Diese Intention habe ich nämlich im Moment auch. Ich über auch zwei Stücke parallel, zum einen die Fantasie in c-moll (BWV906), und das Italienische Konzert, letzteres ohne die Mitwisserschaft meines Klavierlehrers. Der Grund ist bei mir der, das mich im Moment eine waaaahnsinns Lust nach Bach durchströmt und ich meine Versäumnisse in den vergangenen sieben Jahren wettmachen möchte, in denen ich kein einziges Stück von Bach gespielt habe...

...außerdem fürchte ich, das mich mein Klavierlehrer für wahnsinnig erklärt, wei man dennn zeitgleich an zwei solchen Mammutwerken arbeiten könne...

Noch etwas zum autodidaktischen Einüben: Im Grunde genommen kann es gar nicht verkehrt sein, mal alleine in musiktechnisches Neuland vorzustoßen, und das durch selbstständiges arbeiten und hervor"tasten".

Mein subjektives Empfinden...

Gruß WSH
 
Hallo Hacon,

auf Deine Fragen: natürlich bin in in musikalischer und in technischer Hinsicht besser geworden - hat sogar ein lieber Kollege bemerkt, der von der Materie was versteht.

In musikalischer Hinsicht u.a. durch Interpretationsvergleich verschiedener Aufnahmen - mit den Noten in der Hand. Dabei habe ich mir durchaus Rechenschaft gegeben, warum mir die eine Interpretation gefällt und die andere nicht, in wie weit sich der betreffende Spieler an die Zeichen im Text hält usw. Und ich bin jeweils auch zu einer eigenen Auffassung gekommen, die nicht um jeden Preis von der Allerweltsauffassung abweichen muss.

In technischer Hinsicht: die Stücke meiner Wahl werden mit der Zeit natürlich anspruchsvoller, zur Zeit gibt es Tonrepetitionen bei Gottschalk und Liszts z.T. raffinierte Fingersätze in seiner Übertragung der 8. Beethoven-Symphonie.

Ein Klavierlehrer käme bei mir nur sehr sporadisch zum Einsatz, weil ich durch Beruf und andere Betätigungen gezwungen bin, mein Klavier üben sehr ungleichmäßig zu verteilen. Zum Teil häppchenweise, zum Teil länger, zum Teil verschiedene Stücke (max. 2) gleichzeitig, z.T. eine Woche lang nur eine einzige Stelle (meine "Holzhammermethode"). - Zumindest eine wöchentliche Klavierstunde kann ich mir für mich zur Zeit nicht vorstellen.

Ich weiß nicht so recht, ob ein hiesiger Klavierlehrer meine Fragen zum auswendig einüben, oder zum warmhalten eines größeren Programms ausreichend beackern könnte. (Wie merke ich mir nur die kleinen Abänderungen von Themen und Verzierungen bei fast jeder Wiederholung bei Chopin oder bei Dvorak?)
Hat der KL Konzerterfahrung mit diesem oder jenem Stück?

In unserem aktuellen Thread ist immer wieder davon die Rede, ob ein KL seinen Schülern vorspielen sollte oder nicht.

Meines Erachtens ist der mittlere Weg das beste: das eine tun und das andere nicht lassen.

Nicht vorspielen: damit der Schüler lernt, sich ein eigenes Klangbild zu erarbeiten.

Vorspielen: ein Stück vorstellen.
Das war in der Geschichte eigentlich der normale Vorgang. Der Komponist selber spielte eine neue Komposition seinen Freunden, Gönnern oder seinem Publikum fast immer selbst vor.

Vielleicht ist es für Kinder oder Jugendliche manchmal sinnvoll, durch vorspielen den Zugang zum Stück abzukürzen, damit es auch wirklich in einer annehmbaren Zeit vollständig gelernt werden kann.

Viel Erfolg mit neuen Stücken wünscht

Walter
 
Zitat von Madita:
Andererseits: Es muss doch eine Möglichkeit geben, auch auf solche Aspekte einzugehen! Könnt ihr nicht mal eine "Zwischenbesprechung" einlegen, dafür eventuell an den sonstigen Stücken kürzen? Oder vielleicht ein paar zusätzliche Minuten an die Klavierstunde anhängen?
Es lässt sich doch sicher einen Weg finden.
Ich versuche jetzt mal, dem Problem wenigstens ein bisschen entgegenzutreten, indem ich versuche, die Unterrichtszeit wenigstens auf eine Stunde zu erhöhen. Weiß aber nicht, obs klappt.

Zitat von WSH:
möglichst viele Stücke der Klavierliteratur abzuhaken und damit die Zeit des Klavierunterrichts erwas "aufzuwiegen" oder?
Genau. Vor allem will ich, dass sich die Zeit, die ich in diese Stücke gesteckt habe, auch gelohnt hat. Sonst hätte ich Anderes in der Zeit machen können.

Zitat von Walter:
auf Deine Fragen: natürlich bin in in musikalischer und in technischer Hinsicht besser geworden - hat sogar ein lieber Kollege bemerkt, der von der Materie was versteht.
OK, das ist schon mal gut.

In unserem aktuellen Thread ist immer wieder davon die Rede, ob ein KL seinen Schülern vorspielen sollte oder nicht.
Das macht mir grad auch etwas Sorgen. Meine jetztige Lehrerin hat pädagogisch echt was auf dem Kasten, sie lässt sich sehr viel Übemethoden einfallen, aber seltsamerweise spielt sie mir ständig das aktuelle Stück vor, weil sie mir immer irgendwas zeigen will.

Naja, jetzt mach ich eh erst mal, was ich will.
Wie ich heut erfahren hab, hatte ich letzte Woche das letzte Mal Klavierunterricht vor den Ferien, d.h. jetzt kommen 6 Wochen autodidaktisches Lernen.

Gruß,
Hacon
 

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