Wann ist der Pianist/Interpret Schuld, wann der Komponist?

@rolf
Würde gerne noch was zu Brahms' Leber sagen, habe aber versprochen es nicht zu tun :schweigen::-D

Der Klassiker für solche Fragen ist Franz H. Franken: Die Krankheiten großer Komponisten

Als Internist ist er für dieses Thema natürlich weit kompetenter als wir Musiker.

Da wir bei Brahms sind: ich mag die 1. Sinfonie und besonders die 4. Sinfonie - die 2. & 3. sind beide für mich öde und stinklangweilig


Und da konnte ich dann fragen, was der Chopin da macht und warum mir das fremdartig/unverständlich vorkommt - und die Fragen wurden geklärt und ich durfte erfahren, was für eine geniale Musik das ist. Und mit russischer Anleitung konnte ich dann erkennen, dass das kein wirres Gehacke ist.
Mit den Sinfonien gehts mir ganz genauso. Manchmal leg ich auch die Nr. 2 oder 3 auf, weil ich denke, die sollte ich irgendwann mal genauso kennen wie die andern beiden, aber es fällt jedes Mal etwas schwer, bei der Sache zu bleiben. Jetzt merke ich auch, wie wohltuend es ist, mit dieser Einstellung nicht ganz allein sein :super:


Was du weiter ansprichst, ist das "Verstehen" eines Werks, das sich dir durch Erklärungen erschloss. Was sind denn das für Erklärungen? Form, Harmonik, historisch-biographischer Hintergrund, oder ganz was anderes?
Ich frage auch deswegen, weil ich kürzlich die Autobiographie des Liedbegleiters Helmut Deutsch gelesen habe. Darin meint er, er würde anstatt davon, dass man ein Musikstück versteht eher davon sprechen, ob es einen anspricht. Das klingt vielleicht gleich ein bisschen nach Musik bewerten über das Bauchgefühl, wie es die breite Masse liebt, aber ich denke wenn so ein hervorragender und erfahrener Musiker dies als seine Weise der Rezeption benennt, ist das bedenkenswert (was genau er auch immer unter "Ansprechen" versteht).
 
Es ist schon das Wesentliche gesagt worden. Ergänzung: Er summt mit. Kein Scherz.


P.S. Ich finde es unverschämt und respektlos, seine Abneigung gegen den Komponisten und sein Werk in einer Einspielung zu verewigen. Wie ich es überhaupt und grundsätzlich nicht mag, einen einzigen Komponisten (hier wie erstaunlich oft: Bach, ein vergleichbares Phänomen gibt es bei Wagner) in den Himmel zu heben und alle anderen Komponisten abzuwerten.

Fairerweise muss man aber sagen, dass er auch bei Bach und anderen Komponisten gesummt hat:-). Dies ist also keine Respektlosigkeit Mozart gegenüber. Mir gefallen seine Einspielungen dieser Sonaten aber auch überhaupt nicht, bin da durch Gulda geprägt :026:.
 
Fairerweise muss man aber sagen, dass er auch bei Bach und anderen Komponisten gesummt hat:-). Dies ist also keine Respektlosigkeit Mozart gegenüber. .

...ich meine irgendwo mal gelesen zu haben, dass Gould dieses Verhalten aus Kindertagen übernommen hat, da seine Mutter, wenn er am Klavier saß und spielte, oft dazu neigte, die Melodie mitzusummen. Bin mir aber nicht ganz sicher, es kam glaube ich in einer Doku über Gould mal vor.
 
...ich meine irgendwo mal gelesen zu haben, dass Gould dieses Verhalten aus Kindertagen übernommen hat, da seine Mutter, wenn er am Klavier saß und spielte, oft dazu neigte, die Melodie mitzusummen. Bin mir aber nicht ganz sicher, es kam glaube ich in einer Doku über Gould mal vor.

Gegen Erroll Garner oder Keith Jarrett war Gould in dieser Beziehung ein Waisenknabe:008:, aber gut, das waren/sind ja auch Jazzer:005:.
 
(Und Du beachtetest nicht: Ich schrieb eingangs "manches"....)

Ich dachte, es sollte Schluss sein ... aber ok, so langsam beginne ich zu verstehen:
Entweder hatte Brahms nur beim Komponieren mancher Stücke eine Leberzirrhose oder dein KL bezog sich auf jene Stücke von Brahms, wo man den Einfluss des Schluckspechts Beethoven stark spürt (dessen Erbe für Brahms bekanntlich eine große Last war und weswegen er wiederum im "Igel" ab und an bei einem Veltliner oder so Trost gesucht hat).
 
...ich meine irgendwo mal gelesen zu haben, dass Gould dieses Verhalten aus Kindertagen übernommen hat, da seine Mutter, wenn er am Klavier saß und spielte, oft dazu neigte, die Melodie mitzusummen. Bin mir aber nicht ganz sicher, es kam glaube ich in einer Doku über Gould mal vor.

Seine Mutter hatte ihn unterrichtet und ihn dazu angehalten, während des Spielens mitzusummen.
Später hatte er dann wohl Angst, wenn er sich das abgewöhnt, dies Auswirkungen auf sein Spiel hat und es deshalb gelassen hat.

Bei Gould gibt es übrigens viel viel interessanteres, als sich über das Summen zu unterhalten oder sich daran zu stören.
 
Ich dachte, es sollte Schluss sein ... aber ok, so langsam beginne ich zu verstehen:
Entweder hatte Brahms nur beim Komponieren mancher Stücke eine Leberzirrhose oder dein KL bezog sich auf jene Stücke von Brahms, wo man den Einfluss des Schluckspechts Beethoven stark spürt (dessen Erbe für Brahms bekanntlich eine große Last war und weswegen er wiederum im "Igel" ab und an bei einem Veltliner oder so Trost gesucht hat).

Wie leicht zu erkennen ist, verstehst Du da gar nix..... :lol:
 
Wie leicht zu erkennen ist, verstehst Du da gar nix..... :lol:
Schön, dass du die Frage des Verstehens noch mal aufgreifst (auch wenns so langsam beleidigend wird, nur weil ich gewagt habe, an der Unfehlbarkeit deines KL zu zweifeln).

Wenn diese Aussage deines KL angeblich nur für mich keinen Sinn macht, dann kannst du ihn mir ja gerne mal erklären.

Der Heiterkeitserfolg eines Witz besteht bekanntlich aus zwei Komponenten:

1. Muss man den Witz verstehen, d. h. warum er witzig sein soll ist immer mitteilbar, und da warte ich bei dir immer noch darauf. Ein "er ist lustig weil er lustig ist" reicht da nicht aus.

2. Ob er dann wirklich zum Lachen reizt, ist dem Humor des Hörers überlassen, setzt aber Stufe 1 voraus.

Auch ein "Anti-Witz", wie er in meiner Jugend beliebt war, liegt hier nicht vor. Dort werden zwei Aussagen sinnlos miteinander verknüpft und der Witz liegt dann gerade in der Sinnlosigkeit (was nicht jedermans Sache ist):
"Fritzchen fällt aus dem Fenster. Sagt sein Freund: Macht nichts, sein Opa kann Klavier spielen."

Aber dazu sind eben zwei Aussagen nötig. Und wer den Spruch hört: "Manche Werke von Brahms klingen nach Leberzirrhose" könnte witzig sein, wenn als zweite Aussage Brahms bekanntlich für eine intensive Trinksucht bekannt gewesen wäre, aber das ist offensichtlich nicht der Fall.
 
@dussek
Brahms ist vielseitig verwendbar:
Stichwort "beleidigend":
"falls ich irgend jemanden nicht beleidigt habe, bitte ich um Entschuldigung [für das Versäumnis]" (Brahms)
Stichwort Witze über Brahms:
"jetzt zieht er [Brahms] die großen Stiefel an" (Liszt im Unterricht über eine der Paganinivariationen)
:-D

bzgl deiner Frage zum Chopinscherzo: ich konnte nach paarmal hören die thematischen Verknüpfungen und Kontrastvarianten im Tempo nicht erkennen - das und paar andere Details (die hier keine Rolle spielen) wurde mir erklärt und gezeigt (und wie man das spielt dann auch) -- der Grund, weshalb ich das erwähnt habe: es muss nicht am Interpret und/oder am Komponisten liegen, wenn jemand nach nur paarmal hören keinen verstehenden Zugang zu einer Komposition findet. So unkompliziert wie Schuhe binden sind z.B. Literatur, Malerei, Musik (kurzum die Künste) nun mal nicht, und zum Verstehen muss der Rezipient halt auch bissel was tun (Erfahrungshorizont erweitern, dazulernen usw)
 
Schön, dass du die Frage des Verstehens noch mal aufgreifst (auch wenns so langsam beleidigend wird, nur weil ich gewagt habe, an der Unfehlbarkeit deines KL zu zweifeln

Nun ist es aber gut. Mach mal halblang!

Wer bis jetzt nicht erkannt haben sollte, dass es hier nicht um Unfehlbarkeit geht, sondern um eine scherzhafte Äußerung, die sich nicht auf das gesamte Werk bezog, eine Episode, eine Glosse, der muss sich halt weiter darin schaffen, sich an irgendwelcher gefühlten Ernstlichkeit abzuarbeiten. Viel Spaß! :017:

((Falls ich den KL einst dort treffen sollte, wohin mich der Schnitter verfrachtet, und ich ihm hiervon berichten werde, wird er sich köstlich amüsieren, welche Wellen seine harmlose Äußerung geschlagen hat...))

Zur Versöhnung:


View: https://www.youtube.com/watch?v=aOiF876TM5k
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

es ist naiv, zu glauben, dass man jedes "offizielle musikalische Kunstwerk" sogleich und aus dem Nichts erkennen und genüßliche goutieren könne.

Ich wage sogar zu behaupten, dass die Zahl derjenigen, die Beethovens op. 106 (vielleicht mit Ausnahme des langsamen Satzes) oder die 'Große Fuge für Streichquartett' B-Dur beim ersten Hören angemessen rezipiert haben (was auch immer das inkludieren mag) sich sehr in Grenzen hält. Angeber immer ausgenommen.
 
An Brahms scheinen sich die Geister zu scheiden.
Ich kenne deutlich zu wenig von ihm, um mir eine Meinung bilden zu können, ob mir seine Werke größtenteils gefallen oder missfallen sollen.
Und selbst wenn ich sein Gesamtwerk kennen würde, könnte ich mir nicht anmaßen, beurteilen zu können, ob die Sachen in kompositorischer Hinsicht besonders herausragend sind oder nicht.
Ich weiß nur, dass ich jedes mal heulen könnte, wenn ich das hier, vor allem in dieser Interpretation, höre:
Dieses kleine Stück erhebt natürlich keinen Anspruch, repräsentativ für sein Oeuvre zu sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wer bis jetzt nicht erkannt haben sollte, dass es hier nicht um Unfehlbarkeit geht, sondern um eine scherzhafte Äußerung, die sich nicht auf das gesamte Werk bezog,
Ja, ich lass es gerne gut sein. Um so mehr, als mir scheint, dass wir hier aneinander vorbei reden. Es ist mir vollkommen egal, ob einzelne Stücke oder das Gesamtwerk von Brahms nach Leberzirrhose klingen, aber der Witz erschließt sich mir aus genannten Gründen nach wie vor nicht.
 
bzgl deiner Frage zum Chopinscherzo: ich konnte nach paarmal hören die thematischen Verknüpfungen und Kontrastvarianten im Tempo nicht erkennen - das und paar andere Details (die hier keine Rolle spielen) wurde mir erklärt und gezeigt (und wie man das spielt dann auch) -- der Grund, weshalb ich das erwähnt habe: es muss nicht am Interpret und/oder am Komponisten liegen, wenn jemand nach nur paarmal hören keinen verstehenden Zugang zu einer Komposition findet. So unkompliziert wie Schuhe binden sind z.B. Literatur, Malerei, Musik (kurzum die Künste) nun mal nicht, und zum Verstehen muss der Rezipient halt auch bissel was tun (Erfahrungshorizont erweitern, dazulernen usw)
Ok, jetzt versteh ich. Also ein intellektuelles Erschließen, das dann wiederum das Gesamturteil ins Positive wendet.
Das hört sich etwas so an, als ob der struturell-musikalische Aufbau dir das größte Hörvergnügen bereiten. Ist dem so und falls ja, ist das bei jedem Stück so?
 
Ja, das war ab der ersten Antwort von Dir klar. Dieses Gezänk um einen nebensächlichen Witz wollte doch schon gestern niemand lesen! Wie kann man so lange darauf rumreiten???
Erstens zwingt dich niemand das zu lesen

Zweitens habe ich eigentlich schon gestern mein Schlusswort geschrieben, worauf dann aber auch wieder eine Reaktion kam

Aber da die Diskussion mit frosch ja jetzt beendet ist, vielleicht kannst du mir ja einen Tipp zum Verständnis geben?
 
nein, denn:
Also ein intellektuelles Erschließen, das dann wiederum das Gesamturteil ins Positive wendet.
diese vermeintliche Schlussfolgerung trifft nicht zu.
Wie ich (vielleicht nicht deutlich genug?) berichtet habe, konnte ich beim anhören mit dem 3. Scherzo nichts anfangen, es erschien mir wirr und sonderbar, staccato Gehacke und Raserei, lediglich alle "Choral"abschnitte gefielen mir auf Anhieb. Das war mir beim hörenden kennen lernen anderer Chopinsachen (Etüden, Polonaisen, Sonaten, Mazurken, Impromptus, Preludes, Balladen, Scherzi 1, 2 & 4 etc) nicht passiert. Und Chopin interessierte mich seinerzeit am meisten, war mein "Favorit" - deshalb war ich erstaunt, dass mir ein mir neues Chopinstück teilweise verworren erschien. Das lag an mir, nicht am Interpreten (Askenase spielt das Scherzo erstklassig!) und nicht am Komponisten (das 3. Scherzo ist ein Meisterwerk!) Ich musste mich reinhören und erstmal LERNEN, wie diese Musik funktioniert, was da passiert, was das ausdrückt und warum das so gestaltet ist. Tja, es wird einem nicht immer alles auf dem Silbertablett serviert - jetzt geklärt?

Das hört sich etwas so an, als ob der struturell-musikalische Aufbau dir das größte Hörvergnügen bereiten. Ist dem so und falls ja, ist das bei jedem Stück so?
nochmals nein.
Die Struktur des Walkürenritts von Wagner, der patetico Etüde von Skrjabin, der Fantasie von Chopin ist eher einfach verglichen mit hochkomplizierten Strukturen wie in Mahlers Fis-Dur Sinfonie, Liszts Sonate, Wagners Tristan - dennoch mag ich die genannten allesamt. -- doch davon abgesehen: für das Thema hier ist völlig irrelevant, wie und warum irgendwer Musik hört, ob er sie gleich kapiert oder nie usw.
 
Wie ich (vielleicht nicht deutlich genug?) berichtet habe, konnte ich beim anhören mit dem 3. Scherzo nichts anfangen, es erschien mir wirr und sonderbar, staccato Gehacke und Raserei, lediglich

Das ist ein wichtiger Aspekt. Wir alle haben - mehr oder weniger ausgeprägt und komplex - bestimmte Vorstellungen davon, wie der Komponist X zu klingen habe.
Das dritte Scherzo, welches ich auch sehr liebe, fällt im oktavengepanzerten Hauptteil aus dem Bild, das man sich sich auf der Basis anderer Werke von Chopin macht so erschreckend heraus, dass man durchaus mit Abwehr reagieren kann. Auch der Beginn mit chromatischen unisono Gesten ist schockierend. Wenn wir die Werke dann gut (allzu gut!) kennen, entfällt dieser Schockmoment. Leider!
Es gab ja immer wieder die Forderung, man möge Aufführungen sehr bekannter Werke (5. Symphonie, ...) für eine gewisse Zeit unterbinden, um sie wieder frisch und neu hören zu können. Dass das in der Praxis Unsinn ist ist klar, aber die dahinter stehende Idee leuchtet mir ein.
 
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