Vorausschauen beim Spielen nach Noten

Gibt es durchaus. Für Fortgeschrittene Spieler ist das alte Buch "Vom Blatt" von Kurt Herrmann zu empfehlen. Er setzt da an, dass man beim Blattspiel blind spielen muss, das heißt ohne auf die Tasten zu schauen. (Denn dazu hat man keine Zeit, so man nicht stocken möchte.) Die Klaviatur muss in allen Tonarten mit "Standardfingersätzen" beherrscht werden, also Tonleitern, Arpeggien, Akkorde, usw. Später werden Techniken des Notenlesens erarbeitet und Musiktheorie einbezogen.
So liest man dann beim virtuoseren Blattspiel lange nicht mehr Note für Note, sondern erfasst größere Zusammenhänge auf einmal (sogenannte Superzeichen).
Das alles kann sich aber auch entwickeln in dem man Blattspiel einfach ins tägliche Übeprogramm aufnimmt, wobei auf den angemessenen Schwierigkeitsgrad zu achten ist.

hallo!
darf ich fragen, wie weit fortgeschritten man für das empfohlene buch „vom blatt“ sein muss, um es selbständig zu erarbeiteten?
es gibt ja ein textbuch und 4 „spielbücher“, alle besorgen und der reihe nach durcharbeiten?
mein ziel ist vielleicht nicht ernsthaft stücke primavista (ich gehe davon aus, dass das bedeutet, dass man die noten zum ersten mal sieht ) zu spielen. vielmehr ist es für dieses jahr mein ziel, eine belastbare, ausbaufähige basis zu erarbeiten. ich bin mit auswendig spielen gescheitert. und ich habe das gefühl, dass ich notentexte so lesen können muss wie ich geschriebene texte lese... während ich die ersten worte des satzes laut lese, habe ich den rest des satzes schon dechiffriert, kann meine stimme anpassen, auf lesefehler reagieren und sogar spontan eine „verbesserung“ erfinden.
ihre beschreibung des buches passt genau zu meinem plan. nur die frage, ob ich das anhand des buches überwiegend allein schaffen kann.
für eine kurze einschätzung wäre ich sehr dankbar!
herzliche grüße
 
darf ich fragen, wie weit fortgeschritten man für das empfohlene buch „vom blatt“ sein muss, um es selbständig zu erarbeiteten?
Selbstverständlich...

Das Buch richtet sich eher an sehr fortgeschrittene Pianisten, die es in ihrer Ausbildung verpasst haben, sich auch dem Blattspiel zu widmen.

Für Anfänger bzw. weniger Fortgeschrittene kann ich "Piano Sight Reading", erschienen in drei Bänden bei Schott, empfehlen. Hier geht es im ersten Band wirklich ganz von vorne los.
 
@calliope

Du könntest auch schöne Anfängerliteratur nehmen. :001: Gibts antiquarisch für´n Abbel unnen Kliggä. Ist ja wurscht, falls darin ein bisschen rumgemalt wurde. Fürs "Notenfressen" isses gut genug.

Ich bin aber der Überzeugung, dass es ein "Entweder-Oder" (im Sinne eines aut-aut) oder ghar eine Gegnerschaft zwischen "nach Noten" und "Auswendig" nicht gibt.

Nicht jedes Stück ist es wert, komplett und felsenfest auswendiggelernt zu werden, so dass man es für den Rest seiner irdischen Existenz jederzeit überall aus dem Ärmel schütteln kann. Keine Frage.

Ich tue mich mit dem Auswendiglernen auch schwer, aber es lohnt sich, wenn man sich zwingt. Selbst wenn man gut und flüssig notenlesen kann – ab einer gewissen Komplexität (vom Tempo ganz zu schweigen) ist es eigentlich unabdingbar. Auch wenn man die auswendig gelernten Stücke zu "vergessen" scheint, sind sie zu einem späteren Zeitpunkt sehr rasch wieder reanimierbar.
 
Prima vista spielen ist m.E. ein Konglomerat verschiedener Fähigkeiten und Fertigkeiten. Zunächst sollte man das Stück mental üben, sehr langsam und genau lesen, sich dabei so viel wie möglich merken. Fernerhin sollten typische, wiederkehrende Bauelemente wie Skalen, Arpeggien, Albertibässe, etc. zum Standardrepertoire gehören. Darüberhinaus ist die Harmonielehre eine große Hilfe, wenn man nicht Noten einzeln übereinander ablesen muss, sondern gleich erkennt, dass es sich z.B. um einen F7 (Dominantseptakkord) handelt. Der Informierte wird dann mit höchster Wahrscheinlichkeit schon B-Dur erwarten, in welcher Umkehrung und Stellung auch immer, oder z.B. g-Moll als trugschlüssige Wendung, etc. Ferner müssen solche Griffmuster automatisiert sein, also z.B. für einen Septakkord. Ferner muss das Bewegungsgefühl gut ausgeprägt sein, damit man blind spielt, also ohne auf die Hände zu schauen, was bei einem weitgehend fremden Notentext sehr anzuraten ist. Fernerhin muss man sich in den verschiedenen Tonarten zu Hause fühlen. Prima vista spielen kann man jedenfalls nicht nach einer Bastelanleitung lernen, sondern erfordert tägliches Training anhand von Literatur, die ganz erheblich unter dem derzeitigen Niveau liegt.
 
@calliope

Du könntest auch schöne Anfängerliteratur nehmen. :001: Gibts antiquarisch für´n Abbel unnen Kliggä. Ist ja wurscht, falls darin ein bisschen rumgemalt wurde. Fürs "Notenfressen" isses gut genug.

Ich bin aber der Überzeugung, dass es ein "Entweder-Oder" (im Sinne eines aut-aut) oder ghar eine Gegnerschaft zwischen "nach Noten" und "Auswendig" nicht gibt.

Nicht jedes Stück ist es wert, komplett und felsenfest auswendiggelernt zu werden, so dass man es für den Rest seiner irdischen Existenz jederzeit überall aus dem Ärmel schütteln kann. Keine Frage.

Ich tue mich mit dem Auswendiglernen auch schwer, aber es lohnt sich, wenn man sich zwingt. Selbst wenn man gut und flüssig notenlesen kann – ab einer gewissen Komplexität (vom Tempo ganz zu schweigen) ist es eigentlich unabdingbar. Auch wenn man die auswendig gelernten Stücke zu "vergessen" scheint, sind sie zu einem späteren Zeitpunkt sehr rasch wieder reanimierbar.

hallo! danke für den tipp!
mein jüngster hat vor kurzem mit klavierunterricht begonnen. tatsächlich arbeite ich in seiner „klavierschule“ heimlich mit .
mein großer (10 jahre alt) ist weiter als ich. so eine bach invention kann ich zwar lesen, aber nicht spielen wie er. ihm fehlt die fähigkeit, den notentext zu verfolgen beim spiel. er kann es nach kurzer zeit einfach auswendig...er kann es sogar mit geschlossenen augen. aber wehe er soll den text verfolgen...

das musizieren als solches ist eben sehr komplex. wie schon jemand zuvor in diesem faden sagte: man braucht abrufbares, vielschichtiges musiktheoretisches wissen, um wirklich gewappnet zu sein... dann kann man vorausahnen, was kommt...

mein lehrer hatte wenig verständnis für mein problem. wenn ich ein stück auswendig konnte, konnte ich es eben nur mit blick auf die finger. wenn ich mich verspielt habe, war seine überraschung groß, dass ich mich nicht mit blick in die noten retten konnte. weil doch ganz klar war, dass -aus musiktheoretischer sicht- jetzt dies oder jenes folgen musste... ich erwähnte schonmal, dass so manchem, der „es kann“ die fähigkeit des perspektivwechsels fehlt.

es hilft nur machen und üben. so isses eben!
 
Das Hauptproblem beim "Blick in die Noten" zwischendurch ist bei mir, die entsprechende Stelle auf dem Blatt schnell genug wiederzufinden. Lt. meiner KL typisch für den Übergang zwischen Stück nach Noten und komplett auswendig.

Entscheidend beim prima vista Spiel sind meiner Meinung nach zwei Dinge:
- kurze Abschnitte sinnvoll erfassen können
- das Instrument während des Erfassungszeitraums blind behrerrschen

so dass beide Phasen sich nahtlos abwechseln können. Dabei muss nicht alles 100% stimmen, aber das Stück an sich muss erkennbar sein und von kleinen Fehlern darf man sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Üben hilft, Theoretische Schriften dazu lesen eher nicht.
 
hallo! danke für den tipp!
mein jüngster hat vor kurzem mit klavierunterricht begonnen. tatsächlich arbeite ich in seiner „klavierschule“ heimlich mit .
mein großer (10 jahre alt) ist weiter als ich. so eine bach invention kann ich zwar lesen, aber nicht spielen wie er. ihm fehlt die fähigkeit, den notentext zu verfolgen beim spiel. er kann es nach kurzer zeit einfach auswendig...er kann es sogar mit geschlossenen augen. aber wehe er soll den text verfolgen...

das musizieren als solches ist eben sehr komplex. wie schon jemand zuvor in diesem faden sagte: man braucht abrufbares, vielschichtiges musiktheoretisches wissen, um wirklich gewappnet zu sein... dann kann man vorausahnen, was kommt...

mein lehrer hatte wenig verständnis für mein problem. wenn ich ein stück auswendig konnte, konnte ich es eben nur mit blick auf die finger. wenn ich mich verspielt habe, war seine überraschung groß, dass ich mich nicht mit blick in die noten retten konnte. weil doch ganz klar war, dass -aus musiktheoretischer sicht- jetzt dies oder jenes folgen musste... ich erwähnte schonmal, dass so manchem, der „es kann“ die fähigkeit des perspektivwechsels fehlt.

es hilft nur machen und üben. so isses eben!
Hallo Calliope, der führende Wissenschaftler für die physiologischen und psychologischen Sachverhalte beim Musizieren, Prof. E. Altenmüller, unterscheidet in 2 verschiedene Gedächtnisbereiche, denen unterschiedliche Hirnregionen, bzw. Gedächtnisbereiche zugrunde liegen: a) das deklaratorische und b) das prozedurale Gedächtnis: klingt schlimmer, als es ist..;-) Zu a) das deklaratorische Gedächtnis ist langsam, liest sehr bewusst und analytisch den Notentext, b) das prozedurale automatisiert, fasst zusammen, ist unterbewußt und schnell und sehr schnell. Was ist daran wichtig? Antwort: wer nur aus dem Deklarativen spielt, bleibt im Übetempo, wer nur ( wie dein nur auswendig spielender Sohn) das Prozedurale einsetzt, ist zu unsicher, weil in dem Moment, wo er in die Noten schaut, oder verunsichert ist (Vorspielsituation) der Notentext fremd erscheint, und der deklaratorische Teil des Gedächtnisses keine "Amtshilfe" leisten kann. Fazit: es müssen beide Gedächtnisformen gleichermaßen trainiert werden, müssen sich gegenseitig ergänzen. Wie soll das gehen? Antwort: indem man den Sohn anhält es immer wieder auch sehr langsam zu spielen, und mit Blick in die Noten sehr bewusst erkennt, was er gerade unter den Fingern hat, und was als Nächstes drankommt. Danach können die schnellen Passagen, das flüssige oder auch virtuose Spiel dazugenommen werden. Wie prüft man das? Indem man ein flott laufendes Stück den Schüler einmal ganz langsam mit Notenblickkontakt spielen lässt. Kann er es dann langsam und bewußt nicht, ist der "deklarative" Anteil mangelhaft ausgeprägt und sollte nachgearbeitet werden.
 

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