Hatte LvB kleine Hände?

Dito



Das finde ich allerdings nicht. Gerade dadurch, dass ich Händel wirklich mag und schätze, zeigt sich für mich im Vergleich zu Bach dessen Überlegenheit.
So geht es mir übrigens mit vielen. Bin tatsächlich immer noch und immer wieder voller Ehrfurcht und Bewunderung ob Bachs Werken...
Du hast Recht. Ich höre gerade mal wieder Bachs Partiten. Nachdem ich ja nun alle (!) Suiten von Händel gehört habe, fällt mir doch ein gewisser Unterschied auf. Es ist das Zeitlose, was man Bach ja auch immer nachsagt. Das hat Händel nicht! Der ist viel mehr in den Konventionen seiner Zeit "gefangen". Seine Musik hat aber oft mehr Wärme als die von Bach (subjektiv empfunden). Bach dagegen ist origineller, oft voller Überraschungen. Händel nutzt viel häufiger die Formelsprache seiner Zeit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nachdem Adorno (?!) über Sibelius die objektive und gut begründete Ansicht vertrat, dieser sei ein grottenschlechter Komponist, erhält - auch in Anbetracht der kurzlebigen Gestalten, die hier benannt wurden - meine alte Theotie wieder Auftrieb, dass Sterbealter und kompositorische Qualität umgekehrt proportional seien. Ich warte noch immer auf das vor Erreichen des ersten Geburtstages verstorbene Supergenie!
 
erhält - auch in Anbetracht der kurzlebigen Gestalten, die hier benannt wurden - meine alte Theotie wieder Auftrieb, dass Sterbealter und kompositorische Qualität umgekehrt proportional seien. Ich warte noch immer auf das vor Erreichen des ersten Geburtstages verstorbene Supergenie!
Es ist der Drang nach Fantasie, die spannende Frage „Was wäre, wenn...“, die zu solchen Spekulationen führt. Verbunden mit dem Hang zur Tragik.

Andererseits zeigt das Beispiel Mendelssohn, dass es durchaus auch anders sein kann: Wäre er mit 20 Jahren verstorben, hätte man wohl auch gedacht, dass vielleicht das größte Genie des 19. Jahrhunderts von uns gegangen ist. Er war sehr früh sehr genial, ein wirkliches musikalisches Wunderkind. Doch dieses übergroße Talent verschwand allmählich wieder, Mendelssohns kompositorische Leistungen nahmen im Großen und Ganzen stetig ab (wenn man die mit 17 Jahren komponierte Somernachtstraum-Ouvertüre als Maßstab nimmt).
 
Doch dieses übergroße Talent verschwand allmählich wieder, Mendelssohns kompositorische Leistungen nahmen im Großen und Ganzen stetig ab (wenn man die mit 17 Jahren komponierte Somernachtstraum-Ouvertüre als Maßstab nimmt).

So wie beim total fürchterlich schlechten Violinkonzert in e-Moll? Oder auch die total schäbigen Variations sérieuses?
 

Mendelssohn hat sicher eine Menge mehr oder weniger routinierter und "glatter" Gelegenheitskompositionen geschrieben, das ist schon richtig. Aber die Meisterwerke gibt es eben auch, und die verteilen sich durchaus über sein ganzes Leben - dazu gehören die Oratorien Paulus und Elias, die Sinfonien Nr. 3 und 4, das Violinkonzert und auch einige Sätze der Bühnenmusik zum Sommernachtstraum (komponiert hat er nur die Ouvertüre mit 17).

Sein vielleicht revolutionärstes Werk ist sogar sein letztes - das Streichquartett op. 80.
 
Zuletzt bearbeitet:
... @Alter Tastendrücker das würde kaum helfen...…
 
Interessantes Thema! (ich meine Handgröße, nicht das Komponistenstichspiel, das jegliche Musikdiskussion zu töten vermag)

Folgendes schreibe ich aus dem Gedächtnis, das sich irren mag.

Was Beethoven angeht, scheint er in allen Perioden von einer maximalen Spanne einer Dezime ausgegangen zu sein. Genauer gesagt: alle kleinen Dezimen und die großen Dezimen zwischen 2 weißen oder 2 schwarzen Tasten*. Für alles weitere wird, so weit ich weiß, ein eindeutige Anweisung zum Arpeggieren gegeben (zB Mondschein-Sonate 3. Satz h-gis'-dis''). Diese Grenze ist wahrscheinlich ein Indiz für die eigene Handgröße gewesen. Es stimmt auch, dass in den meisten Passagen die Oktave als Grenze gilt. Das ist vielleicht eine Folge der damals konventionellen Bequemlichkeit.

*all diese Dezimen findet man u.a. am Anfang von Op2 #3, im 2. Satz von Op81a, im 3. Satz von Op106.

Also was ist mit der Bequemlichkeit nach damaliger Konvention? Als Grundregel kann man unterstellen, dass die Oktave als Grenze galt. Bei Mozart kenne ich nur eine Ausnahme (Anfang von K379, Akkord c'-g'-d"). Von Haydn und CPE Bach fällt mir nichts ein. Wenn bei Beethoven diese Regel noch größtenteils zu gelten scheint (wie vom TE bemerkt), gibt es doch einige markante Gegenbeispiele, wie die Nonen im 1. Satz der Mondscheinsonate.

Titelouze (16. Jh) hat, soweit ich mich erinnere, in einem Vorwort sinngemäß geschrieben, es sei üblich, auf Intervallen, die größer als eine Oktave sind, zu verzichten, er aber halte sich nicht daran, setze ohne weiteres Dezimen, weil doch jeder Mensch die Dezime greifen kann.

Bei Byrd und Bull gibt es keine überlieferte ausdrückliche Erwähnung, aber in deren Werken sind einige unvermeidbare Dezimen, nämlich die gleichen wie bei Beethoven mit Ausnahme von Fis-ais. Das Arpeggieren ist m.E. hier kein Thema, denn die Töne müssen gehalten werden. (NB hier muss man bei der Analyse wegen der kurzen Oktave sehr gut aufpassen.)

Bei Sweelinck könnte man sich fragen, ob er für manche größere Intervalle die Hilfe des Orgelpedals voraussetzte. Wenn man glaubt, das alles, was in den Manualzeilen steht, mit den Händen zu spielen ist, muss man die kleinen Dezimen zwischen 1 schwarzen und 1 weißen Taste greifen können. Ähnliches gilt für seine Nachfolger.

Eine interessant Entwicklung ist bei der frz. Barockmusik zu beachten. Bei Chambonnières (~1670) werden noch etliche Dezimen in der linken Hand verlangt. Spätestens bei F. Couperin und Rameau ist aber die Oktave eine absolute Höchstgrenze, trotz teilweise sehr großer Virtuosität.

Ich meine, gelesen zu haben, dass J.S. Bach besonders große Hände hatte. Es stimmt jedenfalls, dass in seinen Klaviersätzen Dezimen gelegentlich vorkommen. Vor allem in Frühwerken, habe ich den Eindruck. Hierzu müsste es irgendwo genauere Information geben...

Danach kommen wir allmählich zu einem Zeitalter, in dem das Dämpferpedal zunehmend wichtig wurde. Das bedeutet, dass Komponisten Akkorde schrieben, in der Erwartung, dass sie arpeggiert und vom Pedal gehalten werden. Dementsprechend wird es schwierig, eindeutige Hinweise zur Höchsthandspanne zu erkennen.

Einen interessanten Fall bildet C.M. von Weber. Ich kenne bei weitem sein Schaffen nicht umfassend, aber würde anhand dessen, was ich kenne, behaupten, dass ihm die Akkorde B-f-as-d' und es-b-es'-g' in der linken Hand greifbar waren. Ich glaube, er war zu seiner Zeit wegen der Größe seiner Hände und die dadurch ermöglichten Sonoritäten, die er tatsächlich einsetzte, berühmt.

Eine nicht zu arpeggierende Dezime kommt bei Liszt, mit Ausnahme etlicher früheren Werke, selten vor.

Berlioz gab in seinem Buch über das Orchestrieren die Dezime als größte auf dem Klavier ausführbare Intervalle an.

Es gibt also zwei Faktoren, die für dieses Thema im Werk eines Komponisten ausschlaggebend sind: die Größe der eigenen Hand, und die Klaviersatzkonvention des jeweiligen Zeitalters. Meine Konklusion wäre also: Beethovens hat die oben genannten Dezimen greifen können, und setzte diese auch gelegentlich in seinen Werken ein, obwohl sie in der damaligen Tradition eher unüblich waren. Davor und danach hat es Perioden gegeben, wo die Tradition durchaus größere Intervallen zuließ. Bei dieser Analyse spielt Tastengröße keine Rolle, wenn wir zunächst annehmen, dass jeder Komponist für die für seine Zeit übliche Tastatur komponierte.
 
@kitium Klavierkonzert Nr.3 c-Moll Dezimentremolo (c-e) in der linken Hand (langsamer Satz)
 

Zurück
Top Bottom